Die Errichtung der Frauenkirche im 18. Jahrhundert

1722 wurde der Dresdner Ratszimmermeister George Bähr vom Rat der Stadt mit dem Neubau der Frauenkirche – als Ersatz für die baufällig gewordene romanische Vorgängerkirche - beauftragt. Der am 15. März 1666 in Fürstenwalde (Erzgebirge) geborene Bähr durfte als erster seiner Zunft die Bezeichnung "Architekt" tragen und war einer der bedeutendsten Baumeister des Barock. Der Bau der Kirche gestaltete sich jedoch als äußerst schwierig, weil immer wieder Probleme bei der Finanzierung auftraten und auch immer wieder Zweifel an der Stabilität der steinernen, scheinbar schwerelos schwebenden Kuppel laut wurden, mit der Bähr sein Bauwerk "krönen" wollte. Bähr starb am 16. März 1738 kurz vor der Fertigstellung der wegen ihrer konkaven Form "Steinerne Glocke" genannten Kuppel. 1743 wurde der Bau der Frauenkirche mit dem Aufsetzen des Kuppelkreuzes abgeschlossen.

Der Entschluss zum Wiederaufbau

Nachdem die Frauenkirche infolge der Luftangriffe der Alliierten am Ende des Zweiten Weltkriegs ausgebrannt und in sich zusammengestürzt war, diente der Trümmerberg über Jahrzehnte als Mahnmal und Gedenkstätte. Infolge der deutschen Wiedervereinigung wurde dann möglich, was zu DDR-Zeiten noch unmöglich schien, nämlich der Wiederaufbau des zerstörten Gotteshauses. Und zwar setzte sich gleich nach der Wende eine Bürgerinitiative dafür ein, die Kirche archäologisch zu rekonstruieren.

Bezüglich der Finanzierung dieses Vorhabens zeigte sich eine erstaunliche Parallele zur Finanzierung der Errichtung der Frauenkirche im 18. Jahrhundert. Das heißt: Ebenso wie die "alte" Frauenkirche hauptsächlich mit Spenden aus der Bevölkerung erbaut wurde, wurde auch die Rekonstruktion der zerstörten Frauenkirche zu einem großen Teil mit Spenden finanziert. Insofern ist die wiederaufgebaute Frauenkirche ebenso eine "Bürgerkirche" wie das historische Original. Und ebenso wie im 18. Jahrhundert der Bau der Frauenkirche von Streitigkeiten unter den Verantwortlichen begleitet war, war auch das Projekt eines Wiederaufbaus Anlass zu heftigen Diskussionen, wobei es im Unterschied zur damaligen Kontroverse darum ging, ob man das Projekt überhaupt in Angriff nehmen sollte.

Nach Abwägen aller Argumente, die für oder gegen den Wideraufbau sprachen, konnten sich schließlich– auch angesichts des ungeheuren Spendenflusses, der gleich nach Bekanntwerden des Vorhabens einsetzte – die Befürworter durchsetzen. Und so wurde aus dem Traum einer Rekonstruktion der Frauenkirche, den die Dresdner in der Nachkriegszeit nie aufgegeben hatten, Wirklichkeit. Die Grundlage für den Wiederaufbau war allerdings bereits in der Nachkriegszeit gelegt worden. Denn mehrmals drohte das Abtragen der Ruine, und deshalb hatte der damalige oberste Denkmalschützer, Professor Hans Nadler, bereits unmittelbar nach dem Krieg Bruchstücke gesichert und später dafür gesorgt, dass rund um den Trümmerberg Rosenbüsche gepflanzt wurden.

Die Verwendung alter Steine

Bei der archäologischen Rekonstruktion der Frauenkirche musste eine Fülle von Herausforderungen bewältigt werden, von denen ich im Folgenden die vielleicht wichtigsten beschreiben möchte.

So sollte so viel wie möglich von der ursprünglichen Bausubstanz wiederverwendet werden. Deshalb war eine wesentliche Voraussetzung für den Wiederaufbau die archäologische Enttrümmerung, also die statische Sicherung der Ruine und die Katalogisierung der Steine im Trümmerberg. Und zwar wurde jeder Stein des 22.000-Kubikmeter-Schutt-Bergs mit bis zu 200 Daten registriert, wobei seine Maße, sein Gewicht, die Schäden, die mutmaßliche Herkunft bestimmt wurden. Gefragt wurde: Wo war sein Platz im Bauwerk gewesen? Warum lag er gerade hier? Dies war eine Spurensuche, die in der Baugeschichte ohne Beispiel ist.

