127 Hours
127 Stunden lang steckt Aron Ralston (James Franco) mit dem Arm in einer Felswand fest, ehe er eine schmerzliche Entscheidung trifft ... biographisches Drama von Danny Boyle.Sport ist Selbstmord!
Für Abenteurer Aron Ralston (James Franco) stellen seine Extremsportarten die nötige Abwechslung zum langweiligen Brotjob dar. So auch die Erkundung eines Canyons in Utah, zu der er völlig alleine startet. Auf dem Weg durch die zerklüfteten Steinwüsten begegnet er den Wanderinnen Kristi (Kate Mara) und Megan (Amber Tamblyn), die sich offenbar verirrt haben. Aron zeigt ihnen, wie sie zu ihrem Pfad zurückkommen, lässt es sich aber nicht nehmen, die hübschen jungen Frauen mit einem unbekümmerten Wagemut zu beeindrucken.
Als er wieder alleine ist, begeht er einen sprichwörtlichen Fehltritt: Beim gefährlichen Klettern durch Felsspalten rutscht er ab und stürzt in ein Loch. Ein nachrutschender Felsblock klemmt noch dazu seinen rechten Arm ein, sodass Aron hilflos gefangen in einer Falle steckt. Rasch sind seine kümmerlichen Vorräte an Wasser und Nahrung aufgebraucht und er muss sich mit dem Gedanken abfinden, entweder elendiglich zu verdursten oder sich von seinem Arm zu trennen, wofür ihm jedoch nur eine stumpfe Klinge zur Verfügung stünde …
Kurzweile "127 Hours"
Keine Urban Legend
Nicht nur die schönsten, auch die grässlichsten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben. Mit einer solchen befasst sich Danny Boyles sechsfach für den "Oscar" prämiertes Drama "127 Hours". Der Plot liest sich fast wie eine Urban Legend – und dennoch handelt es sich um einen biographischen Ausschnitt aus dem Leben des echten Aron Ralston. Ein Felsbrocken klemmte beim Klettern seinen Arm so unglücklich ein, dass der junge Mann vor der Wahl stand, fernab der Zivilisation zu verdursten oder sich von seinem Körperteil zu trennen.
Ralston entschied sich für jene Lösung, die ihn letztendlich rettete und sogar aufs Cover des Lifestyle-Magazins "Gentlemen's Quarterly" brachte. Mit Hilfe eines stumpfen Messers und dem Mute der Verzweiflung schnitt er seinen eingeklemmten Arm ab. Der Rest ist mittlerweile unter anderem Kinogeschichte geworden. Danny Boyle ("28 Days Later") inszenierte das Drama auf für ihn typische Art und Weise. Anstatt geradlinig ein außergewöhnliches Schicksal zu erzählen, konfrontiert er den Zuschauer immer wieder mit Split-Screens, schrägen Montagen und Traumsequenzen.
Vielfach wurde die angeblich unzureichende Charakterisierung des von James Franco großartig verkörperten Aron Ralston kritisiert. Hierbei dürfte den Kritikern entgangen sein, auf welch subtile Mittel Boyle zurückgreift, um dem Protagonisten mehr als nur ein hübsches Gesicht zu verleihen. Zum einen bilden Flashbacks in die Vergangenheit eine Brücke zum anfangs noch fremden Menschen hinter dem Schicksal. Zum anderen verfällt Ralston in Selbstgespräche, die sein Innerstes nach Außen kehren und den verletzlichen kleinen Jungen hinter dem selbstbewussten Abenteurer offenbart.
"127 Hours", oder: Was würde McGyver tun?
Angesichts des biographischen Hintergrunds weiß der Zuschauer natürlich, dass ihn kein Plottwist erwarten wird. Ralston überlebte die unglaubliche Tortur, 127 Stunden mutterseelenallein in einem Canyon gefangen zu sein. Trotzdem fiebert man mit, wenn James Franco alle möglichen (und sinnlosen) Kniffe unternimmt, seinen Arm zu befreien und dabei unablässig reflektiert, wie leichtsinnig er doch sei. Immerhin weiß niemand, wo er sich befindet, und anstatt des billigen chinesischen Taschenmessers hätte er besser ein echtes Schweizer Armeemesser gekauft. In dieser hoffnungslosen Situation hätte selbst McGyver die Nerven verloren.
Die emotionale Bindung zum Zuschauer ist ein Verdienst der dynamischen Kameraführung, wie auch James Francos glaubwürdigem Schauspiel zu verdanken. Wenn die Kamera über die schier endlose Einöde gleitet oder Ralston sehsuchtsvoll an die Flasche Gatorade denkt, die er im Wagen vergessen hat, kreisen die Gedanken des Betrachters um scheinbare Banalitäten, die plötzlich enorme Größe erlangen. Das Handy für Notfälle, Wasser in Überfülle aus der Wasserleitung, technische Hilfsmittel jeglicher Art – von all dessen ist der Gefangene völlig abgeschlossen.
Lieber Arm ab als arm dran
Diskussionswürdig ist natürlich die angedeutete "spirituelle Erleuchtung" Ralstons. Erst im Angesicht des Todes erkennt er seinen Egoismus und schöpft aus der grauenhaften Misere paradoxerweise neuen Lebensmut. "127 Hours" ist somit die Antithese zum klaustrophobischen Sarg-Thriller "Buried - Lebend begraben". Nicht die Enge, sondern die Weite erweist sich als Ralstons großes Problem. Auf zufällig vorbeikommende Hilfe kann er nicht hoffen. Trotzdem arrangiert er sich mit der ausweglosen Situation und beginnt zu verstehen, dass sein gesamtes bisheriges Leben zu eben jenem Felsbrocken führte, der ihn nunmehr gefangen hält. Ein trivialer, aber auch nachvollziehbarer Symbolismus.
Fazit nach rund 90 Minuten: "127 Hours" ist ein fesselndes Drama, das niemals langweilt oder mit nervigen Klischees hantiert. Danny Boyle ist erneut ein ganz großer Wurf gelungen, dem leider die "Oscar"-Weihen versagt blieben. Wer weiß wie die "Oscar"-Nacht geendet hätte, wenn sich James Franco ins Ballettröckchen gezwängt hätte …
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Originaltitel: "127 Hours"
Regie: Danny Boyle
Produktionsland und -jahr: USA 2010
Filmlänge: ca. 94 Minuten
Verleih: Twentieth Century Fox Home Entertainment
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
DVD-Veröffentlichung: 31. Dezember 2011
Bildquelle:
http://www.amazon.de
(Horrorfilme: Nach wahrer Begebenheit oder frei erfunden?)