Steven Raichlen – in den USA bestens bekannt

Steven Raichlen lebt mit seiner Familie in Miami in Florida. In den USA ist er mit einer eigenen TV-Show sehr erfolgreich, ebenso mit seiner "Barbecue University". Seine mittlerweile 29 Bücher wurden in 15 Sprachen übersetzt. Ein Buch – "Planet Barbecue" – wird hier näher vorgestellt.

 

Steven Raichlen's Planet Barbecue

Spitzfindige Kenner deutscher Sprache knipsen wahrscheinlich gerade ganz aufgeregt mit ihren Fingern: Hallo, hallo – Dummenapostroph! Ja, im Deutschen gehört das Apostroph weg. Wäre ich Lehrerin, müsste ich da jetzt mindestens einen halben Fehler für anrechnen. Aber ich schreibe gerade eine Rezension und darum sage ich hierzu: Die Beibehaltung des Original-Titels in seiner amerikanischen Schreibweise wurde offenbar gewusst gewählt. Also halte ich mich damit nicht näher auf und komme gleich zum Inhalt.

 

 

 

  

Der Band im stabilen Soft-Cover mit seinen 518 Seiten wiegt fast 1,5 Kilogramm. Die Untertitel "Meine Grill-Weltreise" und "Rezepte aus über 50 Ländern" lassen einiges erhoffen. Es warten über 200 Rezepte auf ihre Entdeckung, zahlreiche Farbfotos veranschaulichen Gerichte, Orte und Personen, dazu gibt es wissenswerte Hintergrundinformationen.

Neugierig steige ich gleich quer ein, blättere hin und her, betrachte bunte Fotos und lese mich immer wieder fest. Außer Rezepten stehen viele zusätzliche Erläuterungen dazwischen. Ich erfahre, wie ich am besten frische Kokosnüsse reibe, welche die sieben Mythen und Tatsachen über das Grillen eines Steaks sind, wie der perfekte Burger gelingt und welche exotischen Zutaten in Malaysia beim Grillen geschätzt sind. 

Außer Rezepten und Zubereitungskniffen lernt der Leser viele Restaurants und Köche aus der ganzen Welt kennen: so unter anderem Lydia – die Grillkönigin der Philippinen, Hassan bin Brik – die Legende marokkanischen Grillens oder Francis Mallmann aus Uruguay. Landestypische Barbecue-Sitten finden ebenso Beachtung wie völlig unbekannte Fleischsorten. Wer weiß denn wohl, was ein Nierenzapfen ist? 

Das Buch ist übersichtlich in Abschnitte zu den einzelnen Speisearten gegliedert: 

Vorspeisen – Salate – Gegrilltes Brot – Rind, Kalb und Wild – Schwein – Lamm und Ziege – Hackfleisch – Geflügel – Fisch – Meeresfrüchte – Gemüse und vegetarische Gerichte – Desserts 

Zuvor gibt es eine Einführung und einen Überblick über zwei Millionen Jahre Grillgeschichte. Das letzte Buchkapitel lautet: Die praktischen Grundlagen für das Grillen über offenem Feuer. 

 

Zwei Millionen Jahre Grillgeschichte sind zugegeben etwas geschönt. Bekannt ist, dass vor 1,8 Millionen Jahren unser erster Vorfahr erschien, der seine Speisen mit Feuer zubereitete – der Homo erectus. Grillen beziehungsweise Barbecue entspricht einer uralten Zubereitungsmethode von schmackhaftem Essen. Auch wenn Steinzeitmenschen nicht so viele verschiedene Gewürze und Kräuter wie wir zur Verfügung hatten, kulturlose Banausen, die Essen nur zur reinen Nahrungsaufnahme in sich hineinstopften, müssen sie keineswegs gewesen sein. Genuss wird damals schon eine Rolle gespielt haben und erklärt, dass nach dem Experimentieren und Entdecken der leichteren Verdaulichkeit von gegarten Speisen das Zubereiten von Nahrung bis heute weiter verfeinert wird. 

So findet sich auch ein steinzeitliches Rezept in Steven Raichen's Planet Barbecue: 

T-Bone-Steaks "Caveman" mit höllenscharfer Sauce 

Zuerst vorgestellt in der Barbecue-University, beeindruckte das sehr authentisch wirkende Grill-Rezept, das ursprünglicher nicht mehr geht: Steaks direkt auf der Glut gebraten! Igitt? Ach wo, tolle Oberfläche und köstliches Raucharoma sind bestechende Argumente für einen Versuch. Aber Achtung: Vor dem Zubeißen unbedingt nach anhaftenden Glutstückchen sehen, sonst …! Die Sauce ist ein Zugeständnis an die heutige Zeit, sozusagen Cross-over-Küche. Archäologischen Funden zufolge kam das Erhitzen auf Steinen wohl erst vor gut 20.000 Jahren durch die Cro-Magnon-Menschen in Mode.

