Traumschiff Prometheus

2089: Die Archäologen Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) finden in einer schottischen Höhle Wandmalereien die zu belegen scheinen, dass unsere Vorfahren außerirdischen Besuch hatten. Die auf den Malereien abgebildete Sternenkonstellation deutet auf die Heimat dieser Außerirdischen hin. Eine vom schwerreichen Industriellen Peter Weyland (Guy Pearce) bezahlte Expedition soll Aufschluss über die Herkunft und Motive der Extraterrestrischen bringen. Kurz darauf startet das Forschungsraumschiff Prometheus zum Sternensystem Zeta Reticuli, der möglichen Heimat dieser fremden Wesen.

Unter dem rigiden Kommando der spröden Meredith Vickers (Charlize Theron) erreicht das Raumschiff ohne Komplikationen sein wenig einladendes Ziel. Doch die Ernüchterung ob der offenbar toten Welt weicht der Begeisterung, als tatsächlich Spuren der Außerirdischen gefunden werden. Und mehr noch: Das Höhlensystem, in dem sich jene Spuren befinden, erweist sich als riesiges Raumschiff! Von der Besatzung sind jedoch nur noch jede Menge Leichen übrig. Aufgeregt machen sich die Wissenschaftler an die Erforschung des unheimlichen Raumschiffs. Sie ahnen nicht, dass Vickers und ihr treu ergebener Android David (Michael Fassbender) eigene Pläne schmieden, was sie mit der sensationellen Entdeckung anzufangen gedenken …

Deutscher Trailer "Prometheus"

Prometheus: Phantastische Optik, überfrachteter Plot

Wechselnde Regisseure, wechselnde Qualität

Was kann man noch verblüffend Originelles über "Prometheus" schreiben, was nicht bereits an anderer Stelle geschrieben oder gesagt worden wäre? Abgesehen von den gefühlt fünftausend jährlichen Comicverfilmungen – Tendenz: Steigend -, wurde wohl kein anderer Film im Jahr 2012 dermaßen herbeigesehnt, wie gleichzeitig gefürchtet. Millionen Fans des beliebtesten Weltraummonsters aller Zeiten fieberten der Rückkehr Ridley Scotts auf den Regiestuhl der "Alien"-Reihe entgegen, bange der Antwort auf die Frage harrend: Kann der Brite das zuletzt in die künstlerische Bedeutungslosigkeit abgeglittene Franchise eigenhändig retten? Schließlich hatte alles drei Jahrzehnte zuvor mit seinem begnadeten Talent für herausragende Optik und dem Glücksgriff, anstatt eines männlichen Actionhelden Sigourney Weaver zur ersten wehrhaften Heroine der Science-Fiction-Filmgeschichte zu machen, begonnen.

Zwischen "Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" liegen mit James Camerons Vietnam-Allegorie "Aliens" ein fulminantes Sequel, ein verhindertes Meisterwerk David Finchers, dem bei "Alien 3" vom Studio die Hände zur freien Entfaltung seiner verstörenden Genialität gebunden worden waren, sowie als letzter Sargnagel Jean-Pierre Jeunets "Alien Resurrection", das wie eine Parodie wirkte. Über die fürchterlich missratene "Alien vs. Predator"-Crossover-Serie soll aus Gründen der Räson und aus Rücksicht auf den Blutdruck des Rezensenten das Tuch des Schweigens gelegt werden. Ironischerweise wurden aber gerade die AvP-Filme sowie "Alien Resurrection" zu den erfolgreichsten Streifen der Serie und bewiesen, dass sich Qualität nicht notgedrungen durchsetzt.

Folglich muss man 20th Century Fox Hochachtung für die Entscheidung zollen, mit Ridley Scott einen Risikofaktor reaktiviert zu haben. Gewiss: Fans der Serie betrachten ihn als geistigen Vater der Kultreihe, wiewohl viele der Designvorlagen H. R. Giger und Moebius zu verdanken waren. Doch mit dem grandios gescheiterten "Robin Hood" lieferte er zuvor einen der größten Filmflops der letzten Jahre ab. Rund 130 Millionen Dollar durfte Scott für sein "Alien"-Comeback auf den Kopf stellen – und zumindest finanziell lohnte sich das Risiko. Auch wenn der Film nicht annähernd an die phänomenalen Einspielergebnisse von "The Avengers" oder "The Dark Knight Rises" herankam, ist er der bislang erfolgreichste Teil der Monster-Saga. Doch wenden wir uns vom schnöden Mammon (Igitt, böser Kapitalismus, ganz böser Kapitalismus! Sitz! Platz!) ab und der für wahre Filmfans interessanteren Frage zu: Stellt "Prometheus" ein triumphales Comeback oder vielmehr doch einen schlappen Aufguss dar?

