Die handwerkliche Kunst des Spinnens

Bevor die Zuschauer sich ganz vergessen, sollen sie sich besser in die handwerkliche Kunst einweisen lassen. Dazu gehört: Die Bestimmung der Wolle, das Sortieren, Waschen, Färben, Trocknen, Zupfen oder Kardieren, und dann, meist erst im folgenden Jahr, das Drillen (rollen der Wolle auf dem Oberschenkel zu einem Faden) oder das Spinnen und Zwirnen mit einer einfachen Spindel in der Hand oder einem Spinnrad. Anschließend wird die Wolle gehaspelt, das heißt aufgewickelt, damit sie ordentlich aufbewahrt werden kann. Jeder der Bereiche ist an und für sich eine Spezialaufgabe, den früher Fachkräfte ausführten. Denn nur aus einem gut vorbereiteten Vlies kann ein perfekter Faden gesponnen werden.

Schon beim Wollkauf fängt es an

Als Wollkäufer achtet man besonders auf die Länge der Fasern. Aus dieser kann er auf die Haltung und Ernährung der Tiere schließen. Erfahrungsgemäß nimmt der Käufer gern Wolle von ihm bekannten Schäfern. So ist er sicher, dass die Tiere nach seinen Wünschen geschoren wurden und das Fell nicht mit Pestiziden belastet ist. War der Winter besonders frostig, darf der Wollkäufer sich auf eine langfasrige, dichte Wolle freuen. Dann muss er nach dem Kauf das Vlies zwar gut sortieren, kann aber bei der Rückenwolle oft, wegen des höheren Lanolingehaltes, auf ein Waschen verzichten und sie gleich verspinnen.

Das-Ashford-Spinnbuch-Anne-Field

Das-Ashford-Spinnbuch-Anne-Field (Bild: Amazon,Ashford)

Die Arbeitsgänge vor dem Wolle spinnen

  1. Nachdem die Wolle vom gröbsten Schmutz gereinigt wurde, wird sie sortiert. Ein geübter Sortierer erkennt die langfasrige Rückenwolle, die kurze, meist etwas drahtige Wolle und die kurzen Fasern.
  2. Anschließend wird die Wolle, am besten mit Regenwasser im Freien, eingeweicht. Das handwarme Wasser wird immer wieder gewechselt, während die Wolle mit den Füßen gestampft oder mit den Händen im Wasser geschwenkt wird. Wer den Lanolingehalt der Wolle behalten will, nimmt zur Wäsche möglichst wenige Zusätze. Gute Ergebnisse werden mit Schmierseife, Kernseife, die anschließend mit Essig neutralisiert werden muss, aber auch Haarshampoo erzielt.
  3. Ist die Wolle nach dem Waschen lange genug gespült worden, tropft sie ab und trocknet im Halbschatten an der Luft auf Decken. Ein Waschen der Wolle in einer Waschmaschine ist möglich, belastet die Maschine aber stark.
  4. Wichtig ist das Ruhen der Wolle nach jedem Arbeitsgang. Deshalb ziehen es erfahrene Spinnerinnen vor, immer die Wolle vom Vorjahr zu spinnen.
  5. Nach dem Waschen und Färben trocknen sie sie gut und bewahren sie dann mottensicher verpackt für das nächste Jahr auf. Die Wolle bekommt dadurch ein "ausgeruhtes" Aussehen, und die Farbe sieht "satter" aus.
  6. Vor dem eigentlichen Spinnen wird die Wolle gezupft oder kardiert um die Wollfasern in eine Faserrichtung zu bringen. Nach dem Spinnen können mehrere Fäden zusammen gezwirnt werden. Die Reißfestigkeit erhöht sich und die Wolle ist vielfältig einsetzbar.
Wolle spinnen lernen

Was ist bei gefärbter Wolle zu beachten?

Viele schätzen es, ihre Wolle selber zu waschen und dann zu färben. Ob mit Anilin- oder Pflanzenfarbe, die Zubereitung des Suds bedarf eines Wissens, das man am besten in einem Kurs oder von einer erfahrenen Person erwirbt. Nur so ist man vor unliebsamen Enttäuschungen sicher. Schließlich hat man bis zu diesem Zeitpunkt schon viel Zeit investiert und möchte zu einem annehmbaren Ergebnis kommen.

Spinnen bedeutet mehr als nur einen Faden herzustellen

Für einige Interessierte bedeutet die Beschäftigung mit Wolle ein lebenslanges Lernen. Harmonisches Geben, Behalten und Nehmen wird geübt. Nur wer sich wirklich ehrlich bemüht und nicht damit zufrieden ist, "Effektarm" aus der besten Wolle zu drehen, wird zum Ziel kommen und in dieser Meditation Freude an der eigenen Arbeit, wie bei jedem Kunsthandwerk, erleben. Aber selbst wenn alle handwerklichen Finessen perfekt beherrscht werden, hat der Spinnende nicht ausgelernt. Viele begnügen sich vorschnell mit der Herstellung eines mehr oder weniger dicken Fadens und meinen, das wäre der Weisheit letzter Schluss.

Erst wer sein Ergebnis mit anderen gesponnenen Fäden vergleicht, bekommt ein gesundes Verständnis davon, wie gut sein eigenes Produkt ist. Gute Spinnerinnen erlangen beim Spinnen eine Harmonie zwischen Geben und Nehmen. Sie fühlen sich nach dem Spinnen entspannt. Selbst ausprobiert wurde, dass sich bei Erkrankungen des Herzens der Puls normalisiert. (Oft nehmen die Spinnerinnen dazu den Riemen vom Rad)

In früherer Zeit überließ man das Spinnen den älteren Frauen, weil diese Tätigkeit günstig (zusammenziehend) auf die Unterleibsorgane wirkt. Frauen die noch Kinder haben wollen, sollten, damit eine Empfängnis günstiger wird, in dieser Zeit auf das Wolle spinnen verzichten.

 Einsame Menschen tun gut daran, sich mit einem Spinnrad in die öffentlichen Anlagen zu setzen. Es gibt keine effektivere Methode, Menschen besser kennenzulernen, wusste bereits der indische Gelehrte und Politiker Mahatma Gandhi.

Laden ...
Fehler!