 

Nach diesem Exkurs in die ferne Vergangenheit geht es mit anderen spannenden Rezepten weiter. 

Beachtung findet der enorme Fleischkonsum in Südamerika. Während hierzulande aus gesundheitlichen Gründen vor zu intensivem Fleischverzehr gewarnt wird, scheint es beispielsweise den Argentiniern bei ihrer überaus fleischlastigen Kost hervorragend zu gehen. Sie sind meistens nicht nur fit, sondern auch schlank. Da wirkt die Spezialität eines beliebten Grillrestaurants in Buenos Aires wie pure Ironie: 

Herzstillstand 

Man nehme pro Person ein aufgeklapptes und gebratenes Rumpsteak, belege es mit gebratenen Spiegeleiern mit Speck und gebe darüber Chimichurri, eine pikante Oregano-Essig-Sauce. Geht in Argentinien zum Frühstück, am Mittag und abends. Ein ganzseitiges Farbfoto scheint noch zu brutzeln und sieht zum Reinbeißen aus. 

Ein großer Sprung hinüber nach Australien hält selbst für langjährige, abgeklärte Griller Neues bereits: 

Australisches Lammfleisch auf der Schaufel 

Nein, hier geht es nicht um Lammschulter auf dem Schulterblatt, was bloß zünftiger klingen soll. Das Ganze ist tatsächlich so rustikal, dass sich verbale Tricksereien erübrigen. Australien: der Kontinent mit den giftigsten Tieren überhaupt – tiefstes Outback – leichtes Gepäck – Hunger: Dahin schleppt niemand mehr einen Grill, da muss eine echte Schaufel herhalten, um leckere Lammkoteletts auf einem lodernden Lagerfeuer zu garen. Die Kunst des Schaufelgrillens ist genau beschrieben – wer weiß, was einem noch so alles blüht im Leben und man lernt ja nie aus. 

In eine ähnliche Richtung geht auch ein faszinierendes Rezept von der pazifischen Nordwestküste der USA: 

Auf einem Brett gegrillter Wacholderlachs mit Beerenglasur 

Jawohl – hier stellt ein echtes Brett eine wichtige Zutat dar. Es handelt sich dabei um sogenanntes indirektes Grillen – in diesem Fall auf einem Zedernholzbrett auf dem Grill. Damit das klappt, ist das – natürlich unbehandelte - Holzbrett vorher gründlich zu wässern, bis es sich vollgesogen hat. Es gehen auch andere Hölzer wie beispielsweise Erle. Zedernholz fügt allerdings sein einzigartges würziges Aroma an den Lachs. Als Zederngrillholz ist es in gut sortierten Geschäften für Grill- und Kochbedarf erhältlich oder im Internet. 

Auf Fichte gegrilltes Steak 

Ebenso lohnend ist dieses verwandte Rezept aus Kanada, bei dem ein Steak auf Fichtenzweigen zubereitet wird, wobei diese mit ihrem Duft das Fleisch wunderbar aromatisieren. 

Aufschlussreich zu lesen ist 

Bratwurst mit Currysauce 

Steven Raichen bezeichnet unseren Traditionsimbiss, die Currywurst, als einen der "bizarrsten Straßensnacks" und merkt dessen Beliebtheit in Deutschland an. Dazu nimmt er Bezug auf Uwe Timms Buch "Die Entdeckung der Currywurst". Er widmet Fakten und Legenden rund um die Currywurst eine Seite und schließt eine weitere Seite mit Rezept und Foto an. Es ist kurios, diese Speise einmal aus der Sicht eines Amerikaners beschrieben neu kennenzulernen. 

Fischfans werden auf Rezepte wie Lachs mit belgischer Kirschbierglasur oder Rochen nach Singapur-Art, in Bananenblättern gegrillt neugierig werden.

Geflügelfans werden staunen, das sich so eine Köstlichkeit wie Cashew-Sahne-Hühnchen-Tikka als Barbecue-Variante zubereiten lässt.

 

Süßmäuler lässt der Planet Barbecue ebenfalls nicht im Stich: 

José Andrés' gegrilltes Brot mit Schokolade 

wird zur ernsthaften Konkurrenz für Nussnougatcreme-Brötchen und dürfte dazu gesünder und immerhin etwas figurfreundlicher sein, kommen doch Zartbitterschokolade und Olivenöl hinein statt ominöse andere Fettkreationen und wer weiß was für chemische Hilfsstoffe. Beim Betrachten des appetitlichen Fotos tropft nicht nur die Schokolade im Bild, da tropft auch der eigene Zahn. 

