Sind alle Börsianer gleich?

Nein – es gibt verschiedene Arten von Börsianern, und jede hat ihre eigenen Verhaltensweisen. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Anleger an der Börse zunächst nach ihrer Risikobereitschaft: Neben erzkonservativen Anlegern, die vor allem möglichst sichere und kontinuierliche Renditen erzielen wollen, gibt es auch risikofreudigere Anleger. Sie gehen bewusst höhere Risiken ein, um entsprechend höhere Renditen zu erzielen. Natürlich gibt es auch hart gesottene Zocker, die bewusst einen Totalverlust in kauf nehmen, aber zugleich eine mögliche Vervielfachung ihres Anlagevolumens vor Augen haben, wenn sich ihr Investment auszahlt.

Der zweite wesentliche Unterschied zwischen den Börsenanlegern liegt in der Größe ihres Anlagevolumens. Der private Kleinanleger arbeitet mit Beträgen, die selbst bei sehr wohlhabenden Menschen selten mehrere Millionen Euro überschreiten. Dagegen bewegen institutionelle Anleger (also Fonds, Banken, Versicherungsunternehmen und ähnliche Gesellschaften) oft Beträge in Milliardenhöhe. Derart unterschiedliche Anlagebeträge erfordern natürlich völlig verschiedene Anlagestrategien. Betrüger wie der vor einigen Jahren rechtskräftig verurteilte Bernard Madoff sind jedoch die krasse Ausnahme, auch wenn derart spektakuläre Fälle in den Medien naturgemäß besondere Beachtung finden.

Wofür braucht man eigentlich Börsen? Und was geschieht dort?

Im Grunde ist eine Börse dazu da, mögliche Käufer und Verkäufer verschiedenster Güter und Waren zusammenzubringen. Dabei geht es nicht nur um Aktien oder sonstige Unternehmensanteile – auch Rohstoffe, Devisen und anderes wird an Börsen gehandelt.

Gleichzeitig sind Börsen grundsätzlich auch dazu da, möglichst faire und transparente Preise zu ermitteln.

Dies wird allerdings heutzutage durch manche Börseninstrumente massiv behindert. Immer öfter werden Börsenkurse nicht allein nach unmittelbarem Angebot und unmittelbarer Nachfrage, sondern anhand mathematischer Algorithmen ermittelt. Die daraus resultierenden Ergebnisse münden in den Hochfrequenzhandel., wo in Sekundenbruchteilen zum Beispiel Aktienkurse ermittelt, die mit den in etwa angemessenen Werten überhaupt nichts mehr zu tun haben. So können auf diesem Wege innerhalb kürzester Zeit Aktienkurse "gestandener" Unternehmen auf wenige Cent sinken, um dann in der gleichen Zeit auf Tausende Euros wieder anzusteigen.

Am 6. Mai 2010 fiel der Dow-Jones-Index innerhalb von Minuten um 6 Prozent, manche Aktien wurden für 1 Cent, andere für 100.000 Dollar gehandelt. Innerhalb von fünfzehn Minuten gingen 1 Billion (!) Dollar verloren. Doch innerhalb von weiteren zwanzig Minuten waren alle Kursverluste wieder aufgeholt. Diese Episode wurde später als flash crash" bezeichnet.

Hier erfüllt die Börse nicht mehr ihren Zweck; hier kann man schon von (mathematisch unterlegter) "Zockerei" reden. Diese Methoden können zunächst nur von institutionellen Anlegern angewandt werden, die nicht nur die Möglichkeiten haben, derartige mathematische Mittel zu entwickeln beziehungsweise einzusetzen. Dem Kleinanleger ist dies nicht möglich.

Hier wird das Börsengeschehen hiervon nicht wesentlich beeinflusst – noch nicht. Es besteht die Gefahr, dass der Börsenhandel zukünftig verstärkt auf die Mathematik statt auf das reale Wirtschaftsgeschehen setzt. Deswegen gibt es auch zunehmend Forderungen von verschiedenen Stellen, den Hochfrequenzhandel zu verbieten oder zumindest deutlich einzuschränken. Zwar ist der Hochfrequenzhandel auch gesetzlich geregelt, vielen gehen diese Regelungen aber nicht weit genug.

