Wünsche an den Mob von Clausnitz
Herz, Verstand und ein großer Pot Flowerpower für verhetzte Geister. - Ein KommentarMenschen kommen, Menschen bleiben - Menschen gehen
Zum Einstieg eine kleine Geschichte, die nichts direkt mit den Ereignissen in Clausnitz zu tun hat, aber zum entspannten Nachdenken anregen soll: Vor etlichen Jahren traf ich auf einer tropischen Insel in Brasilien eine Schmuckhändlerin. Sie schlenderte mit ihrem Bauchladen am Strand entlang und bot Touristen sehr relaxed ihre Ringe und Steinketten feil. Irgendwie waren wir uns von Anfang an sympathisch und unterhielten uns länger. "Mit zwanzig habe ich fünf Jahre in der Schweiz gelebt und als Hausmädchen gearbeitet. Als ich nach Europa ging, dachte ich alle wären reich und müssten nicht arbeiten. Seit ich in der Schweiz gearbeitet habe, weiß ich, dass dort die Menschen hart für ihr Geld arbeiten. Meine Chefin und ihr Mann gingen früh außer Haus und kamen spät zurück. Geld hatten sie schon. Aber so wollte ich nicht leben. Ich habe das meiste Geld gespart und ging zurück nach Brasilien. Ich kaufte mir den Bauchladen mit etwas Silberschmuck und bin glücklich hier am Meer", erzählte sie. Sie wohnt jetzt in einer sehr einfachen Unterkunft, aber sie war ziemlich entspannt und wirkte glücklich.
Ich denke, dass viele Menschen, die heute nach Europa kommen – egal ob echte Einwanderer, Asylwerber oder sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge – sich zunächst einmal einfach ein besseres Leben wünschen, genauso wie die oben erwähnte Brasilianerin. Viele werden ein falsches Bild von Europa haben und Erwartungen, die unser System nicht erfüllen kann. - Viele sind auch schon wieder ausgereist (übrigens teils freiwillig, weil sich ihre Erwartungen nicht erfüllt haben). Syrienflüchtlinge schließlich wollen vor allem erst einmal wieder eine Art von Frieden verspüren. Wo sollen sie denn auch hingehen? In die Arme des IS oder der Schergen des Assad-Regimes. Sollen sie Jahre in Wüsten-Lagern hocken, wo sie keine Perspektive haben oder in der Türkei auf der Straße betteln?
Hirn einschalten ...
Flüchtlinge sind an allem Schuld?
Ach ja, die – die Flüchtlinge - kommen ja nur, um uns in Europa die Haare vom Kopf zu fressen!? (Achtung: Ironie!) Um es ein für alle Mal klar zu stellen: Asylwerber bekommen sicher nicht mehr als ein Deutscher. Wer sich über Hartz IV beschweren will oder schlecht bezahlte Jobs "Sch***e" findet, die Renten zu niedrig, die Mieten zu hoch und die Wohnsilos schlecht, ...
... der soll doch bitte den demokratischen Weg beschreiten und sich in Kommunen und Politik (wohlgemerkt in demokratischen Parteien und nicht solchen, die meines Erachtens. außerhalb des Verfassungsbogen agieren) engagieren. Sich gegen den nächst Schwächeren aufhetzen zu lassen, wird an der eigenen Situation nichts verbessern und ist so ziemlich das Dümmste was man machen kann.
Nur Dumme lassen sich verhetzen - und verheizen
Wenn Videos wie das von Clausnitz auftauchen wo erwachsene Männer Parolen gegen Kinder grölen, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Man halte sich bitte an die Fakten: Laut der Süddeutschen Zeitung sind in Clausnitz inzwischen gerade mal knapp über zwanzig Flüchtlinge untergebracht. Wie das auf youtube kursierende Video klar zeigt, waren darunter junge Buben, die völlig verängstigt, den Bus nicht mehr verlassen wollten. Der grölende Mob bestand aus etwa hundert Demonstranten. Im Vorfeld wurde eine Zufahrtsstraße blockiert. Das stellt sich doch die Frage: Wer hat diese Leute vorab informiert? Die "Demonstranten" waren offenbar nicht primär aufgebrachte Anrainer. Clausnitz hat gerade mal dreitausend Einwohner und ist ein Nest in Sachsen. Wie verschiedentlich vermutet wird, kamen die "Gegendemonstranten" auch aus anderen Gegenden. Das Flüchtlingsheim wird Medienberichten zufolge von einem AfD-Mitglied "mit eigener Weltanschauung" geleitet (Update 22.2.2016: Der Heimleiter wurde inzw. abberufen). Weshalb wird einem eindeutig national angehauchten Menschen so ein Amt anvertraut? Das sind doch mal die Fragen, die man sich wirklich stellen muss.
(Bild: Giovanni_cg / Pixabay)
Probleme löst man nicht mit Hass
An der Universität schrieb ich vor gut einem viertel Jahrhundert meine Magisterarbeit über die Zwischenkriegszeit und spürte den Ursachen über das Aufkommen der Nazis nach. Wenn ich die Situation in vielen Ländern Europas heute betrachte, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Es gibt leider viele Parallelen. Es besteht wieder die Gefahr von Polarisierungen. Es besteht die Gefahr, dass sich Menschen aufhetzen lassen und ihre Ängste an Mitmenschen, die plötzlich zu Feinden gemacht werden, abreagieren. Manchen Gruppen – und ich meine durchaus mächtige Personenkreise – spielt das in die Hände. Solche "Krisen" lenken von grundlegenden Problemen in unserem System ab.