Aber die archäologische Enttrümmerung war ein voller Erfolg. Einschließlich der Ruinenteile besteht die Frauenkirche zu ca. 45% aus historischem Steinmaterial. Allein 8.425 alte Werksteine wurden beim Wiederaufbau in die Frauenkirche integriert. Beim Altar sind sogar ungefähr 80% aus originalem Material: Mehr als 2000 Bruchstücke wurden wieder am ursprünglichen Platz in den Altar eingebaut. Auch der Kopf der im Altarbild zentralen Christusfigur ist das Original und zeugt in besonderer Weise von der Feuersbrunst, die seinerzeit im Inneren der Kirche getobt hat. Man sieht hier nämlich noch Zinntropfen von den in der Gluthitze geschmolzenen Orgelpfeifen.

Späte Genugtuung für George Bähr

Es mussten auch die durch die Zerstörung der Kirche verloren gegangene Geometrie wiedergefunden und in Baupläne umgesetzt sowie an gegebener Stelle die Tragkonstruktion verbessert werden. So ist die Steinkuppel nun dauerhaft gesichert durch einen verborgenen stählernen Ringanker, der über Spannstangen mit 16 Stahlbetonblöcken im Mauerwerk verbunden ist, und die schwindelnd hohen und steilen, ehemals selbsttragenden hölzernen Emporen trägt ebenfalls ein verstecktes Stahlgerüst.

Man könnte auch sagen, dass die Frauenkirche jetzt unter ihrem barocken Kleid ein verborgenes Stahlkorsett trägt. Jedenfalls wurde durch die Stahlimplantate erreicht, dass die Last von 12 500 Tonnen, die Kuppel, Tambour (Sockel der Kuppel) und Innenkuppel zusammen wiegen, auch über das Außenmauerwerk in die Fundamente fließt – so wie George Bähr es bereits geplant hatte, aber mit den technischen Mitteln der damaligen Zeit noch nicht realisieren konnte, so dass die Kuppel immer wieder stabilisiert werden musste. Aber immerhin hatte Bähr die Grundlage dafür geschaffen, dass die Kuppel 200 Jahre gehalten und sogar dem Artilleriebeschuss durch die Armee des "alten Fritz" getrotzt hat.

Beim Wiederaufbau der Frauenkirche wurde also auch der Beweis dafür erbracht, dass George Bähr tatsächlich ein genialer Baumeister gewesen ist, der seiner Zeit weit voraus war.

Die Verbindung von Tradition und Moderne beim Wiederaufbau

Hilfreich beim Wiederaufbau war, dass es in Archiven noch historische Pläne und Grundrisse gab, die ausgewertet werden konnten, und dass auch die Sanierungsmaßnahmen, die im 19. und 20. Jahrhundert durchgeführt worden waren, mit Aufmaßen und Fotografien dokumentiert worden waren. Und zwar wurde auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen zunächst mit Hilfe modernster Computertechnik ein dreidimensionales Modell der Frauenkirche erstellt. Dadurch konnten alle Bauteile räumlich abgebildet und deren Position im Bauwerk vorab definiert und nachträglich überprüft werden. 

Unabdingbar war aber auch ein Ausflug in die Vergangenheit. So mussten sich die Bauarbeiter die alten handwerklichen Methoden des Sandsteinmauerwerks erst aneignen. Die Techniken des 21. Jahrhunderts waren wiederum hilfreich beim Finden der richtigen Mörtelmischung und bei der Bearbeitung des Sandsteins. So wurden alle neuen Steine eigens von Steinmetzen angefertigt und zwar auf der Grundlage von exakten Werkzeichnungen, die mit Hilfe von Computern erstellt worden waren. Insgesamt kam es also beim Wiederaufbau der Frauenkirche zu einer segensreichen Verbindung von Tradition und Moderne.

