Xanthippe: Wie eine Frau zum Männerschreck wurde
Mythen, Vermutungen und Fakten über eine angeblich zänkische EhefrauStandardwaffe der modernen Xanthippe
Die historische Xanthippe
Der Name Xanthippe ist eine Zusammensetzung der altgriechischen Begriffe "xantos" (blond, hell) und "hippos" (Pferd). Die sinnesfreudige Lebensweise der antiken Griechen verleitet gelegentlich zu dem Schluss, dass dieser Name durchaus ein erotisches Wortspiel gewesen sein kann. Xanthippe war also offenbar keineswegs hässlich. Historiker gehen von einer vornehmen, eventuell sogar adligen Herkunft aus, bei der möglicherweise viel Geld im Spiel war. Immerhin erwirtschaftete ihr Gatte Sokrates kein nennenswertes Einkommen, so dass Xanthippes Mitgift ausreichend hoch gewesen sein muss. Den vermutlich wesentlich älteren Sokrates ehelichte sie, als dieser bereits 50 Jahre alt war, also ungefähr um 420 v. Chr.. Xanthippe gebar während dieser Ehe drei Söhne namens Lamprokles, Sophroniskos und Menexenos. Damit erschöpft sich bereits die gesicherte Quellenlage zur Gattin des Sokrates. Dessen berühmtester Schüler Platon erwähnt Xanthippe nur beiläufig, andere Schriftzeugnisse über sie entstammen späteren Autoren oder sind sachlich zweifelhaft. Ein Umstand, der zum unschönen Ruf der Xanthippe sicherlich beitrug.
Sokrates Büste mit griechischen Marmorsockel |
Xanthippe - Die Frau des Sokrates: Roman |
Geschichte der Frauen: Band 1: Antike |
Der Mythos vom zänkischen Weib
Wie es zur sprichwörtlichen Zanksucht der Xanthippe kam, kann nur bruchstückhaft nachvollzogen werden. Möglicherweise wurde im Zuge der Legendenbildung einfach nur ein krasser Gegenpol zum stoischen Philosophen Sokrates aufgebaut. Einen nicht geringen Anteil am Mythos vom zänkisch, keifenden Eheweib haben sicher auch die so genannten Sokratiker, also Anhänger der Denkschule des Sokrates. Sie befeuerten die Mär von der Ehehölle durch Erzählungen, die mit drastischen Einzelheiten ausgeschmückt waren. Der antike Historiker Xenophon, ein später Zeitgenosse des Sokrates, zitiert einen Gegner des Philosophen, der Xanthippe als "die Unverträgliche" bezeichnet. Seit dieser quasi vom Hörensagen her entstandenen Beschreibung gab es bis in heutige Zeit hinein unzählige Spottverse, Karikaturen und Anekdoten, deren Hintergrund teilweise sicher auch eine abwertende Haltung gegenüber Frauen ist. Demnach müsste Xanthippe fortwährend streitsüchtig, keifend und gewalttätig gewesen sein.
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Verteidigung der Angeklagten: Xanthippe als starke Frau
Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass Xanthippe sich tatsächlich so skandalös aufgeführt hat. Ein derartiges Verhalten passt einfach nicht in das antike Rollenverständnis der Frau, schon gar nicht, wenn diese verheiratet war, also quasi unter Vormundschaft stand. Zur Verteidigung der Angeklagten sei daher gesagt: Sokrates war gewiss kein vorbildlicher Ehemann.
Schon kurz nach der Hochzeit nahm er sich eine Zweitfrau und hatte offenbar auch allerhand Spaß mit jungen Männern. Seiner Rolle als Ernährer der Familie konnte er auf diese Weise natürlich nicht gerecht werden. Nein, das Zusammenleben mit Sokrates war vermutlich keineswegs einfach. Immerhin richteten seine Athener Mitbürger ihn 399 v. Chr. hin, weil er mit nervigen Fragestellungen alles anzweifelte!
Dennoch muss es in der mehr als 20jährigen Ehe so etwas wie Liebe gegeben haben, denn die beiden jüngeren Söhne wurden nur wenige Jahre vor dem Tod des Sokrates geboren. Der Buchautor Michael Weithmann glaubt sogar, dass Xanthippe überaus besorgt um ihren Mann war, eine Annahme, die durch Berichte einiger antiker Schriftsteller gestützt wird. Demnach könnte Xanthippe (durchaus handgreiflich) interveniert haben, um Sokrates vor den schlimmen Folgen seiner Diskussionsfreude zu bewahren, was ihr schließlich einen schlechten Ruf einbrachte. Weithmann meint zudem, dass Xanthippe wohl versucht hat, den bereits verurteilten Sokrates zur Flucht zu bewegen. Denkbar wäre dies, denn Sokrates wurde wegen Religionsfrevel hingerichtet. In diesem Fall ließ das damalige Recht der Athener jedoch statt der Hinrichtung auch eine "freiwillige Verbannung" zu. Aber Sokrates trank stattdessen lieber den vorgesehenen Giftbecher aus. Je nach Sichtweise hielt er also an seinen Idealen fest oder war einfach nur stur. Von den Geschichtsschreibern erhielt er dafür viel Lob. Seine Ehefrau hingegen musste fortan drei Kinder allein versorgen und blieb im kollektiven Gedächtnis trotzdem nur als keifendes Zankweib erhalten. Das Leben kann so ungerecht sein...
Quellenauszug:
Lexikon der Alten Welt, Patmos-Verlag, Düsseldorf, 2001
plus-Magazin 02/2002
Brockhaus Wissenswelten, Gütersloh/München, 2001