Erklärende Sagen

In erklärenden Sagen werden hauptsächlich Naturphänomene behandelt. Um ein Phänomen zu erklären, ist es notwendig, einen Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang herzustellen. Durch Reduktion auf das Wesentliche und durch die Vereinfachung ist die Kausalkette zwar möglicherweise falsch, aber sie stellt doch eine begreifbare und nachvollziehbare Theorie dar. Beispielsweise ist wird eine Höhle unterhalb einer Burg damit erklärt, dass sich ein Drache in der Literatur dort eine Bleibe schuf.

Beängstigende Sagen

Die Sage nimmt eine beunruhigende Funktion ein, wenn sie das Publikum einschüchtern soll. Sie soll als Warnung verstanden werden, was passieren kann, wenn man ein Tabu verletzt oder einen Verhaltenskodex bricht. Diese einschüchternde Wirkung findet man zumeist in Spukgeschichten oder dämonologischen Sagen. Sie sollen Unbegreifliches begreifbar machen, ohne allerdings die Gründe zu erklären.

Helfende Sagen

Der Mensch weiß, dass die Umgebung (Umwelt) Einfluss auf ihn hat, wobei die Umwelt wahrnehmbar oder auch unsichtbar sein kann. Er hat ein bestimmtes Weltbild, entstanden nämlich durch das Ordnungsgefüge der Gesellschaft, in der er lebt. Daran orientiert er sich, um möglichst sicher zu leben. Sagen sind ein Bestandteil dieses Systems. Sie können nicht begreifbare Bedrohungen (unsichtbare Umwelt) konkretisieren und ihm eine Handlungsanleitung geben. Hier sei wieder auf die eingangs erwähnte Forderung verwiesen, dass Handlungsanleitungen für die eigene Situation aus der Sage gezogen werden können, in diesem Beispiel, dass man manchmal mit List ein Problem eher lösen kann als mit Gewalt. Wo das Wissen fehlt, gibt es keine andere Möglichkeit, Phänomene zu erklären. Die Grenze zwischen Glauben und Wissen ist nicht klar abgesteckt.

Die Realität in der Sage

Das Fundament einer Sage, zum Beispiel einen Ort oder einen Namen, gibt es in der Realität wirklich. Solche Einzelheiten liefern Hinweise auf das gesellschaftliche Umfeld und seine Normen oder sie beschreiben Herrschaftsverhältnisse oder auch Bewusstseinshaltungen. So verbleibt die Sage ausschließlich in ihrem historischen Bezugsrahmen.

Allerdings werden Stoff und Motiv oft an einen anderen Ort verpflanzt. Diese Technik benutzt der Erzähler oft, wenn er eine Sage für sein jeweiliges Publikum modifiziert. Hat sich ein Ereignis in lokaler Nähe zugetragen, wirkt es einfach glaubhafter, als wenn es sich um ein Gebiet handeln würde, mit dem sich das Publikum wegen zu großer Distanz nicht mehr identifizieren könnte. Möglicherweise sind sich viele Sagen mit gleichem Motiv aus diesem Grunde sehr ähnlich, und die ursprüngliche Gegebenheit als Kern der Sage hat sich woanders zugetragen.

Solche Modifizierungen beeinflussen natürlich den Wahrheitsgehalt. Auch eventuelle falsche Deutungsversuche, Übertreibungen und Ausschmückungen beeinträchtigen den Realitätscharakter der Sage.

Keine gesicherte Beweisführung

Der Zusammenhang zwischen dem Erlebnis und den Auswirkungen dieses Erlebnisses werden zwar beschrieben, aber nicht erklärt. Theoretisch wäre es möglich, dass ein außerordentliches Ereignis eine ganz andere Erklärung haben könnte als die in der Sage beschriebene. Beispielsweise könnte die Höhle im Felsen entstanden sein, weil sie mit der Zeit durch Wasser ausgehöhlt wurde.

Allerdings wäre das kein außerordentliches Erlebnis mehr und somit auch nicht weitererzählenswert.

Da der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang nur beschrieben, aber nicht erklärt wird, lässt sich die Realität nicht nachprüfen. Zwischen den Polen "fast komplett erfunden" und "fast komplett wahr" ist alles möglich.

Bewertung der Wirklichkeitsgrundlage

Die Wirklichkeitsgrundlage wird subjektiv unterschiedlich empfunden. Andere als wissenschaftliche Denkmuster sind auch heute noch nicht ausgeschlossen. Wissenschaftliche und mythische Denkweisen existierten und existieren nebeneinander.

Aufbau und Stilmittel

Die Erzähltechnik in der Sage ist einepisodig und enthält kurze Sequenzen mit manchmal verschleierten Inhalten. Stereotypen sind oft in mehreren Sagen vorhanden, deshalb bleibt hier der Erklärungsbedarf gering. Die Sprache ist einfach und verständlich gehalten, Abstraktionen werden nicht verwendet, um den Inhalt für jeden leicht nachvollziehbar zu machen. Durch Superlative sollen manche Aussagen verstärkt werden. Die Prinzessin ist eben nicht nur schön, sondern wunderschön, der Drache nicht nur groß, sondern riesig. Grundsätzlich wird ein Erzähler seine Geschichte mit Stilmitteln erzählen, die sein Publikum beeinflussen, die Geschichte zu glauben, denn die Entscheidung "wahr oder falsch" liegt beim Hörer. Das Publikum bildet sich eigene Theorien, da es oft keine wissenschaftlichen Kriterien zur Erfassung der Wirklichkeit hat.

Sonja, am 25.01.2014
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