WireCard - von der Tech-Hoffnung zum größten Finanzskandal Deutschlands, Teil 2
Teil 2 der Artikelreihe zum Fall Wirecard, einem der größten Finanzskandale in DeutschlandDie Männer dahinter: CEO Markus Braun
Markus Braun wurde im November 1969 in Wien geboren. 1995 schloss er sein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Technischen Universität in Wien ab, danach arbeitete er ein Jahr als Forschungsassistent, bevor er sein Dissertationsstudium begann, das er 2000 erfolgreich abschloss. Er besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft.
Sein Berufsleben begann er bei der Contrast Management Consulting GmbH in Wien als Consultant. Interessant ist, dass das Unternehmen später von EY geschluckt wurde, deren Rolle im Wirecard Skandal, nun ja, umstritten ist. Von 1998 bis 2001 arbeitete er für die KPMG Deutschland mit Sitz in München. 2002 trat er dann als CEO und CTO bei der Wirecard AG als
Der frühere CEO von Wirecard sitzt mittlerweile seit zwei Jahren in Deutschland in Haft. Er bestreitet jeden einzelnen der gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe und sieht sich vielmehr als Opfer. Braun hätte von den Machenschaften seines früheren Vorstandskollegen Jan Marsalek keine Ahnung gehabt. Der Sachstandsbericht des Insolvenzverwalters Michael Jaffé spricht allerdings eine andere Sprache. Ex-Mitarbeiter sagen aus, dass Braun ein Kontrollfreak gewesen wäre, der über alle Vorgänge bei Wirecard sehr wohl informiert war. Das Verhältnis zwischen Marsalek und Braun sei vertrauensvoll gewesen und beide hätten einen regen Austausch gepflegt. Außerdem hätte es sich bei Prüfung der Unterlagen klar dargestellt, dass es das Drittpartnergeschäft nie gegeben hatte. Braun hatte Betrugsvorwürfe immer als Missverständnisse dargestellt und Kritiker als "Kriminelle" tituliert. Geld sei zwar auf Treuhandkonten überwiesen worden, allerdings nur rund eine halbe Milliarde Euro - die zum Teil dann wieder zurück in den Konzern flossen.
DLD15 Conference Day 2 (Bild: Hubert Burda Media / Flickr)
Die Männer dahinter: Jan Marsalek
Noch länger als Markus Braun war Jan Marsalek im Unternehmen Wirecard. Seit 2000 war er bei dem Zahlungsdienstleister beschäftigt, seit 2010 war er im Vorstand. Seine wenigen öffentlichen Auftritte beschränken sich auf Auftritte in der Hauptversammlung. Er galt als der Mann im Hintergrund, während Markus Braun das "Gesicht" von Wirecard war.
Als COO (Chief Operating Officer) war Marsalek eigentlich für das operative Geschäft zuständig. Er gilt als Schlüsselfigur des Bilanzskandals, da das sogenannte Drittpartnergeschäft in Asien in seinen Zuständigkeitsbereich fiel.
Marsalek ist in Klosterneuburg bei Wien aufgewachsen. Schulabschluss hat er keinen, da er das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium Klosterneuburg vor der Matura verlies. Im zarten Alter von 19 Jahren gründete er sein eigenes Softwareunternehmen, bevor er dann 2000 bei Wirecard einstieg.
Jan Marsalek scheint nicht der offenherzige Typ Mensch gewesen zu sein. Über sein Privatleben ist wenig bekannt. Es gibt Gerüchte, dass er extravagante Partys gefeiert hat, wo der Champagner ist strömen geflossen sein soll und wo es Sushi von einem "lebenden Buffet" gegeben haben soll. Freunde und Bekannte soll er gerne in das Münchener Luxushotel Mandarin Oriental eingeladen haben. Die Rechnungen hat Jan Marsalek angeblich immer bar gezahlt. Aber das sind, wie gesagt, Gerüchte.
