Wozu braucht man Omega-3-Fettsäuren?
Omega-3-Fettsäuren sind in aller Munde. Doch was steckt hinter dem kryptischen chemischen Namen? Ein Allheilmittel oder blanker Humbug?Was sind Omega-3-Fettsäuren
"Omega-3-Fettsäuren" ist eigentlich ein Sammelbegriff verschiedener ungesättigter Fettsäuren, die in ihrer chemischen Struktur eins gemeinsam haben: Die letzte Doppelbindung in der Kohlenstoffkette der Fettsäure liegt bei der drittletzten Bindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen.
Strukturformel der Alpha-Linolensäure (Bild: Edgar 181/Public Domain über Wikipedia)
Für den Hausgebrauch wichtiger ist jedoch eine andere Eigenschaft der Omega-3-Fettsäuren: Sie können vom Körper nicht selbst hergestellt werden und müssen deshalb mit der Nahrung aufgenommen werden. Früher bezeichnete man diese "essenziellen Fettsäuren" als "Vitamin F". Wichtige Vertreter der Omega-3-Fettsäuren sind die Eicosapentaensäure (EPA), die Docosahexaensäure (DHA) und die Alpha-Linolensäure (ALA).
Lebertran modern (Bild: eliasfalla/pixabay)
Was bewirken Omega-3-Fettsäuren im Körper?
Omega-3-Fettsäuren werden in Zellmembranen eingebaut, verstoffwechselt und sie sind Vorläufer von Hormonen. Da es praktisch überall im Körper Zellmembranen und Hormone gibt, verwundert es nicht, dass Omega-3-Fettsäuren auf viele Organsysteme und Körperfunktionen Einfluss nehmen, das haben viele wissenschaftliche Untersuchungen ergeben. Anhänger der Omega-3-Fettsäuren führen etwa folgende günstige Wirkungen an:
- Omega-3-Fettsäuren entfalten eine Vielzahl positiver Wirkungen im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Sie beugen Herzrhythmusstörungen vor und haben eine vorbeugende Wirkung gegen Erkrankungen der Herzkranzgefäße.
- Sie senken das Gesamtcholesterin und das (schädliche) LDL-Cholesterin, sowie Triglyceride im Blut, erhöhen das "gute" HDL-Cholesterin.
- Sie senken hohen Blutdruck.
- Insgesamt wird das Arteriosklerose-Risiko vermindert, damit sinkt auch das Risiko für Schlaganfälle.
- Sie wirken positiv auf den Verlauf von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Hashimoto Thyreoiditis (eine Art der Schilddrüsenunterfunktion).
- Sie verbessern die Hirnleistung im Alter und vermindern das Risiko einer Demenzentwicklung.
- Sie wirken positiv auf den Verlauf schwerer psychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen.
- Sie sollen ADHS (Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung) positiv beeinflussen.
- In der Frühschwangerschaft treten seltener Frühgeburtsbestrebungen auf, später weniger Wochenbettdepressionen.
- Manche Studien zeigen einen schützenden Effekt auf bestimmte Krebsarten: Prostatakrebs, Darmkrebs und Brustkrebs. (Das gilt aber nicht für die Alpha-Linolensäure: Sie kommt zum Beispiel in Sojaöl, Rapsöl, Leinsamenöl, Hanföl und Walnussöl vor und wurde mit einer Erhöhung von Prostatakrebs in Verbindung gebracht.)
Omega-3-Fettsäuren und Ernährung
Laut ernaehrung.de wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen, dass wir täglich 0,5% unserer Gesamtenergie in Form von Omega-3-Fettsäuren zu uns nehmen, das sind für einen jüngeren, 70 Kilogramm schweren Mann etwa ein bis zwei Gramm. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung erreichen die meisten Menschen ihren Bedarf bei Weitem nicht. Das mag daran liegen, dass Fette in unserer figurbewussten Zeit immer mehr aus den Speiseplänen verschwunden sind. Das mag aber auch daran liegen, dass Omega-3-Fettsäuren durch industrielle Herstellungsprozesse aus Nahrungsmitteln verschwinden, in denen sie vorher in größerer Menge vorhanden waren, zum Beispiel aus der Milch (Siehe auch meinen Artikel: Warum Heumilch?). Die meisten Menschen, die genug Omega-3-Fettsäuren mit der Nahrung aufnehmen wollen, müssen bewusst darauf achten, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt etwa zwei Fischmahlzeiten pro Woche.
Quellen für Omega-3-Fettsäuren sind:
Kaltwasserfische, z.B. Hering, Makrele, Lachs, Regenbogenforelle, Milchprodukte, Fleisch und Käse (nur!) von Weidekühen
Vegane Quellen für Omega-3-Fettsäuren sind:
Walnüsse, Leinöl, Sojaöl, Weizenkeimöl, Rapsöl, Leinsamen, Chia-Samen, Paprika, Lauch, Sojabohnen und Spinat, Algen (Krill)
Die besten Omega-3 Quellen |
Omega-3: Wundermittel oder Fake?