Der (institutionelle) Großanleger

Für verschiedene institutionelle Großanleger gelten bestimmte rechtliche Vorschriften, in welche Papiere sie überhaupt investieren dürfen. So darf beispielsweise ein reiner Aktienfonds nicht ohne weiteres das Vermögen seiner Anteilsanleger in Anleihen investieren. Unabhängig gibt es auch Vorschriften, die Großanleger dazu zwingen, bis zu einem bestimmten Prozentsatz in gewisse Anlageformen zu investieren, auch wenn ihre eigentliche Gesellschaftsstruktur dies nicht erkennen lässt. So müssen Versicherungen einen Teil ihres Kapitals in Aktien halten, auch wenn dies auf den ersten Blick wenig sinnvoll erscheint.

Gleichzeitig ist die Verteilung des Vermögens dieser Anleger wesentlich differenzierter, als dies bei einem Kleinanleger sinnvoll wäre. Selbst wenn ein privater Kleinanleger einen ungewöhnlich großen Anteil seines Vermögens an der Börse anlegt, wird er im Regelfall nicht über mehr als fünfzehn bis zwanzig verschiedene Positionen gleichzeitig halte. Bei institutionellen Anlegern sind es nicht selten mehr als fünfzig, manchmal deutlich über hundert verschiedene Positionen. Ein derart breit gestreutes Vermögen könnte ein privater Anleger nicht mehr selbständig verwalten, dazu braucht es qualifizierte Fachleute, die auf einzelne Anlageformen, einzelne Regionen oder einzelne Branchen spezialisiert sind.

Der private Kleinanleger - entweder "konservativ" oder "spekulativ"

Unabhängig von seiner Risikobereitschaft wird er zunächst auf eine ausgewogene Streuung seines Vermögens achten. Er wird nur einen Teil seines gesamten Kapitals an der Börse anlegen. Dennoch gehören neben Lebensversicherungen, Bankbeständen und unter Umständen eigenen Immobilien auch Rohstoffe und börsennotierte Werte zu einer ausgewogenen Struktur seines Gesamtvermögens. Dabei unterscheidet sich die Gewichtung, aber auch die Art der jeweiligen Positionen normalerweise nach der Risikobereitschaft. Allgemein gilt (wie fast überall): Die Möglichkeit, höhere Gewinne zu erzielen als andere, birgt auch das höhere Risiko, mehr zu verlieren als andere.

Ein konservativer Anleger, der zunächst auf eine möglichst kontinuierliche Verzinsung seines Vermögens bedacht ist, wird beispielsweise nicht in Optionsscheine investieren. Er wird auch den Anteil von Aktien oder Fremdwährungen wesentlich geringer ansetzen, als dies ein spekulativer Anleger tun wird. Bei spekulativen Anlegern wird der Anteil an Zertifikaten und Optionsscheinen deutlich höher sein. Wenn der konservative Anleger in Aktien investiert, wird er normalerweise klassische Standardwerte bevorzugen, wie sie in den großen Börsenindizes wie dem DAX oder dem Dow-Jones-Index notiert sind.

Bei spekulativen Anlegern kann der Anteil an Zertifikaten und Optionsscheinen deutlich höher sein. Wenn der konservative Anleger in Aktien investiert, wird er normalerweise klassische Standardwerte bevorzugen, wie sie in den großen Börsenindizes wie dem DAX oder dem Dow-Jones-Index notiert sind. Hingegen wird der spekulative Anleger statt einer solchen Aktie unter Umständen lieber zu Optionsscheinen greifen, die es für solche Aktien gibt. Und in den Depots wirklicher "Zocker" werden sich auch sogenannte Pennystocks (Aktien mit einem Kurswert unter einem Euro) befinden, deren Kurs sich in Ausnahmefällen sprunghaft vervielfachen kann, bei denen aber auch das entsprechende Risiko besteht, dass sie auch den restlichen Wert völlig verlieren.

