Jessica Chastain

Jessica Chastain

Das Problem mit dem Foltern - Waterboarding als Problemlösung?

Gleich zu Beginn bekommt der voreingenommene Zuschauer Angst, er habe Recht. Das Bild bleibt schwarz. Funksprüche, Schreie und Nachrichten sind zu hören – alle vom 11. September 2001. Ein erster Eindruck macht sich breit, der Film wolle schon von Beginn an erklären, warum die USA so handeln wie sie es nunmal tun. Doch es folgt keine orchestrale-Melancholie, es folgen keine emotionalen Bilder von Opfern des Attentats. Die nächste Szene versetzt den Kinogänger direkt nach Pakistan, in ein Gefangenenlager wo CIA-Analytikerin Maya (Jessica Chastain) und CIA-Agent Dan (Joel Edgerton) den Gefangenen Ammar mittels Waterboarding foltern, um an Informationen über al-Qaida-Kurier Abu Ahmed zu gelangen.

Unweigerlich erinnern die Szenen an die Demütigungen der Gefangenen von Abu-Ghraib im Jahr 2004. Der Gefangene wird gepeinigt, entblößt, gedemütigt, gequält und immer wieder daran erinnert: "Wenn Du mich anlügst, tu ich Dir weh." Regisseurin Kathryn Bigelow selbst erklärte, dass die Wirklichkeit ihr keine andere Wahl ließe, als Folter im Film zu erwähnen – auch wenn sie es bedaure. Und so ist es nicht verwunderlich, dass "Zero Dark Thirty" keine moralische Haltung einnimmt. Die bleibt dem Zuschauer überlassen.

Was von vielen missverstanden wird: Dass die Amerikaner dank Folter erfolgreich an Informationen kamen ist keine wirkliche Idee des Drehbuchs, sondern Fakt. Hier sagt der Film also nicht aus, dass Folter eine gute Methode ist, sondern nur die, die angewandt wurde.

„Sie suchen einen Geist“ - Die Nadel im Heuhaufen

Im großen Mittelteil des Filmes wird Mayas Obsession für Osama Bin Laden demonstriert. Immer wieder hat der Workaholic mit Fehlschlägen zu kämpfen. Ein wenig erinnert ihre Person an Claire Danes Rolle in "Homeland", wenn auch bei weitem nicht so emotional gespielt und mit deutlich weniger Freunden. Mal gerät Mayas Team auf falsche Fährten, mal gerät sie selbst unter Beschuss. Teils endlos wirkende Gespräche mit Gefangnen oder Vorgesetzten lassen den Zuschauer zusammen mit Maya ungeduldiger werden. Auch hier wird einem kein Geschwafel und keine große Rede serviert, sondern eine nüchterne Chronik der Suche nach Bin Laden, die gespickt ist mit hitzigen Diskussionen und kurzen Statements die treffend sind wie Giftpfeile.

Zwischen allen frischen Spuren und aufgegebenen Vorgehensweisen erinnert der Film den Zuschauer an die Wichtigkeit des Vorhabens. Wie? Die Londoner Terroranschläge am 7. Juli 2005 werden ebenso gezeigt, wie die Anschläge auf der Marriott-Hotel in Islamabad 2008, wo Maya knapp überlebt. Beim Attentat auf Camp Chapman hat ihre Kollegin und Freundin weniger Glück. Doch es ist diese banale Erzählweise, die "Zero Dark Thirty" besonders werden lässt. Gerade noch neigt der Zuschauer dazu eine feste US-Position einzunehmen, da kommen aus dem Lager der CIA Aussagen wie "Bringt mir Leute, damit ich sie töten lassen kann." In einer anderen Sequenz kommen die amerikanischen Untersuchungen nur voran, weil ein Scheich durch Bestechung zum Informanten wird. In keinster Weise und in keine Richtung versucht der Film auch nur einmal Sympathie für einen Charakter erzwingen zu wollen. Hier stehen sich zwei Kriegs-Feinde gegenüber, die zu allem bereit sind. Das und nichts anderes wird hier eindrucksvoll vermittelt - wenn auch nur aus der Sicht der USA, das muss schon gesagt werden.

