Das ist Gänsehaut pur!

Beim Einlauf der Mannschaften auf den Rasen des Erzgebirgsstadions erheben sich die Massen. Aus den Lautsprechern erklingt das Steigerlied, die Traditionshymne der Bergleute im Erzgebirge und in ganz Deutschland. Die Lautsprecheranlage hört man aber bald nicht mehr. Der Gesang aus tausenden Kehlen ist stärker. Das gesamte Stadion - ein Farbenmeer in Lila und Weiß. Kaum ein Auge bleibt trocken. Es fällt schwer die Atmosphäre zu beschreiben. So etwas habe ich im deutschen Fußball noch nicht erlebt, Emotionen live! Allein schon das Stadion, eine alte Kampfbahn aus den fünfziger Jahren, dürfte es jedem "echten Fußballfan"  angetan haben. Hier stehen die Fans manchmal noch im Regen, also keine moderne Arena mit allem möglichen Schnick-Schnack. Zur Krönung ist das Erzgebirgsstadion  auch noch landschaftlich herrlich in die Berge des Erzgebirges eingebettet. Langgezogene Wechselgesänge tönen durch die Anlage: "Wismuuuuut" klingt's von der einen, "Auuuuue" von der anderen Seite. Schon wieder spürt man die Gänsehaut und dieses Kribbeln, wieder stehen einem Tränen der Rührung in den Augen. Und dann der uralte Schlachtruf der Fans:

 

"Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht.

 Wismut Aue – die neue Fußballmacht!

Zwei gekreuzte Hämmer und ein großes W,

das ist Wismut Aue, unsre BSG!"

Was hat es mit diesem Mythos auf sich? Woher rührt diese einzigartige Verbundenheit der Menschen mit ihrem Fußballverein, ausgerechnet hier in Aue?

Gegründet  wurde der Verein im Jahre 1949. Ein Jahr später stieg  die Bergbaugesellschaft "Wismut" als sogenannter "Trägerbetrieb" ein. Das Sportsystem in der DDR war so aufgebaut, dass die Vereine jeweils einem Betrieb oder einem anderen Träger, beispielsweise Armee oder Polizei, zugeordnet wurden. Aue war also im Prinzip eine Werksmannschaft, wie heute beispielsweise Bayer Leverkusen oder der VW… äh VfL Wolfsburg. Bis 1959 wurden die Erzgebirger drei Mal DDR-Meister und ein Mal Pokalsieger des Landes. Außerdem spielte man mehrfach international. In dieser erfolgreichsten Zeit des Vereins geschah etwas Unglaubliches für DDR-Verhältnisse. Die Sportführung beschloss, die Mannschaft aus dem kleinen beschaulichen Aue, in die damalige Bezirkshauptstadt Karl-Marx-Stadt zu verlegen, zu delegieren, wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß.

Doch die Menschen in Aue und Umgebung wehrten sich vehement. Sie drohten mit Streiks und anderen Aktionen. Schließlich nahmen die Sportführer von ihrem Plan Abstand. So etwas gab es in der DDR kein zweites Mal, weder davor noch danach! Der Verein hieß zwar zeitweise SC Wismut Karl-Marx-Stadt, trug seine Spiele aber immer in Aue aus.

1963 kam dann die Retourkutsche. Nach der Rückbenennung in BSG Wismut Aue, wurde dem Verein der Status als Leistungszentrum entzogen. Das hieß konkret, bis zur Wende hatte Aue seine besten Spieler an die verbliebenen oder neu geschaffenen  Leistungszentren, meistens den FC Karl-Marx-Stadt, abzugeben. Gingen die Spieler diesen Schritt nicht, wurden sie trotz guter Leistungen, für keinerlei Auswahlmannschaften berücksichtigt.

Wismut Aue für immer im Herzen der Fans!

 Trotz dieser Schikanen hielt sich Wismut Aue bis 1990 in der höchsten Spielklasse der DDR. Das Team bestritt die meisten Oberligaspiele aller DDR Vereine überhaupt, 1019 an der Zahl! All diese Tatsachen führten schließlich dazu, dass sich Wismut Aue für immer in die Herzen der Menschen des Erzgebirges spielte. Und vor allem kämpfte, "Die Veilchen" wie das Team aufgrund seiner Farben auch liebevoll genannt wird,  waren nie ein Team von "Filigranfußballern". Das Auer Spiel lebt bis heute von Athletik und robuster Zweikampfhärte. Auch dass erinnert stark an den Fußball auf der britischen Insel.

Zur politischen Wende in der DDR zog sich der bisherige Trägerbetrieb "Wismut" aus dem Fußballsport zurück. Der Verein Wismut Aue war plötzlich mittellos und stand vor einem Scherbenhaufen. Aber es ging weiter. Enthusiasten gründeten den FC Erzgebirge Aue und führten die Tradition des Auer Fußballs weiter. Wieder auf dem Erfolgsweg, spielt das Team heute in der zweithöchsten deutschen Liga. Im der Saison 2010/11 kratzte man sogar an der Tür zur Ersten Bundesliga. Immerhin wurde Erzgebirge Aue Halbserienmeister.

Für die Fans jedoch blieb der Verein immer "Wismut Aue" und ihre Schlachtrufe dröhnen durch die deutschen Fußballstadien. Ein Beispiel soll verdeutlichen, wie beliebt der FC Erzgebirge bei seinen Fans ist. Die Stadt Aue hat ca. 17000 Einwohner. Zu einem Zweitligaspiel zwischen dem TSV 1860 München und Erzgebirge Aue kamen genauso viele  17000!! Auer Fans in die Allianzarena nach München. Ich glaube, das war bisher im deutschen Fußball einmalig.

 BSG Wismut Aue, die Legende lebt weiter, heute als FC Erzgebirge Aue!

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