Gute Vernetzung
Sowohl Marsalek als auch Braun galten als gut vernetzt. So saß Markus Braun beispielsweise in Österreich im Strategiegremium "Think Austria", das vom früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz ins Leben gerufen worden war. Der Wahlkampf der ÖVP wurde übrigens von Braun durch großzügige Spenden unterstützt. Marsaleks Kontakte sollen sogar bis in Geheimdienstkreise gereicht haben.
Der Wirecard Prozess
Noch im Dezember 2022 steht der erste Strafprozess gegen Markus Braun, den ehemaligen Manager Oliver Bellenhaus und den ehemaligen Leiter der Konzernbuchhalter Stephan E. an. Mit der Hauptverhandlung wird 2023 gerechnet. Mittlerweile ist die Verhandlung gesartet.
Die Staatsanwaltschaft München I wirft Braun, Bellenhaus und E. Untreue in mehreren Fällen, gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Marktmanipulation und Bilanzfälschung vor. Die Anklageschrift umfasst 474 Seiten. Darin steht, dass Markus Braun und andere Beteiligte bereits seit 2015 die Konzernbilanzen manipuliert haben sollen. Außerdem sollen sie kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Im Mittelpunkt steht dabei das Asiengeschäft - welches es ja gar nicht gab.
Die Anklage ist unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Das ist vor allem ein Schlag in das Gesicht von Markus Braun. Dieser hatte sich durch seine Verteidiger massiv dagegen gewehrt. Diese werfen den Ermittlern schwere Verfehlungen vor und haben eigene Recherchen angestellt. Einen Teil der angeblich erfundenen Geschäfte hätte es tatsächlich gegeben.
Bellenhaus hingegen hatte nach dem Zusammenbruch des Wirecard-Kartenhauses umfassend ausgesagt und gilt damit auch als Kronzeuge.
Der Prozess wird sich vermutlich bis ins Jahr 2024 ziehen. Die große Strafkammer des Landgerichts München I hat vorläufig 100 Prozesstage angesetzt.
Jan Marsalek fehlt bei dem Prozess. Auch ihm wird Marktmanipulation, Bilanzfälschung und Untreue vorgeworfen.
Der erste Prozesstag
Schon der erste Prozesstag lässt vermuten, dass das Verfahren durchaus länger dauern könnte. Der Verteidiger von Markus Braun, der renommierte Anwalt Alfred Dierlamm, will prüfen lassen, ob Richter und/oder Schöffen befangen sein könnten. Ebenso wollte der Verteidiger von Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa wissen, ob Richter und Schöffen früher selbst Wirecard-Aktien besessen hatten. Dieser Antrag wurde genauso wie der Antrag von Dierlamm zunächst zurückgestellt.
Um kurz nach zehn beginnt Staatsanwalt Matthias Büring damit die Anklageschrift zu verlesen, nach mehr als vier Stunden war die Staatsanwaltschaft damit fertig.
Bilanzen 2017 und 2018 sind nichtig - Urteil noch nicht rechtskräftg?
Das Landgericht München hat die Bilanzen für die Jahre 2017 und 2018 von Wirecard für nichtig erklärt. Ob das Urteil mittlerweile rechtskräftig ist oder nicht, konnte ich nicht recherchieren. Ist es rechtskräftig, dann könnte der Insolvenzverwalter Michael Jaffé (der auch die Insolvenz des Gusseisenwerks von Ruja Ignatova betreut hat), rund 47 Millionen an Steuern und Dividenden zurückfordern. Das trifft vor allem die Großaktionäre.
Das Urteil ist auch für die Klagen gegen die Wirtschaftsprüfer von EY wichtig. Diese hatten ja die falschen Bilanzen geprüft und testiert.
Teil 3 der Artikelreihe beschäftigt sich dann mit der Frage aller Fragen: Wo ist Jan Marsalek?
Und hier gehts zum ersten Teil der Reihe.
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