Zur kulturellen und religiösen Bedeutung des Wiederaufbaus

George Bähr hatte mit der 60 000 Tonnen schweren und über 90 Meter hohen Frauenkirche den größten Kuppelbau nördlich der Alpen und den größten Sandsteinbau der Welt geschaffen. Die Frauenkirche war zudem die erste bedeutende und ist noch heute die größte protestantische Kirche in Deutschland. Sie gilt aufgrund ihrer Architektur, bei der sich die Gemeinde im Halbkreis um die Kanzel versammelt und sich dadurch Gemeinde und Pfarrer quasi auf Augenhöhe begegnen, als die lutherische Kathedrale par excellence und aufgrund ihrer barocken Pracht als Kleinod der Weltkultur. Zusammen mit der katholischen Hofkirche prägt sie die einzigartige Dresdner Stadtsilhouette, und dieses Ensemble erinnert bis heute daran, dass das Nebeneinander der Konfessionen durch gegenseitige Toleranz grundsätzlich möglich ist. Die Frauenkirche ist das bekannteste Wahrzeichen der Stadt und kann deshalb als das verbindende Element der einzelnen Symbole betrachtet werden, die zusammen den Mythos Dresden bilden.

Zur psychologischen Bedeutung des Wiederaufbaus

Die psychologische Bedeutung des Wiederaufbaus der Frauenkirche wird daraus ersichtlich, dass sie für die Dresdner das "Herz", die "Seele" der Stadt ist. Also hatte durch die Zerstörung der Frauenkirche das Herz der Stadt aufgehört, zu schlagen, hatte die Stadt ihre Seele verloren. Vermutlich wog deshalb für viele Dresdner der Verlust der Frauenkirche ungleich schwerer als der Verlust der anderen barocken Bauwerke in der Altstadt. Das heißt: Der schwere Schock, das Trauma, das die Dresdner durch den Untergang ihrer Stadt erlitten hatten, war zum einen durch die hohe Zahl der Toten, zum anderen - was die materiellen Schäden betrifft - vor allem durch die Zerstörung der Frauenkirche ausgelöst worden. Der Wiederaufbau der Frauenkirche war deshalb für die Kriegsgeneration die Erlösung von einem Trauma. Die wiederaufgebaute Frauenkirche ist infolgedessen aber auch zum einem Symbol für Frieden und Versöhnung geworden.

Der Wiederaufbau als Wiederauferstehung

Ich möchte noch auf ein Phänomen eingehen, das merkwürdig erscheinen mag, aber auch anrührend ist. Und zwar scheint es, als ob die Frauenkirche nicht nur als Herz oder Seele von Dresden betrachtet wird, sondern als ob das ganze Bauwerk als etwas Beseeltes, etwas Lebendiges, empfunden wird. So hatte Professor Nadler seinen ersten Eindruck von dem Trümmerberg so beschrieben, "dass das gefallene Gotteshaus zwar im Sterben lag, aber noch seinen alten Geist atmete". Folglich war im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau auch die Rede davon, dass die Frauenkirche "wieder lebt". Man verglich also ihre Rekonstruktion mit einer Wiederauferstehung. In dieser Perspektive könnte man das "Schicksal" der Frauenkirche so beschreiben, dass sie vor 289 Jahren, nämlich mit der Grundsteinlegung am 26. August 1726, "das Licht der Welt erblickt hat" und 1945 mit ihrer Zerstörung in einen todesähnlichen Schlaf fiel, aus dem sie 60 Jahre später durch ihre Rekonstruktion und erneute Weihe wieder aufgeweckt worden ist.

Kosename "Dickmadame"

Davon, dass die Frauenkirche für die Dresdner tatsächlich eine Art Person darstellt, der sie große Zuneigung entgegenbringen, zeugt auch, dass sie ihr einen Kosenamen gegeben haben, nämlich "Unsere Dicke" oder – vornehmer - "Dickmadame". Vermutlich rührt dieser Name daher, dass sie verglichen mit der "schlanken" Hofkirche "massig" wirkt. Und es ist ja gerade dieser Kontrast zwischen der "majestätischen" Frauenkirche und der "graziösen" Hofkirche, der die Dresdner Stadtsilhouette so einzigartig macht. - Damit möchte ich meinen Bericht über ein Drama mit "Happy-End" beschließen.

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