 

"Lost" in Space

Klischee hin oder her: Die Wahrheit liegt mal wieder in der Mitte. Wie der Streifen beweist, ist Ridley Scott nach wie vor der richtige Mann fürs Visuelle. Ob die Eröffnungssequenz, das Raumschiff "Prometheus" oder die Welt auf LV-223: Seine Welten leben selbst dann, wenn sie unbeseelt und tot sind wie der Wüstenmond, auf dem die Erdenmenschen nach ihren Schöpfern suchen. Von den bonbonbunten CGI-Gemälden eines "Avatar" oder den kalten, sterilen Digitallandschaften aus den ILM-Studios, sind Ridley Scotts Filme meilenweit entfernt. Auch wenn die auf den Zuschauer ausgeübte Faszination seines Meisterwerks "Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" nicht erreicht wird: Sein begnadetes Talent für das Medium Film wird in jeder Szene ersichtlich. Nicht wirkt billig oder im Gegensatz dazu völlig überladen, um mit gewaltiger Rechenpower protzen zu können. Hierbei merkt man die Handschrift eines Könners, der immer wieder Neuland betrat und sich niemals auf seinen Lorbeeren ausruhte.

Auf einem ganz anderen Blatt steht die Story. Geschrieben wurde das Drehbuch von Damon Lindelof, der bereits für die Mysteryserie "Lost" verantwortlich zeichnete, und dies merkt man auch. Das Problem besteht paradoxerweise nicht in einem Mangel an Originalität und Kreativität, sondern an einer Überfülle an interessanten Ideen und Konzepten, die schlussendlich zu keinem befriedigenden Ende zusammengeführt werden. Vielfach wurde spekuliert, ob "Prometheus" lediglich der erste Film einer neuen "Alien"-Serie darstellen könnte. Möglicherweise ist dem so, wobei jedoch auch die Vermutung ins Spiel gebracht werden muss, ob Lindelof überhaupt ein in sich abgeschlossene Geschichte im Kopf hatte, als er das Drehbuch schrieb. Betrachtet man seinen "Lost"-Hintergrund, erscheint dies nicht mehr allzu weit hergeholt. Schließlich warf der TV-Hit jede Menge Fragen auf, die größtenteils unbeantwortet blieben. Wer sich von "Prometheus" ultimative Antworten auf seit Jahrzehnten in Fankreisen kursierende Spekulationen erhofft, wird größtenteils enttäuscht. Doch selbst die wenigen handfesten Antworten, etwa den "Space-Jockey" aus dem ersten "Alien"-Film betreffend, vermögen nicht zu überzeugen und hinterlassen einen faden Nachgeschmack. Die dargebotenen Erklärungen wirken schlichtweg entmystifizierend.

In seiner Gesamtheit betrachtet ist der Film ganz einfach hoffnungslos überladen, da er es allen recht machen möchte: Dem vom 3D-Boom verwöhnten jungen Publikum, alten Fans der "Alien"-Serie, esoterisch Angehauchten, Filmkritikern. Dabei lag die Stärke der ersten beiden Filme der Reihe in ihrer klaren Zielausrichtung: "Alien" war ein Slasher-Movie im Weltall, bei dem ein außerirdisches Monster statt eines menschlichen Irren die Crew zerschnetzelte, "Aliens" bot hingegen rasante, knallharte Action vor einem ungewöhnlichen Setting. In "Prometheus" verschwimmen diese klaren Grenzen hingegen. Anfangs wähnt man sich in einer Hommage an Stanley Kubricks "2001", später in einem "Ancient Aliens"-Vortrag Erich von Dänikens, danach werden der Plot und die Charaktere sukzessive aufgebaut und schließlich lässt der Film alle Hüllen fallen und generiert sich als eindeutiges Prequel zu "Alien".