(Bild: geralt / Pixabay)
(Bild: Alexas_Fotos / Pixabay)
Zweifelsohne gibt es in der Asylfrage einiges zu diskutieren. Mit Hass lassen sich Probleme oder angebliche Probleme aber ganz sicher nicht lösen. Ein weiser Mensch sagte einmal: "Die Lösung eines Problems liegt nicht auf der Ebene des Problems. Die Lösung ist immer die Liebe." Das kann man für kitschig halten oder auch für sehr klug. Denn letztlich sind wir alle nur Menschen und wir haben enorme kulturelle und technische Leistungen hinbekommen. Warum sollten wir nicht auch diese Situation bewältigen?
<---- Auf der linken Seite:
Ein Fundstück auf youtube ... lästern über Clausnitzer Mob-Attacke und Spendenaufruf.
(Ich möchte ausdrücklich darauf verweisen, dass ich die Organisation nicht kenne ... den Text finde ich aber irgenwie erheiternd)
Entspannt euch!
Den vornehmlich männlichen Teilnehmern an Mobauftritten wie in Clausnitz seien ein paar Entspannungstipps mitgegeben:
Hört doch mal Udo Lindenberg: "Wir werden jetzt Freunde"
Es gibt immer solche und solche Menschen. Wie man sich verhält, hat nichts mit der Nationalität zu tun. Es gibt Kriminelle und Idioten. Das ist überall so. Es gibt auch Menschen, die nichts zu verlieren haben und völlig verkorkst sind. - Aber wenn ich auf jemanden freundlich zugehe, erhalte ich mit höherer Wahrscheinlichkeit auch freundliches Verhalten zurück und schaffe Vertrauen.
Ein Song von Udo Lindenberg, der sich ja nie mundtot machen ließ. "Wir werden jetzt Freude" mit typischer Lindenberg-Schnauze und echtem Einfühlungsvermögen,
Meditiert doch mal ….
… zum Beispiel über grundlegende Rechte eines Menschen
Eine Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg war die Formulierung der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" (1948), abrufbar auf der UNO Website. Artikel 1 lautet:
"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen."
Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 hält fest:
"Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit."
Über diese beiden Sätze lohnt es sich einmal ausgiebig zu meditieren. Im Moment der Geburt und im Tod sind wir alle gleich. Denke ich mit meinem Herzen so komme ich zu dem Schluss, dass die oben angeführten Zitate noble und aufgrund des heutigen Fortschritts auch erreichbare Ziele sind, die wir anstreben könnten. Mit dumpfen Nationalismus lassen sich die Probleme einer globalisierten Welt beziehungsweise Weltwirtschaft sicher nicht lösen. - Rein mit dem Verstand gedacht, ist es mir auch lieber, wenn Staaten derartige Rechte hoch halten. Denn wer weiß, was hierzulande einmal passieren wird? Auf welche Rechte könnte man sich berufen, wenn man - aus welcher Not (Krieg, Umweltkatastrophen, Armut, Gewalt …. ) auch immer – das Land verlassen muss? - Mit den Menschenrechten ist im Grunde genommen jeder gut beraten.
Lest doch mal ein gutes Buch
Lesen bildet bekanntlich und erweitert die Perspektive.
- Buchtipp 1:
"Mo und die Arier: Allein unter Rassisten und Neonazis"
Was die afrodeutsche TV-Moderatorin Mo Asumang bei ihren Recherchen in rechten Kreisen erlebte.
- Buchtipp 2:
"Die blumigen 60er - Minirock und Flower-Power: Alles über das Lebensgefühl der sechziger Jahre"
Auch wenn die Esoterik-Szene heute von vielen rechten Gecken unterwandert ist: Die "Licht und Liebe"-Fraktion wäre durchaus mal etwas für "harte Jungs" und eine ordentliche Portion Flower-Power ist immer noch prickelnd und inspirierend. - Geld ist nicht alles. Und der Slogan "Macht Liebe statt Krieg" hat auch heute noch seine Berechtigung.
- Buchtipp 3:
Saskia Sassen, "Ausgrenzungen: Brutalität und Komplexität in der globalen Wirtschaft"
Wer die Ursachen globaler Wanderungsbewegungen verstehen möchte, der sollte Schriften der amerikanischen Wirtschaftssoziologin Saskia Sassen lesen. Sie liefert brillante Analysen und eröffnet neue Blickwinkel auf die komplexe Problematik.
Eines wird klar bei ihren Büchern: Sich am nächst Schwächeren abzureagieren bringt sicher nichts.
Die Gefahr bei den Asylwerben besteht eher, dass sie keine Perspektiven erhalten. Das ist ein Nährboden für Kriminalität. - Ein ordentliches Dach über dem Kopf, gute Nahrung und sauberes Wasser, die Möglichkeit seine Talente auszudrücken und sich so in die Gesellschaft einzubringen: Das sind unteilbare Menschenrechte. Und es lohnt sich dafür einzustehen.
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