Die Kontrolle des Anlegerverhaltens

Der private Kleinanleger braucht sich nicht bestimmten Kontrollgremien gegenüber zu verantworten. Bei Großanlegern ist dies naturgemäß anders, hier gibt es neben den jeweiligen Börsenaufsichtsbehörden auch weitere Vorschriften, die vor allem gegenüber Kleinanlegern verdeutlichen soll, mit welchen Risiken zum Beispiel die Geldanlage in einzelne Fonds verbunden ist.

Diese Bewertungen werden meist von speziellen Rating-Agenturen vorgenommen. Allerdings hat sich gerade in den letzten Jahren gezeigt dass deren Urteile oft wenig aussagen. Ob sogenannte "Triple-A-Ratings" tatsächlich verbürgen, dass es sich hier um grundsolide Anleger handelt oder nicht, darf nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise bezweifelt werden, da oft auch ein Interesse dieser Agenturen darin besteht, möglichst gute Noten zu vergeben.

Und was heißt das für den Kleinanleger? Kann sich der "kleine Mann" vor Verlusten schützen? Und wie?

Grundsätzlich sollte man sich als Privatperson vor seiner Investitionsentscheidung über zwei wesentliche Punkte im Klaren sein: Welches Risiko kann und will ich eingehen? Und wie hoch ist das Kapital, das ich nicht zur ständigen Verfügung brauche, sondern auch langfristig anlegen kann? Bevor diese Fragen beantwortet sind, sollte man kein Geld anlegen – meist sind die Anlageentscheidungen, die zu früh getroffen werden, am Schluss auch die teuersten.

 Wenn man weiß ob und wieviel Geld man für seine geplanten Anlagen hat, ist am wichtigsten, nur zu kaufen was man auch (halbwegs?) versteht. Wer von Aktien keine Ahnung hat, sollte sich auch keine zulegen.

Es gibt außerdem die ein oder andere Börsenregel, deren Beachtung sich durchaus bezahlt macht. Die wichtigste dabei ist: "Gier frisst Verstand!" Auch an der Börse wachsen die Bäume nicht in den Himmel; unbegrenzte Gewinne gibt es auch dort nicht – vor allem nicht garantiert. Wenn jemand "sichere" Renditen von mehr als fünf Prozent im Jahr verspricht, ist in den meisten Fällen kein wirklich seriöser Gesprächspartner.

Wie überall – einen vollständigen Schutz gibt es (gerade an der Börse!) nicht. Aber man kann manches tun, um die Risiken zumindest zu begrenzen.

Als erstes sollte man nicht um jeden Preis kaufen, sondern sich Limits setzen.

Als zweites kann man seine Papiere auch mit automatischen "Stopp-Kursen" absichern. Wenn der Stoppkurs unterschritten wird, werden die entsprechenden Papiere sofort verkauft; das maximale Verlustrisiko ist dann abschätzbar. Wenn die Papiere steigen, werden die Stopp-Kurse entsprechend erhöht.

Als drittes kann man pauschal auch ganze Depots "versichern". Wer beispielsweise nur Aktien aus dem DAX besitzt, kann zusätzlich einen Optionsschein oder ein Zertifikat kaufen, mit dem man auf fallende Kurse setzt. Ziel dabei: Dieses Papier soll wertlos verfallen; das tut es nämlich nur dann, wenn die Aktien selbst steigen oder zumindest nicht an Wert verlieren. Normalerweise ist dies für den "kleinen" Anleger die einzig riskante, aber sinnvolle Investition.

Im Grunde wirkt ein solcher Schein in diesem Moment nicht anders als eine Versicherung, wie man sie auf ein Haus oder ein Auto abschließt. Der Preis des Scheins ist dann quasi die "Versicherungsprämie".

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis

Die Inhalte dieses Artikels stellen keinerlei Anlageberatung, insbesondere keine Empfehlungen für den An- oder Verkauf verschiedener Vermögensgegenstände oder Wertpapiere dar.

Kettenhund, am 15.08.2018
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Bildquelle:
Bild: freestockgallery.de (Wendepunkte der Geschichte – was wäre gewesen, wenn?)

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