Gegrillte Bananen in Kokos-Karamell-Sauce oder geröstete Orangen mit Rosmarin oder in Muskateller gegrillte Ananas mit Meersalz sind weitere gar nicht so aufwändig herstellbare Leckereien. Ein wenig mehr Mühe, Geschick und Mut erfordern hingegen die Rezept für gegrilltes Eis oder gar geräuchertes Eis. 

Vegetarier brauchen sich keinesfalls mit Süßem zufriedenzugeben. Für sie gibt es, wie eingangs erwähnt, ein Kapitel für Gemüse und vegetarische Gerichte, das keineswegs nur eine Alibifunktion einnimmt. Kolumbianischer Grillmais mit Butter und Käse oder kosovarische Grillpilze schalten die Geschmacksknospen schon beim Lesen auf Empfang, ebenso wie gegrillte Shishito-Chillies mit Sesamöl und Steinsalz sowie armenische Kartoffelspieße. Was mit Speck gegrillte Auberginen jedoch in dieser Rubrik zu suchen haben, bleibt des Autors Geheimnis. 

 

Viele der Fleischrezepte dürften übrigens auch mit Alternativen zu Fleisch wie Soja-Schnitzel, Seitan-Medaillons oder Lupinen-Steaks gut munden.

 

Beurteilung

5 Sterne vergebe ich diesem Buch aus voller Überzeugung. 

Es ist von vorn bis hinten unterhaltsam, packend und lehrreich, ohne zu schulmeistern. Faszinierend, wie viele Grillmethoden es überhaupt gibt und wo überall gegrillt wird. Die überaus vielfältigen Rezepte bringen sogar im Barbecue und Grillen erfahrenen Menschen noch ungeahnte Neuigkeiten. 

Dass das kompakte Buch gerade deshalb ein wenig unhandlich ist, ist entschuldbar. Der Soft-Cover-Einband wirkt sehr robust. Fast schon unglaublich ist der extrem günstige Preis für das mit wertvollem Wissen prall gefüllte Buch: 14,99 Euro! Damit eignet sich das Buch auch hervorragend als Geschenk für alle Barbecue-, Grill- und Kochbegeisterten. 

Alle, die gern zum Barbecue- oder Grillen einladen, können bereits mit ein paar der Rezepte und Tipps aus diesem Buch ihre Gäste schwer beeindrucken und für Gesprächsstoff sorgen. Einfach nur Würstchen auf dem Grill heiß machen und mit gekauften Saucen beträufeln ist mit diesem Buch endgültig passé.

 

Verlag

Erschienen ist Steven Raichlen's Planet Barbecue im h.f.ullmann Verlag in Potsdam. Gemäß dem Motto "Erlesen erleben" bietet der Verlag ansprechend gestaltete Bücher heraus zu Themen wie "Essen und Trinken", "Kreatives und Geschenke", "Kunst und Architektur", "Mode und Design" sowie "Wissen". Über die Rezensionsplattform Blogg-dein-Buch bekam ich "Steven Raichlen's Planet Barbecue" zum Besprechen zur Verfügung gestellt. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei beiden ganz herzlich bedanken!

Bücher rezensieren über Blogg-dein-Buch

 

Wer ebenfalls Bücher rezensieren möchte, erfährt noch mehr darüber bei Blogg-dein-Buch.de:

 

 

 

 

 

 

 

Dazu ein paar persönliche Worte von mir: 

Rezensionsexemplare sind gratis. Das Besprechen sollte entsprechend fair ablaufen. Das heißt nicht, dass Buchbesprechungen dafür zwingend positiv sein müssen. Eine ehrliche Meinung ist sogar erwünscht, um glaubwürdig zu sein. Was dagegen ganz link ist, sich um Rezensionsexemplare nur zu dem Zweck zu bewerben, um diese einfach so abzustauben oder weiterzuverkaufen und bloß pflichtgemäß eine lieblos hingehuschte Pseudo-Rezension zu schreiben, womöglich noch von anderen Bewertungen abgekupfert. Die Bücher zum Besprechen gehören dem Rezensenten anschließend, und es bleibt natürlich seine Sache, was er anschließend damit macht. Nur geht es hier um eine vertragliche Abmachung. Ich sehe in derartigem Handeln Betrug - gegenüber Blogg-dein-Buch, den Verlagen, Autoren, Bloggern und ehrlichen Käufern. Die Verlage und Portale merken so etwas ohnehin.

Wer es aber ernst meint, wird merken, dass Buchbesprechungen zwar Zeit und Arbeit erfordern, aber auch viel Freude bereiten.

Textdompteuse, am 05.08.2013
2 Kommentare Melde Dich an, um einen Kommentar zu schreiben.


Laden ...
Fehler!