Berliner U-Bahnline 6 - wer kennt noch die Geisterbahnhöfe
Wer kennt noch die Geisterbahnhöfe der Berliner U-Bahnlinie 6?U-Bahnhof Kochstraße Berlin (Bild: Katti Mieth)
Berliner U-Bahnlinie 6 (Bild: Katti Mieth)
Linie 6 (Bild: Katti Mieth)
An jedem dieser Geisterbahnhöfe stand in diffusem Gelblicht - Gewehr im Anschlag – ein Ostdeutscher Volkspolizist: "Über die Vopos im Halbdunkel mit diesen seltsam an den Oberschenkeln ausladenden Hosen haben wir uns dann lustig gemacht, die da stumm und stramm standen, wenn der West-Berliner Zug in den Ost-U-Bahnhof einfuhr.
Wir Jugendlichen haben uns dann immer gefragt, wovor die wegen der Gewehre Angst haben könnten.
Vielleicht dass da einer von uns rausspringen oder von denen einer auf den Zug raufspringen könnte?"
Berlin Fahrt mit der U-Bahnlinie 6 (Bild: Katti Mieth)
Ehemaliger Geisterbahnhof der Linie 6 (Bild: Katti Mieth)
U-Bahnhof Französische Straße (Bild: Katti Mieth)
Die heute Sechzig-Jährige erinnert sich: "Nur einmal wurde es brenzlig, als ein Mann auf der Fahrt entlang der Geisterbahnhöfe plötzlich anfing, seine Hose zu öffnen und an sich herumzufummeln. Wir konnten ja nicht raus oder die Notbremse ziehen, und das wusste dieser Dreckssack. Als dann endlich "Reinickendorfer Straße" in Sicht kam, rannten wir schnell zu einem der Ausgänge."
U Bahnlinie 6 (Bild: Katti Mieth)
Sechs U-Bahnstationen unterm Ostteil Berlins
Der Grund, dass die "U-Bahnlinie 6" die Stationen "Stadtmitte", "Französische Straße", "Oranienburger Tor", "Zinnowitzerstraße" (heute Naturkundemuseum) und "Stadion der Weltjugend" (heute wieder Schwartzkopffstraße) nur im Schritttempo passieren durfte liegt im Vier-Mächte-Status der Stadt nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Ausnahme: der Bahnhof "Friedrichstraße", ein Fernbahnhof, an dem auch die "Linie 6" hielt.
Station Oranienburger Tor der Berliner U-Bahnline 6 (Bild: Katti Mieth)
Berliner U-Bahnline 6 (Bild: Katti Mieth)
"Da durften wir West-Berliner eigentlich nicht aussteigen, haben aber alle gemacht um im Intershop direkt neben dem U-Bahngleis 'ne Stange "HB" (Zigaretten) zu kaufen – waren ja dort billiger. Aber man durfte keinen Ost-Berliner treffen und kam auch gar nicht zu den anderen Ebenen des Bahnhofs", erinnert sich die Steglitzerin weiter. "Und daß der Bahnhof noch weitere Ebenen hatte, wussten wir damals gar nicht."
Berliner U-Bahnhof Friedrichstrasse (Bild: Katti Mieth)
Ab Kriegsende - 1945 war Berlin eine von den Amerikanern, den Engländern, den Franzosen und der Sowjetunion in Sektoren und damit für die West-Mächte in einen Westteil und für die Sowjets in den Ostteil aufgeteilte Stadt. Oben liegende Verbindungen konnten problemlos aufgelöst werden, die "Alt-Mariendorf - Alt-Tegel-Line" war die einzige unterirdische Verbindung, für die sich die Siegermächte etwas einfallen lassen mussten, denn sie passierte den Sowjetischen Sektor und damit Ost-Berlin."
U-Bahnhof Berlin-Friedrichstraße (Bild: Katti Mieth)
Nach dem Mauerbau 1961
Für die Sowjetische Zone fällte Karl Maron, Innenminister der DDR im Jahr 1961 die Entscheidung, die U-Bahnhöfe der "Linie 6" zu sperren.
Ab sofort duften keine Fahrgäste mehr auf den Ost-Berliner U-Bahnhöfen ein- oder aussteigen – es wurden Volkspolizisten mit scharfen Waffen stationiert.
Linie 6 (Bild: Katti Mieth)
Dem bereits seit elf Jahren verwaisten U-Bahnhof "Schwartzkopffstraße" gaben die Ost-Berliner Behörden im Jahr 1973 einen neuen Namen: "Stadion der Weltjugend" erschien jedoch nie auf einem der Stadtpläne der DDR, "dem neuen Namen konnten nur West-Berliner und Berlin-Besucher in diesem eigentümlichen gelblich-diffusen Schein gewahr werden", wundert sich die Steglitzer Eisläuferin bis heute.
"Stadion der Weltjugend" - für die jungen Schützen, die da unten im Halbdunkel vor den vorbeischleichenden Zügen voller West-Berliner Wache schieben mussten?"
Berliner U-Bahnlinie 6 Station Schwartzkopffstraße (Bild: Katti Mieth)
Oben pulsierendes Leben - unten geisterhafte Leere
Während unterirdisch "Westler" im halbdunklen Tunnel den Sowjetischen Sektor durchquerten, pulsierte darüber, manchmal sogar nebenan, das Ostdeutsche Leben.
"Mancherorts, wie am Bahnhof "Friedrichstraße" hat man einfach Türen und Durchgänge zugemauert. "Das waren nur dünne Trennwände, wie wir heute wissen. Damals liefen wir also Wand an Wand mit unseren Nachbarn und wussten es nicht."
Berliner U-Bahnlinie 6 Station Naturkundemuseum (Bild: Katti Mieth)
Am 9. November 1989 wurde an einigen Stellen die Berliner Grenze geöffnet und Menschenmassen ströhmten an U-Bahnhöfen wie "Jannowitzbrücke" oder "Schlesisches Tor" von Ost nach West.
Die Geisterbahnhöfe der "Linie 6" wurden erst im Jahr 1990 wieder in Betrieb genommen und die Haltestelle "Schwartzkopffstraße" erhielt wieder ihren angestammten Namen:
"Wer war das eigentlich – dieser Schwartzkopff, dem die DDR Behörden den U-Bahnnamen aberkannten?"
Louis Victor Robert Schwartzkopff war ein deutscher Unternehmer und Gründer der Berliner Maschinenbau-Actien-Gesellschaft (BMAG).
Schwartzkopffstraße Line 6 Berlin (Bild: Katti Mieth)
U-Bahnlinie 6 Berlin Station Reinickendorfer Straße (Bild: Katti Mieth)
Quellen: Vor-Ort-Recherche, historische Erinnerungen einer Steglitzerin.