Plötzlich ist es vorbei - ...nach 157 Minuten

Der stärkste Abschnitt ist gleichzeit auch der letzte Abschnitt des Films: Die Ermordung Osama Bin Ladens durch eine kleine Einheit der Navy Seals im pakistanischen Abbottabad, bekannt als "Operation Geronimo". Hier wird auf Nachtsichtgeräte umgeschaltet und statt auf großes Geballer und Macho-Sprüche zu setzen. Der ganze Abschnitt dauert fast 40 Minuten und das obwohl jeder den Ausgang kennt. Bigelow verpasst der ganzen Szenerie eine Intensität, die sich gewaschen hat. Akribisch genau wird der Einfall der Navy Seals dargestellt. Man hat fast das Gefühl einen Crash-Kurs verpasst zu bekommen.

Der amerikanische Held verschwindet spätestens in dem Moment, wo ein Navy Seal nicht davor zurückschreckt einer Frau vor den Augen ihrer Kinder in den Rücken zu schießen. Keine Musik, keine heftigen Kameraschnitte.

Dann urplötzlich, in der obersten Etage: Ein alter Mann, der plötzlich und ohne großen Knalleffekt am Boden liegt. Schweigen. Dann der erste Satz:

"Ist Dir klar, wen Du da gerade erschossen hast?"

In Afghanistan identifiziert Maya den Toten als Osama Bin Laden, doch es folgt kein Independence-Day-mäßiger Jubel. Wenn, dann klopfen sich die Seals auf die Schultern als seien sie froh überlebt zu haben. Die Mission ist nach zwölf Jahren endlich erfüllt. Maya bleibt nur der Rückweg in die Heimat, ohne Freunde, ohne Lebensziel. Als der Pilot sie fragt wohin er sie fliegen soll weiß sie keine Antwort und bricht in Tränen aus - ein Filmende, dass keine Sieger bietet, aber großes Kino.

FAZIT

"Zero Dark Thirty" ist ein Politthriller der eher dokumentiert als auf Action-Kino zu setzen. Ein durchweg passendes Schauspieler-Ensemble und ein bissiges Drehbuch machen den Film zu etwas Besonderem. Hier gibt es keine Helden, nur einen moralisch fragwürdigen Weg. Ob er der richtige ist wird nicht hinterfragt und damit werden einige Zuschauer Probleme haben. Die Frage was der Film einem mitteilen will muss gestellt werden, wenn er absichtlich keine Stellung bezieht. Mutig ist dieser Streifen auf jeden Fall und filmtechnisch absolut sehenswert!

Eckdaten:

Kinostart Deutschland: 31.01.2013
Genre: Drama, Thriller, Doku
USA 2012, ca. 157 min.
FSK: ab 16
Budget: etwa € 30 Mio.
<<Prädikat besonders wertvoll>>

Regie: Kathryn Bigelow / Kamera: Greig Fraser / Produktion: Mark Boal, Kathryn Bigelow u.a. / Musik: Alexandre Desplat / Drehbuch: Mark Boal / Schnitt: Dylan Tichenor & William Goldenberg

Darsteller: Jessica Chastain, Mark Strong, Joel Edgerton, Chris Pratt, Kyle Chandler, Jason Clarke, Edgar Ramirez, Jennifer Ehle, Harold Perrineau, James Gandolfini, u.a.

BAFTA-Award-Nominierungen: Film, Regie, Hauptdarstellerin, Schnitt, Original-Drehbuch
Golden-Globe-Nominierungen & Siege: Drehbuch, Regie, Hauptdarstellerin, Bester Film (Drama)
Oscar-Nominierungen: Tonschnitt, Schnitt, Original Drehbuch, Hauptdarstellerin, Bester Film

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