Replikant oder Mensch: Harrison Ford ist Rick Deckard

Und seien wir ehrlich: Spekulieren kann sogar mehr Spaß machen, als das Spekulationsobjekt selbst. Den besten Beweis hierfür lieferte Sir Ridley Scotts mit "Prometheus", das ursprünglich als Prequel zu seinem ersten Blockbuster "Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" angekündigt worden war, später aber zu einer eigenständigen Geschichte im "Alien"-Universum umgeschrieben wurde und dennoch nichts anderes als ein "Alien"-Prequel darstellte.

Fest stehen bislang die Besetzungsliste und der Kinostart. Ridley Scott wird lediglich die Produktion übernehmen und den Regiestuhl für Kritiker-Liebling Denis Villeneuve ("Prisoners", "Sicario") räumen. Immerhin zählt Scott bereits 78 Lenze und ist damit fünf Jahre älter als Harrison Ford, der erneut als Rick Deckard in Erscheinung treten soll. Die weiteren Rollen werden mit Ryan Gosling ("Drive"), Ex-Miss-Sean-Penn Robin Wright ("Forrest Gump") und Dave Bautista (Drax aus "Guardians of the Galaxy") nicht übermäßig prominent besetzt sein, was vielleicht auch gut so ist, um nicht von der Story abzulenken. Fans von "Blade Runner" werden natürlich gespannt sein, ob es eine eindeutige Auflösung der strittigen "Ist Deckard ein Replikant oder ein Mensch?"-Frage geben wird. Ridley Scott hat sich dazu bereits geäußert:

SPOILER: Ridley Scotts Worten nach ist Rick Deckard ein Replikant. Deckard-Darsteller Harrison Ford teilt diese Ansicht freilich nicht, obwohl die Beweislage doch für Scotts Ansicht spricht: Neben dem Einhorn-Traum ist es vor allem der Umstand, dass sechs Replikanten zur Erde geflohen sind, Deckard aber nach der Kaltstellung einer Maschine lediglich nach vier Replikanten sucht. Wo bleibt also Nummer fünf? Das wäre logischerweise Deckard selbst. Der Artikelautor selbst sieht einen weiteren klaren Hinweis zur Stützung der These im Showdown zwischen Deckard und Replikant Batty: Dieser mischt Deckard auf eine Weise auf, die ein Mensch kaum überleben könnte.

Kein Originalstoff von Philip K. Dick

Mit einer möglichen Antwort dürfen wir im Oktober 2017 rechnen. In den USA soll "Blade Runner 2" am 6.10.2017 anlaufen, der deutsche Kinostart dürfte ähnlich lauten. Die Dreharbeiten finden ab Juli 2016 statt. Zum Plot selbst ist noch nicht viel bekannt, außer, dass die Handlung viele Jahre nach "Blade Runner" spielen soll, also lange nach 2019. Auf Material von SF-Autor Philip K. Dick kann Ridley Scott diesmal zwar nicht zurückgreifen. Doch Kevin Wayne Jeter, der mit dem 1982 verstorbenen Kultautor Phil Dick befreundet war, schrieb insgesamt drei Sequels zu "Blade Runner" und demonstrierte damit das Fortsetzungspotenzial dieser dystopischen Welt.

Ein nicht unerheblicher Faktor bei der Finanzierung von Filmen, da Hollywood seit Jahren immer stärker auf serientaugliche Stoffe setzt, die idealerweise – siehe "Spiderman" – beliebig oft ein Reboot erfahren können. Tatsächlich könnte die Idee einer "Blade Runner"-Serie auf fruchtbaren Boden fallen, läuft sie doch nicht Gefahr, auf Unmut seitens ihres Schöpfers zu stoßen, wie es beispielsweise Zack Snyders Comic-Verfilmung "Watchmen" widerfuhr, die von "Watchmen"-Autor Alan Moore mit Inbrunst gehasst wird. Ein würdiges spin off gelang 1997 dem mittlerweile liquidierten Spieleentwickler Westwood Studios mit seiner Computerspieladaption.

Blade Runner: Vom Flop zum Kulthit

Das finanzielle Risiko wird sich im Rahmen halten, sollte doch bereits der Kultfaktor ein ansprechendes Einspielergebnis garantieren. 1982 geriet "Blade Runner" im Windschatten des über Monate hinweg jegliche Konkurrenz überschattenden "E.T." zum Flop und musste sich darüber hinaus heftige Kritikerschelte gefallen lassen. Erst im Laufe der Jahre und mit der SF-Renaissance sowie der damit verbundenen Cyberpunk-Bewegung avancierte der Streifen zum Kultfilm.

Allerdings stellt sich eine weitere Frage: Kann der Zauber des Originals wiederholt werden? Die Sehgewohnheiten jüngerer Generationen haben sich gewandelt, sodass ein philosophisch angehauchter, auf Stimmung statt auf Action setzender SF-Film anachronistisch erscheint. Die noch am ehesten mit "Blade Runner" vergleichbare Großproduktion der letzten Jahre, "Oblivion", schrammte trotz der Star-Power von Tom Cruise knapp am Flop vorbei. Ob Nostalgiker sich an – wie zu vermuten steht – CGI-Welten an Stelle von Modellen und Matte paintings goutieren werden, sei dahingestellt.

Harrison Ford ja, Vangelis wohl nein

Apropos Star-Power: Für Harrison Ford mutet die Rückkehr in die Blade-Runner-Welt eine seltsame Wahl an. Der in den 1980er und 1990er Jahren erfolgreichste Schauspieler seiner Zeit musste fernab seiner ikonischen Rollen als Indiana Jones bzw. Han Solo einen Flop nach dem anderen einstecken. Dass er ausgerechnet in einem der wenigen Flops seiner frühen Jahre mitspielen wird, könnte auf einen sich abzeichnenden Abschied von der Leinwand hinweisen.

Völlig unklar ist zudem, ob Vangelis, dessen elektronisch wabernder Klangteppich nicht unwesentlich zum Kultfaktor des Filmes beigetragen hat, den Soundtrack beisteuern wird. Da er sich weitgehend aus dem Geschäft zurückgezogen hat, sollte man freilich nicht damit rechnen. Würdiger Ersatz wäre nach Ansicht des Artikelautors der japanische Klangkünstler Kitaro, der in einigen seiner Werke durchaus eine Verbeugung vor Vangelis aufblitzen lässt.

All diese Fragen werden spätestens im Oktober 2017 beantwortet, wenn 35 Jahre nach dem Original das Sequel zu "Blade Runner" in die Kinos kommen wird. Und ob auch Deckard von elektrischen Schafen oder doch von Einhörnern träumt, wird sich gleichfalls erweisen. Bis dahin sei die Lektüre des reichhaltigen Schaffens von Philip K. Dick empfohlen.

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