Zeitraum des Mittelalters

Zunächst einmal ist festzuhalten, welcher Zeitraum mit "Mittelalter" gemeint ist. In europäischen Ländern ist hierbei in der Regel grob der Zeitraum vom Jahr 500 bis zum Jahr 1500 nach Christus eingegrenzt. Wobei es im Norden gegenüber dem Süden leichte Schwankungen geben kann, da Veränderungen und Fortschritte nicht alle Gebiete gleichzeitig erreichten. Die Übergänge von der Spätantike zum Frühmittelalter und vom Spätmittelalter zur Neuzeit zogen sich über mehrere Jahrzehnte hin. Eine weitere Unterteilung des Mittelalters ist das Frühe Mittelalter, das Hochmittelalter und das Späte Mittelalter. Humanisten aus der anschließenden Neuzeit verwendeten den Begriff Mittelalter abfällig, da sie der Meinung waren, die Menschen in diesem Jahrtausend hätten wertvolle Erkenntnisse aus der Antike in Vergessenheit geraten lassen und wären nur dumm, faul und brutal gewesen.

Burg Frankenstein (Bild: I. Ajerrar)

Erst die neueste Mittelalterforschungen und die Archäologie zeigen ein anderes Bild des Mittelalters.

Das Frühmittelalter circa 500 bis 1000 nach Christus

  • Etwa im Jahr 870 besiedelten Norweger die Insel Island, auf der sich aber bereits irische Mönche niedergelassen hatten.
  • Im 9. Jahrhundert machten sich der Wikinger Leif Eriksson auf den Weg, das Meer zu erkunden und kam etwa im Jahr 1000 auch an der Küste Nordamerikas an. Als erster Entdecker Amerikas wurde er aber nie erwähnt, da eine Besiedlung fehl schlug und seine Entdeckung in Vergessenheit geriet. So konnte Columbus später die Entdeckung Amerikas für sich beanspruchen.
  • Das Rittertum entstand im 9. Jahrhundert aus militärischer Notwendigkeit. Es waren Berufskrieger, die ihrem Herrn verpflichtet waren. Da die meisten von ihnen aus den unteren Schichten stammten, war es mit dem Benehmen und der Höflichkeit nicht weit her. Sie führten ein risikoreiches und oft nur kurzes Leben. Durch die Erfindung neuer Waffen ging ihre Ära mit Auslaufen des Spätmittelalters zu Ende. Dadurch fehlten vielen die Einnahmen zum Leben und sie wurden zu gefürchteten Banditen.

Mittelalter (Bild: pixabay)

Das Hochmittelalter circa 1000 bis 1250 nach Christus

  • Im 12. Jahrhundert schlossen sich Gelehrte und Scholaren (Studierende) zusammen und bildeten die ersten Ansätze zur Entstehung der freien Universitäten. Sie trafen sich auf freien Plätzen und in Privaträumen.
  • Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert änderte sich das Klima. Es wurde wärmer, wodurch es bessere Ernten gab. Hungersnöte und Epidemien nahmen ab und das Bevölkerungswachstum zu. Weite Waldgebiete wurden gerodet und Feuchtland trocken gelegt. Bessere Arbeitsgeräte in der Landwirtschaft und der gute Boden brachten noch bessere Erträge. Es wurde die Dreifelder-Bewirtschaftung eingeführt. Damit konnte sich nach dem Sommer- und Wintergetreide ein Feld immer erholen und wurde als Weide genutzt. So gab es unter den fleißigen, auch wohlhabende Bauern. Sie konnten sich sogar bis in die Verwaltung hoch arbeiten.
  • Die Reiselust im Mittelalter war so groß, dass der "Sachsenspiegel", ein Rechtsbuch von Eike von Repgow, erste Verkehrsregeln bekannt gab. Es waren so viele Händler, Kundschafter und Wallfahrer unterwegs, dass auf den Wegen reger Verkehr herrschte.
  • Um das Jahr 1078 saß der Abt Anselm über seinen Büchern und grübelte über die Existenz Gottes. Er wollte mit allen Mitteln seines Verstands beweisen, dass es Gott gab. Er veröffentlichte ein Buch, das bis heute die Diskussion aufrecht erhält, wie Glaube und Vernunft in ein ausgewogenes Verhältnis gesetzt werden können. Sich auf den Verstand einzulassen, ist keine Errungenschaft der Neuzeit, sondern entspringt dem Mittelalter. Jeder der einem Kloster beitreten wollte, musste zuerst lesen lernen und Latein beherrschen. Dies bedeutete, dass alle Mönche und Nonnen gebildete Leute waren. Die Bücher der Antike wurden abgeschrieben und weiter verteilt, während sie die Originale sorgfältig aufbewahrten. Den Orden entsprangen auch die größten Denker, wie Thomas von Aquin. Er definierte die Theologie als "spekalutive Wissenschaft". Der Franziskaner Roger Bacon gilt als einer der Väter der Brille. So gab es viele Anstöße, die aus den Reihen der Mönche kamen. Geistliche, Bauern, Händler, Frauen und Kinder standen unter besonderem kirchlichen Schutz vor den brutalen Angriffen der Ritter. Kranke fanden in den Klostern ärztliche Hilfe. Die Benediktinerin Hildegard von Bingen hat auch heute noch einen besonderen Ruf als Heilkundlerin und Ärztin.