Wenn es sich um ein derartiges Wundermittel handelt, warum trinken wir dann nicht täglich ein Schlückchen Öl gegen alle möglichen Zivilisationskrankheiten? Leider ist sich die Wissenschaft in der Frage der Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren nicht ganz einig: In letzter Zeit häufen sich die Stimmen, die eine gezielte Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren für völlig wirkungslos hält und sogar vor Schäden warnt. So trägt ein Artikel, der im Jahr 2010 in der "Zeit" erschien, den Titel: "Omega-3-Fette nicht gesünder als Schweineschmalz". Die erste in diesem Artikel zitierte Studie sorgt jedoch schon einmal für Kopfschütteln: Die Forscher erhitzten Olivenöl, nahmen Probanden, die es zu sich genommen hatten, nach 16 Stunden Blut ab und stellten fest, dass sich im Blut gefährliche Oxidationsprodukte erhöht hatten. Nun fragt sich der ernährungs- wissenschaftlich interessierte Laie einerseits, was diese Studie in einer Argumentation gegen Omega-3-Fettsäuren zu suchen hat, da Olivenöl gar keine nennenswerten Omega-3-Fettsäuren enthält. Zweitens fragt man sich, was die Forscher dazu bewegt hat, Olivenöl zu erhitzen, wenn doch auf jeder Koch-Plattform nachzulesen ist, dass kalt gepresstes Olivenöl nicht hitzestabil ist und bei Hitze gefährliche (krebserregende) Substanzen entstehen. Nun mögen andere Studien fundierter sein, um sie jedoch einordnen zu können, müsste man jede einzeln durchlesen und auf ihre Methodik überprüfen: Das ist für Otto Normalverbraucher und Dora Durchschnittskonsumentin nicht zu leisten und so bleibt die Kontroverse verwirrend und widersprüchlich, immerhin wird auch vor negativen Wirkungen bei Überdosierung gewarnt.
Können Omega-3-Fettsäuren auch schaden?
Schon Paracelsus sagte: "Die Dosis macht das Gift" und so muss man sich bei allem, was man sich bewusst und regelmäßig zuführt, fragen: Kann man auch zu viel des Guten tun und Omega-3-Fettsäuren überdosieren? Die Antwort ist: "Ja und nein." Es ist zumindest nicht einfach, sich mit Omega-3-Fettsäuren aus der Nahrung eine Überdosis zuzuführen. (Immerhin handelt es sich auch um Fett und wer exzessiv Fett isst, wird es irgendwann auch an der Figur spüren). Wer Omega-3-Fettsäuren einfach mit der Nahrung isst, muss mehr darauf achten, dass ihm das Nahrungsmittel bekommt: So sollen Personen mit einer Neigung zu Krampfanfällen oder Epilepsie Nachtkerzenöl und andere Öle mit einem hohen Gehalt an Gamma-Linolensäure meiden, weil es Anfälle begünstigt. Bei Fischen wiederum ergibt sich die Problematik, dass viele davon schadstoffbelastet sind.
(Bild: Openclips/Pixabay)
Ein Überdosierung an Omega-3-Fettsäuren könnte man am ehesten mit industriell hergestellten Kapseln erreichen: Auf der Seite nutrifacts.org wird eine Maximaldosis von bis zu fünf Gramm pro Tag für die kombinierte Langzeiteinnahme von Eicosapentaensäure (EPS) und Docosahexaensäure (DHS) angegeben. Ein Artikel der Universität Maryland nennt jedoch drei Gramm als Höchstdosis. Die Folgen von Überdosierungen sind, je nach Säure, meist Störungen im Verdauungstrakt wie Aufstoßen, Übelkeit und Durchfall. In Diskussion sind jedoch auch schwerwiegende Probleme: Bei einer sehr hohen Zufuhr von EPA und DHA wurde eine verlängerte Blutungsdauer und eine höhere Schlaganfallrate beobachtet. Da Omega-3-Fettsäuren entzündungshemmend wirken, ist auch nicht auszuschließen, dass das Immunsystem in seiner Fähigkeit, Krankheitserreger zu zerstören, eingeschränkt wird. Und während Omega-3-Fettsäuren im Allgemeinen als krebshemmend gelten, kann sich dieser Effekt bei zu hohen Dosen sogar umdrehen: Es gibt Hinweise, dass kurzkettige Omega-3-Fettsäuren (z.B. ALA) in hoher Dosis das Riskio für Prostatakrebs erhöhen und das Wachstum von Darmkrebs im Spätstadium fördern. Vor kurzem erscheinen auch Studien, die vor Fischöl-Kapseln bei Prostatakrebs warnen. Eine Hypothese für diese widersprüchlichen Ergebnisse ist, dass es die Omega-3 Fettsäure, Docosapentaensäure (DPA) sei, die das Risiko einer Krebserkrankung senke. Diese Fettsäure sei zwar in Fisch enthalten, nicht aber in Fischöl-Kapseln, da sie zu selten und zu teuer sei. Augenmaß ist auch bei Kindern gefragt: Zuviel Omega-3 kann späteres Übergewicht begünstigen.
