George Does Paris

Paris sehen … und sterben! Unter dieses Motto scheinen George Stobbarts Paris-Besuche zu fallen. Denn jedesmal, wenn der charmante, leicht tollpatschige Amerikaner die Stadt an der Seine betritt, ereignen sich unmittelbar in seiner Umgebung mysteriöse Morde.

Dabei wollte sich George doch nur davon überzeugen, dass ein von seinem Arbeitgeber versichertes Gemälde bei einer Ausstellung entsprechend geschützt wird. Doch während er sich noch über das Auftauchen seiner on/off-Freundin, der erfolglosen Journalistin Nico freut, stürmt ein Bewaffneter in die Kunstgalerie, raubt das Kunstwerk und schießt den Galeriebesitzer eiskalt über den Haufen.

Die wie üblich unfähige Polizei vermutet einen schief gelaufenen Diebstahl. Aber je eingehender sie nachforschen, desto klarer wird George und Nico, dass mehr hinter dem Verbrechen steckt, nämlich eine handfeste Verschwörung, die im Mittelalter ihren Anfang nahm und über den spanischen Bürgerkrieg der 1930er Jahre in der Gegenwart mündet, wo wieder einmal das Schicksal der Welt auf der Kippe steht …

Fluch oder Segen: Crowdfunding

Jahre vor Dan Browns phänomenal erfolgreichem Thriller "Sakrileg" thematisierte das Adventuregame "Baphomets Fluch" eine weitreichende Verschwörung rund um mittelalterliche Geheimorden. Der überraschende Erfolg des im Cartoon-Stils gehaltenen Computerspiel zog unweigerlich mal mehr, mal weniger gelungene Fortsetzungen nach sich. Teil 5 mit dem Titel "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" reiht sich zwar qualitativ im unspektakulären Mittelfeld ein, stellt jedoch zumindest eine von vielen Fans geforderte Rückkehr zum klassischen 2D- Zeichentrick-Stil dar.

Man könnte dies auch als Dank an die treue Fangemeinde interpretieren, welche das Adventuregame über die Crowdfunding-Plattform "Kickstarter" mitfinanziert hatte. Ein unorthodoxer, keineswegs aber völlig neuer Weg der Finanzierung. Für weltweites Aufsehen hatte etwa das Crowdfunding für die SciFi-Komödie "Iron Sky" gesorgt, was immerhin rund eine halbe Million Euro ins Budget einbringen konnte. Das Leinwandergebnis vermochte aber nicht alle Beitragenden zu überzeugen, und ganz ähnliches darf man bei "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" vermuten.

Dabei kehrt Revolution Software zum klassischen Rätsel- und Grafikdesign zurück, was viele vom sowohl in der Steuerung schwierigen, als auch visuell ungewohnten 3D-Stil der beiden Vorgängerspiele enttäuschte Fans freuen sollte. Gerade der Zeichentrick-Stil zeichnete – no pun intended – die Adventuregame-Reihe "Baphomets Fluch" zu einem guten Teil aus. Paradoxerweise wirkt aber ausgerechnet der aktuelle Titel im Vergleich zu den ersten beiden Abenteuern von George und Nico grafisch veraltet. Analog etwa zu Teil 3 der ähnlich angelegten deutschen Computerspielreihe "Geheimakte" erweisen sich die Spielorte als völlig steril.

Während im Original aus 1996 noch der Wind Blätter durch die Straßen wirbelte, Autos im Hintergrund hupten und vorbeifuhren oder Straßenkünstler eine Performance darboten, ist in "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" nahezu tote Hose angesagt. Über diese Enttäuschung können so manche malerischen Landschaften nicht hinwegtrösten. Auch den automatisch ablaufenden Zwischensequenzen mangelt es an jenen liebevoll gestalteten Designspielereien, die Teil 1 und 2 nicht nur zu Klassikern des Adventuregame-Genres machten, sondern noch viele Jahre später Freude beim Zugucken bereiten. Erstaunlich ist auch, dass die Figurenanimationen keinen Deut flüssiger als in den ersten beiden Teilen ablaufen.