 

Mönch (Bild: Pixabay)

Das Spätmittelalter circa 1250 bis 1500 nach Christus

  • Im Jahr 1271 startete Marco Polo zu seiner Entdeckungsreise nach China. Viele hielten ihn für einen Aufschneider und zweifelten seine Erzählungen an. Jedoch wurden immer mehr Beweise gefunden, dass er tatsächlich in China war und zumindest einiges an seinen Aussagen stimmte. Der jüdische Kartenzeichner Abraham Cresques entwarf ab dem Jahr 1375 die Katalonische Weltkarte, in der die Aufzeichnungen von Marco Polo auch eingearbeiteten waren. Das setzte einen Meilenstein in der Kartografie. Der portugiesische Prinz Heinrich der Seefahrer heuerte im 14. Jahrhundert Gelehrte, Kartografen. Astronomen und Schiffsbauer an. Bis zu seinem Tod waren mehr als 2000 Seemeilen afrikanischer Küste erkundet.
  • Nachdem im 12. bis 13. Jahrhundert die lateinischen Übersetzungen von Aristoteles vorlagen, beschäftigten sich die Studierenden mit der aristotelischen Naturlehre und prägten die Naturwissenschaften im Spätmittelalter bis in die Frühe Neuzeit.
  • Im 14. Jahrhundert entstanden in Prag, Wien und Heidelberg die ersten Universitäten. Ende des 15. Jahrhunderts gab es bereits 75 Einrichtungen, in denen Theologie, Rechtswissenschaften und Medizin studiert werden konnten. Vorher musste ein Grundstudium in Grammatik, Mathematik und Philosophie absolviert werden. Studieren durfte jeder, egal welcher Abstammung, ob arm oder reich und egal welcher Nationalität.
  • Jeglicher Abfall und Fäkalien landete in den Flüssen, in dem Glauben, dass die Natur diese schon wieder reinigen würden. Welche große Belastung das für die Natur gerade an den Städten war, darüber dachte niemand nach.
  • Ab dem 13. Jahrhundert gab es fließend Wasser aus Holzleitungen. In Augsburg wurde im Jahr 1412 der erste bekannt Wasserturm gebaut. Langsam bemühten sich die Menschen, die durch Kahlschlag der Wälder und den Unrat enorm geschädigte Natur wieder herzustellen. Erstmals wurden auch Parkanlagen geschaffen, die nur der "Lust und Ergötzung" dienten.
  • Das Spätmittelalter endete mit der Erfindung des Buchdrucks und dem Beginn der Reformation.

Bibliothek (Bild: Pixabay)

Da die Hauptzeit der Hexenverfolgung zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert lag. Gehört dieser Geschichtsabschnitt eher in die Neuzeit, als in das Mittelalter. Zwar glaubte man vorher auch schon an die "Schwarze Magie", jedoch stand man dieser eher zurückhaltend gegenüber.

Fazit

Diese Fakten aus der Geschichte zeigen auf, dass vieles in dem langen Zeitraum bis heute zu einem Bild der Menschen im Mittelalter geführt hat, welches nicht der damaligen Realität entspricht. Sie waren keineswegs nur dumm, faul und brutal. Sie besaßen ein hohes Maß an Neugierde, Forschungsdrang und Wissensdurst und schufen Grundlagen, die der weiteren Entwicklung in den einzelnen Epochen bis in die heutige Zeit von hohem Nutzen waren. Aber es gab auch viele Widrigkeiten, an die so mancher gar nicht denkt, wenn er seinen eigenen Traum vom Mittelalter träumt.

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Die Historikerin, freie Journalistin und Sachbuchautorin Karin Schneider-Ferber klärt in ihrem Buch "Alles Mythos!" über die 20 populärsten Irrtümer über das Mittelalter auf.

Aristoteles in Oxford: Wie das finstere Mittelalter die moderne Wissenschaft begründete.

John Freely, geboren 1926 in Brooklyn, lebt in Istanbul und unterrichtet dort an der Bosporus-Universität Physik und Wissenschaftsgeschichte.

Ajerrar, am 28.06.2018
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Bildquelle:
I. Ajerrar (Trier - ein Ausflug in die Vergangenheit)
I. Ajerrar (Bamberg - Ausflug in die Altstadt)
I. Ajerrar (Ausflugsziel Burg Frankenstein)
I. Ajerrar (Städtetour - Prag, die "Goldene Stadt")

Autor seit 12 Jahren
137 Seiten
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