Was kommt jetzt auf den Teller? (Bild: condesign/pixabay)
Mein ganz persönliches und vorläufiges Fazit der Omega-3-Kontroverse ist:
- Die Mehrheit der Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass Omega-3-Fettsäuren gesund sind.
- Die Minderheit besagt, dass da nichts dran ist und sogar Schäden entstehen können. Diese Haltung würde viele aktuelle ernährungsphysiologischen Paradigmen (z.B. dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren gesund sind) umstoßen, was aber nichts heißen soll. Jeder Paradigmenwechsel nimmt einmal irgendwo seinen Anfang und nicht immer behält die Mehrheit Recht.
Aber ...
- ... manche der angegebenen Nebenwirkungen sind die Kehrseite der Wirkung: Wenn das Blut "dünnflüssiger" (und gefäßdurchgängiger) wird, weil die Zusammenlagerung von Blutplättchen gehemmt wird, steigt gleichzeitig die Blutungsneigung. Beides gleichzeitig kann man nicht haben. Die Frage ist mehr, wie stark sich dieser Effekt in der Praxis auswirkt.
- ... die Warnungen beziehen sich hauptsächlich auf ein "Zuviel" an Omega-3-Fettsäuren und so gilt auch hier, was sich oft im Leben bewährt: Nicht übertreiben!
Leute, die an einer bestimmten Krankheit neigen oder Medikamente nehmen, sollten jedoch vorsichtig sein und sich genau informieren: Mit einem Prostatakrebs würde ich nicht gerade eine Leinöl-Kur beginnen, bis der Expertenstreit beigelegt ist. (Anmerkung: Die Öl-Eiweiss-Diät von Dr. Johanna Budwig, die bei Krebs sehr propagiert wird, stammt aus den 1950ern! Die meisten Studien, die Besonnenheit nahelegen, erschienen erst nach der Jahrtausendwende.)
Wichtig: Die oben angeführten Beispiele sind eine grobe Zusammenfassung und umfassen nicht jedes bekannte Problem! Eine sehr gute Übersicht der Universität Maryland über Studien, empfohlene Dosierungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten gibt es hier (allerdings Englisch).
Und wozu braucht man Leinöl?
Mein persönlicher Favorit aller Omega-3-Lieferanten ist Leinöl: Das aus den heimischen Leinsamen hergestellte Öl enthält zu 90 % und mehr ungesättigte Fettsäuren und hat einen hohen Anteil an der Omega-3-Fettsäure α-Linolensäure (ALA), die selber entzündungshemmend wirkt und auch in die höherwertigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) umgewandelt wird.
Leider ist Leinöl nicht für jeden geeignet: Damit ALA im Körper in EPA und DHA umgewandelt wird, ist ein bestimmtes Enzym nötig, das aber bei manchen Menschen nicht oder nur eingeschränkt funktioniert, das scheint insbesonders bei Menschen mit Diabetes mellitus (auch Insulinresistenz) oder Schizophrenie eine Rolle zu spielen. Diese Leute müssen darauf achten, direkt EPA und DHA zu sich zu nehmen, wie sie in Fischöl vorkommen. Veganer können auf bestimmte Algen (Krill) ausweichen.
Ansonsten ist Leinöl ist der perfekte Omega-3-Lieferant für Leute, die keine Meeresfische essen wollen: Weil sie den Geschmack nicht mögen, weil sie vegan leben, weil sie die Schadstoffbelastung von Meeresfischen fürchten oder die Überfischung der Weltmeere nicht gutheißen. Anders als Lachs und Sardine ist Leinöl ein Bestandteil heimischer Küche, eine traditionelle Zubereitungsform ist etwa Pellkartoffeln mit Leinöl und Quark.
Frisches Leinöl schmeckt sehr intensiv und nussig, altes Öl ist bitter. Leinöl oxidiert an der Luft sehr schnell und wird dann ungenießbar. Ist es einmal offen, sollte es im Kühlschrank aufbewahrt werden und es ist nur etwa drei Monate genießbar. Besser hält Leinöl im Gefrierfach. Es bleibt auch dort flüssig, da es schon bei etwa Minus 16 Grad schmilzt.