 

Typische "Prequel"-Schwächen

Und genau hierin liegt die wohl größte Schwäche des Science-Fiction-Abenteuers: Wie bei jedem anderen Prequel stehen gewisse Ereignisse unverrückbar fest, was dem Film zwangsläufig viel von seiner potenziellen Spannung herausnimmt. Dem Rezensenten ist bewusst, in diesem Punkt möglicherweise gegenteilige Meinungen zum geneigten Leser zu vertreten, denkt jedoch, seine Sichtweise untermauern zu können. Ein Prequel kann sich dem formellen Sequel nur auf jene Weise nähern, dessen Charaktere, Ereignisse und Handlungsbögen aufzugreifen und in eine bereits bekannte Form zu gießen. Dass sich aus dem jungen Anakin Skywalker der fiese Darth Vader entwickeln würde oder die Alien-Kreatur aus John Carpenters "Das Ding aus einer anderen Welt" ein Formenwandler ist und die norwegische Forschungsstation im Prequel dermaßen zu Kleinholz verarbeiten wird, dass selbst ein kompetenter IKEA-Wohnberater nichts mehr ausrichten kann, entzieht eben diesen Prequels jegliche Spannung. Zugegeben: Es bereitet eine gewisse Wiedersehensfreude, sich mit der Crew an Bord des hufeisenförmigen Alien-Raumschiffs zu begeben oder den "Space Jockey" bewundern zu dürfen. Aber die mal mehr, meist weniger eindeutigen Erklärungen dafür, woher die "Schöpfer" stammen, was ihre Motive sind, welche Rolle die Alien-Kreaturen inne haben, befriedigen nicht. Eher im Gegenteil: Mitunter wird einem Mysterium eine neue Schicht des Geheimnisvollen aufgetragen. Dies frustriert mit der Menge an neuen Mysterien und erzeugt einen bitteren Beigeschmack: Kommen da noch mehr Filme oder scherte man sich nicht darum, eben jene Geheimnisse zumindest ein wenig zu lüften?

Gerade in Punkto Atmosphäre gelingt es Ridley Scotts "Prometheus" nicht, an "Alien" anzuknüpfen. Die Welt von LV-223 geriet gar ein bisschen zu glatt und kann mit LV-426 aus dem Originalfilm nicht annähernd konkurrieren, wo unablässig Stürme über den Planetoiden peitschten, bleischwere Düsternis über die unendlich fragil scheinenden Menschlein hereinbrach und im außerirdischen Raumschiff Bodennebel waberten und glitschige Wände und Gänge alles andere als heimelige Gefühle verbreiteten. Kurzum: Die raue und rohe Ungeschliffenheit wich einem Kompromiss ans Mainstreamkino. Von H. R. Gigers wilden Phantasien ist nur noch wenig zu sehen und zu spüren. So weit reichte der Mut der Produzenten denn doch nicht, ihren 150-Millionen-Dollar-Koloss auf das dünne Eis des Unkonventionellen zu stellen. Dies gilt insbesondere für die zahnlosen Schockeffekte und die Monster, die man eher in einem "Resident Evil"-Film vermuten würde. Von der Klaustrophobie in "Alien" und "Aliens", wo buchstäblich hinter jeder Ecke, in jedem Luftschacht, hinter jedem Rohr eine Bestie stecken konnte, wird in "Prometheus" Abstand genommen. Die Monsterangriffe sind bewusst vorhersehbar inszeniert, als wollte man den arglosen Zuschauer nur ja nicht erschrecken. Was Ridley Scott mit seinem Verzicht auf Horrorelemente bezwecken wollte, bleibt schleierhaft, stellte doch gerade dieses einen der wesentlichen Gründe für den Erfolg der "Alien"-Filme dar. Schmerzlich vermissen Veteranen der Filmserie zudem Jerry Goldsmiths treibenden Score, der wesentlichen Anteil daran hatte, Millionen Zuschauern eine Gänsehaut zu bereiten. Die musikalische Untermalung des Deutschen Marc Streitenfeld, der mittlerweile zum Haus- und Hofkomponisten Ridley Scotts avancierte, ist zwar stellenweise richtig gut und passt sich den Szenen an, haut aber dann wieder so richtig daneben und würde sich für einen Film der Marke "Braveheart" besser eignen.

