Ein Medizinstudium in der Gründerzeit war nur Männern erlaubt

Hier in der Charité, dem Zentrum der medizinischen Welt, versammeln sich in diesen Jahren die großen Forscher: Rudolf Virchow, Robert Koch, Paul Ehrlich, Emil Behring- und wie selbstverständlich bewegt sich die aufgeweckte Henrietta zwischen ihnen. In den Sezierstuben und Laboren wird sie zur Zeugin, wie in wenigen Jahren die Grundlagen der modernen Medizin gelegt werden., die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers revolutionierte die Vorstellungen von Krankheit.Je deutlicher Henriettas eigene Begabung wird, desto heftiger stößt sie an die Grenzen der Gesellschaft: Die Schranken von Herkunft und Geschlecht stellen sich unüberwindlich in ihren Weg. Henrietta entschließt sich zum Versteckspiel und nimmt in Männerkleidern ein Medizinstudium auf. Doch sie kann nicht aus ihrer Haut- es kommt zum Skandal. So nimmt Henrietta als Frau den Kampf auf, sich in der Männerwelt der Wissenschaft zu behaupten.

Das Leben von Henrietta ist Kampf

Im Buch entwirft Martin Kluger ein Panorama vom goldenen Zeitalter der Medizin, zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik- und zeigt auch die Schattenseiten des menschlichen Forscherdrangs. Das Lebensmotto von Henrietta Mahlow ist Kampf. Sie kämpft um das eigene Leben, ihre Daseinsberechtigung, den Erwerb von Wissen, um Liebe, Anerkennung, um die Zukunft ihrer Kinder. Nach lang läufiger Meinung erreichte sie das Ziel ihres Lebenskampfes nur über ihre Tochter Anna, die Medizin studierte.

Ein leidvoll hoher Preis für eine unerfüllte Liebe

"Was wäre wenn", ist die Frage, mit deren Beantwortung ein Computerprogramm lange beschäftigt wäre. Würde diese Frau, wenn man sie fragte, den Kampf noch einmal aufnehmen, sich vom Leben in der Keibelstraße prägen lassen, den Vater leiten, lachend und neugierig der Forschung gegenüber stehen? Hatte sie eine Wahl? War denn nicht das Leben selbst ihr Impulsgeber, das Metronom, welches den Takt schlug und dem sie bedingungslos folgte? Die Erfahrung ein Kind und einen Mann zu verlieren lehrte sie, den Kindsvater ihres Sohnes, ohne Rücksicht auf die Gefühle des liebenden Mannes, besser nicht preiszugeben. Der Geliebte, der Sohn, sie selber zahlen für eine, zu Gunsten der Forschung von ihr bewusst nicht ausgelebte Liebe, einen viel zu hohen Preis.

Ein historischer Romane mit medizinischem Hintergrund

Die Gehilfin ist ein Buch, das tiefe Einblicke in das Leben der Charité gewährt, einem System, das eng mit der Forschung und der deutschen Wissenschaft verwoben ist. Es liefert Hintergründe, die die Wissenschaft erklärlicher machen, zeichnen das Schicksal vieler Frauen aus dieser Zeit, besonders derjenigen, die studieren wollten. Der Lesende empfindet sie mit, die Ohnmacht gegenüber den Gesetzen, die diese Wissenschaftlerin aus einfachem Haus, zu einer Gesetzesbrecherin macht.
Der Autor versteht es die Diskrepanz der Frauen einfühlsam darzustellen und ihnen den ihnen zustehenden Ehrenplatz in der Geschichte zukommen zu lassen. Eine besondere Erwähnung verdient der Schutzumschlag des Buches. Auf ihm ist ein Selbstbildnis von Sabine Lepsius (1885) zu sehen. Diese junge Frau, mit ihren für die damalige Zeit revolutionär anmutenden Bubikopf, steht stellvertretend für "Die Gehilfin" am richtigen Ort.

Das ist der Autor Martin Kluger

Martin Kluger wurde 1948 in Berlin geboren. Er schrieb für das Kino die Drehbücher für: "Rama Dama" und "Felidae". 1998 veröffentlichte er den Roman "Die Verscheuchte" 2002 erschien bei DuMont der Roman "Abwesende Tiere".
Die Gehilfin, Martin Kluger, Roman, DuMont Verlag, 2006, 318 Seiten, 19,90 €

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