Rätselhaftes Baphomets Fluch

Vermag "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" wenigstens bei der Story zu überzeugen? Nur bedingt. Inzwischen reihten sich doch zu viele Mystery- und Verschwörungsthriller aneinander, um die Originalität des ersten Teils mit seiner ernsthaften Hintergrundgeschichte im Zeichentrickstil wiederholen zu können. Der Pariser-Schnitzeljagd mangelt es neben charismatischen Bösewichten an interessanten Schauplätzen. Überwiegend wird in Wohnungen und Häusern ermittelt, womit das Flair der richtig großen Abenteuer aus den ersten beiden Teilen, wo es noch nach Syrien, in den Pariser Untergrund, in den Dschungel oder in ein Irrenhaus ging, fehlt.

Weitaus erfreulicher präsentieren sich die Rätsel, die größtenteils logisch, mitunter skurril sind. Etwa wenn eine in der Zündholzschachtel einquartierte Kakerlake im weiteren Spielverlauf auf eine völlig unvorhersehbare Weise hilfreich wird. Die meisten Denkeinlagen sind mit Logik und Hausverstand rasch zu lösen, einige erweisen sich als echte Herausforderung. An einem musikalischen Rätsel verzweifelte der Rezensent übrigens und musste in der Hilfe spicken. Zwar lassen sich fast sämtliche Rätsel ohne diese Hilfe knacken, doch es ist ein gutes Gefühl zu wissen, notfalls Hilfestellung zu erhalten.

Die spannendsten Adventuregames

Apropos Rätsel: Die Ziege ist zurück! In selbstreferenziellen Seitenhieben wird das Auftauchen von Ziegen durch George und Niko gewohnt bissig kommentiert. Anders als in Teil 1 ist es diesmal jedoch keine Ziege, sondern eine fiese Möwe, die George und den Spieler Nerven kostet.

Trotz der zahlreichen Dialoge wartet der Spieler meist vergeblich auf sarkastische George-Kommentare oder seine berüchtigten Kalauer. Dadurch wirkt "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" glattpolierter als die ersten beiden Teile, deren Charme sich auch aus den rotzfrechen Dialogen und laut ausgesprochenen Gedanken der Protagonisten speiste.

Das Ziegenrätsel

Was hat es eigentlich mit den ständigen Verweisen auf Ziegen zu tun? Ganz einfach: In Teil 1 der "Baphomets Fluch"-Serie musste George an einer bestimmten Stelle eine Ziege passieren. Sobald sich dieser jedoch näherte, stieß sie ihn zu Boden. Des Rätsels Lösung (spoilerfreie Zone!), wie er dies anstellen sollte, war aus dem Spielverlauf her jedoch nicht ersichtlich und ließ zahlreiche Spieler verzweifeln und zu Lösungsheften oder Online-Lösungsanleitungen greifen. Seither gilt das Ziegenrätsel als Exempel für ein nahezu unlösbares Rätseldesign.

Send in the Clowns!

Stimmen verleihen den Protagonisten Alexander Schottky wie gewohnt als George Stobbart sowie erstmals Petra Konradi als Nico. Bislang war die selbstbewusste Nico von Franziska Pigulla (vornehmlich als Synchronstimme von "Akte X"-Scully bekannt) gesprochen worden. Fans der Reihe können jedoch beruhigt werden: Konradis Stimme ist jener von Pigulla sehr ähnlich.

Fazit: "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" ist weder der große Kracher, noch ein völliger Reinfall. Die Rück-Orientierung am Original verleihen dem Adventuregame seinen besonderen Charme, dazu laufen viele alte Bekannte durch das Spiel. Spannung will aber ebenso wenig aufkommen, wie der Funke überspringt. Für ein verregnetes Wochenende ist das Adventure die perfekte Zerstreuung. Im Gegensatz zu Teil 1 und 2 bleibt aber nichts so recht im Gedächtnis bleiben – weder die Story, noch der Score (eines der Highlights aus Teil 1) oder die leider kaum vorzufindenden dummen Sprüche Georges oder Nicos bissige Kommentare.

So abgedroschen es klingen mag: Das Potenzial wurde bei weitem nicht ausgeschöpft, weshalb "Baphomets Fluch: Der Sündenfall" als nettes Adventuregame für Zwischendurch ohne Wiederspielwert durchgeht. Die Lust auf einen sechsten Teil ist trotzdem geweckt, und falls der Wunsch gestattet ist: Mehr rotzfrecher, flapsiger Humor von George, größeres Augenmerk auf unterschiedliche Locations und dichtere Atmosphäre, und natürlich die wunderbar ironischen Neckereien zwischen Nico und George wären die ideale Grundlage für das unvergleichliche "Baphomets Fluch"-Feeling aus den ersten beiden Teilen. Send in the Clowns!

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