 

Aliens nicht an Bord erwünscht

Vermögen wenigstens die Alien-Kreaturen zu überzeugen? Nun soll natürlich nicht gespoilert werden, dennoch verdient diese Frage eine klare Antwort, die leider negativ ausfällt. Im Kontext dieses Filmes ergeben die Monstren durchaus Sinn und fügen sich schlüssig in den Plot ein. Das heiß geliebte Giger-Monster ist jedoch nicht mehr an Bord anzutreffen, ebenso wenig wie seine verschiedenen Entwicklungsstadien. Dadurch grenzt sich der Streifen von "Alien" ab und verhindert, in völlige Beliebigkeit wie die fürchterliche AvP-Serie zu verfallen, in der möglichst viele Alien-Kreaturen auf die Leinwand geklatscht und somit die Erwartungen vieler Zuschauer erfüllt werden. Trotzdem enttäuscht es auch ein Stückchen weit.

Die Rollen wurden hingegen fast durch die Bank bestens besetzt. Ex-Model Charlize Theron glänzt als kühle Blondine, Michael Fassbender verkörpert einen Androiden mit undurchsichtigen Missionszielen – ein Standardmotiv der Serie - und Noomi Rapace erinnert nicht nur optisch ein wenig an Sigourney Weaver. Der Rest des Casts – so viel sei verraten – ist entbehrlich. Einen kuriosen Auftritt legt Guy Pearce ("Memento”, "The Time Machine”) hin, der den fast 100-jährigen Peter Weyland – Gründer des in jedem "Alien"-Film referenzierten Industriegiganten Weyland – verkörpert. Was hätte dagegen gesprochen, einen tatsächlich alten Schauspieler zu verpflichten, anstatt dem armen Pearce ein lächerliches Makeup zu verpassen (das noch dazu inkonsistent ist, wenn in einer Szene die Füße des ansonsten von Altersnarben überzogenen Weyland überraschend jugendlich wirken)?

 

Warten auf einen richtigen "Alien"-Film

Fazit nach knapp zwei Stunden: "Prometheus" kommt viel zu geschwätzig daher und vermag an den Nervenkitzel der ersten beiden "Alien"-Teile nicht anzuknüpfen. Dies war aber offenbar auch nicht die Absicht eines Filmes, der stellenweise metaphysisch verkitschte Science Fiction mit einem Schuss jugendfreien Horror bietet. Der große Wurf ist der Streifen ebenso wenig, wie ein völliger Griff in den Lokus. Angesichts eines Ridley Scotts auf dem Regiestuhl schleicht sich nach dem Abspann bei einem "Alien"-Fan wohl doch große Enttäuschung ein, wobei diese rasch wieder abklingt, da der Film zu wenig Substanz bietet, um sich noch Stunden oder Tage später damit zu beschäftigen. Und darin liegt das wahrlich Ärgerliche an "Prometheus": Aus einigen interessanten Plotideen wurde praktisch nichts herausgeholt und die nach einer Fortsetzung schreiende Handlung verläuft letztendlich völlig ins Nebulöse. Es wäre wünschenswert, könnte sich 20th Century Fox endlich dazu durchringen, wieder einen stilechten "Alien"-Film produzieren zu lassen, idealerweise von einem jungen, hungrigen Regisseur, wie es bei den ersten drei Teilen der Serie der Fall war. Vielleicht wäre es uns dann wieder vergönnt, die von H. R. Giger designten Alien-Kreaturen bei ihrem Lieblingshobby beobachten zu dürfen: Panisch flüchtende Menschen durch düstere Gänge zu jagen. Da sieht man einmal, was das Glühbirnenverbot der EU für unangenehme Konsequenzen haben kann …

Originaltitel: Prometheus

Regie: Ridley Scott

Produktionsland und -jahr: USA, 2012

Filmlänge: ca. 124 Minuten

Verleih: Twentieth Century Fox Home

Deutscher Kinostart: 12.8.2012

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

 

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