Das Monstrum - Tommyknockers: Stephen Kings bester SF-Roman
Eines der wenigen Science-Fiction-Werke aus Stephen Kings Feder: In "Das Monstrum" entfalten sich verhängnisvolle Ereignisse aus purem Zufall heraus - ganz wie im richtigen Leben!Das UFO im Hinterhof
Depressiver Säufer als letzte Hoffnung
Bei einem nächtlichen Spaziergang mit ihrem Hund stolpert Western-Autorin Bobbi Anderson über ein aus dem Boden ragendes Metallstück. Zunächst nimmt sie noch an, jemand habe vielleicht seinen schrottreifen Wagen verbuddelt. Doch als sie der Sache näher auf den Grund geht wird rasch klar, dass es sich bei dem Ding um ein riesiges metallisches Objekt handelt. Schließlich wird sie der unfassbaren Wahrheit gewahr, auf ihrem eigenen Grundstück zufällig über ein außerirdisches Raumschiff gestolpert zu sein, das dort seit vielen tausend Jahren verschüttet liegt.
Die brennende Neugier zwingt sie dazu, immer weiter zu graben, wenngleich das Objekt viel zu groß ist, um von ihr alleine freigelegt zu werden. Sonderbarerweise geht die Entdeckung mit erstaunlichen Ideen einher, die Bobbis Verstand regelrecht fluten. Sie erkennt den Zusammenhang mit dem Raumschiff, dessen außerirdische Insassen offenbar noch nicht ganz tot sind und ihr diese Ideen telepathisch zu senden scheinen. Für die junge Frau steht fest: Sie muss das Objekt zur Gänze freilegen! Dafür benötigt sie Hilfe, die sie bei ihrem ehemaligen Geliebten Jim Gardener anfordert.
Gardener, ein verkrachter Poet, der sich aus Frust über seine Erfolglosigkeit dem Suff ergeben hat, ist für die außerirdischen Einflüsse weniger empfänglich. Zum einen wegen der die Kommunikation störenden Metallplatte in seinem Schädel, zum anderen weil er sieht, was die extraterrestrischen Manipulatoren in dem kleinen Städtchen Haven anrichten. Zwar wird ihre Intelligenz in lichte Höhen empor gehoben, doch ihre genialen Erfindungen, die sie dank der technologisch fortgeschrittenen fremden Macht zu bauen imstande sind, dienen stets nur ihren eigenen Interessen und sind mitunter für ihre Mitmenschen gefährlich.
Langsam beginnen die Bewohner damit, ihre Stadt von der Außenwelt abzuschirmen und sich den verhängnisvollen Manipulationen vollends auszuliefern. Ausgerechnet der depressive Alkoholiker Gardener ist der einzige "normale" Mensch in Haven, und seine Chancen, die Bewohner zur Vernunft zu bringen, stehen schlecht. Denn die Verführungen der überlegenen Technik sind zu stark …
Klassische Science Fiction mit ironischen Untertönen
Beeinfluss von H. P. Lovecraft
Zieht man in Betracht, dass Stephen King im Phantastik-Genre tätig ist, Science Fiction liebt und unter anderem von H. P. Lovecraft beeinflusst wurde, überraschen seine seltenen Ausflüge in die Science Fiction. Neben "Das Monstrum – Tommyknockers" können nur die Romane "Duddits" und im weitesten Sinne "Es", sowie einige wenige Kurzgeschichten aus den Erzählsammlungen "Nachtschicht", "Blut" und "Albträume" dem Genre zugerechnet werden. Warum dem so ist, darüber kann spekuliert werden. Vielleicht liegt es auch an der schwachen oder negativen Resonanz seitens der Leser. Abgesehen vom Meisterwerk "Es" und der Novelle "Der Nebel", zählen weder die SF-Romane, noch – Geschichten zu den Favoriten seiner Leserschaft.
Als umso interessanter erweist sich die Lektüre des vorliegenden Romans, der 1987 veröffentlicht wurde. Zum ersten (und wohl letzten) Mal zieht Stephen King so richtig vom Leser und tischt klassische Science Fiction auf: Außerirdische, UFOs, drohende Alien-Invasionen, Telepathie und Erfindungen jenseits unserer Vorstellungskraft. Natürlich ist das Ganze hemmungslos überzogen. Aber gerade darin liegt das Vergnügen! Der Leser wird Zeuge, wie makabre Energiequellen angezapft werden, eine billige Jesus-Statue ihre Besitzerin zum Mord anstachelt, kleine Jungen den Zaubertrick der "verschwundenen Jungfrau" allzu überzeugend vorführen und der bizarren technologischen Wunder und seltsamen Visionen mehr. Viele Leser bemängeln die vielen Nebenhandlungen, welche die Länge des Romans angeblich unnötig aufblasen. Tatsächlich sind frühe Werke wie "Carrie" oder "Brennen muss Salem" erheblich gestraffter geschrieben und wirken bisweilen sogar etwas zu detailarm. Andererseits gehört das ausschweifende Element schlichtweg zu Stephen Kings unvergleichlichem Stil.
Alter Ego Jim Gardener
Die Protagonisten könnten kaum typischer für einen King-Roman sein: Eine erfolgreiche Autorin sowie ein depressiver Poet mit Alkoholproblemen. Das Motiv des Schriftstellers zieht sich ebenso wie jenes des Lehrers durch seine Werke. Jim Gardener kann dabei als heimliches Alter Ego Kings betrachtet werden, der in den 1980er Jahren unter anderem von Alkohol abhängig war. Auch Kings Skepsis gegenüber technischem Fortschritt, der sich mit den Folgen nicht befasst, ist deutlich erkennbar. Folglich wettert Gardener gegen Atomkraftwerke, auf das zum Veröffentlichungszeitpunkt aktuelle Tschernobyl-Unglück als warnendes Beispiel hinweisend. In späterer Folge erweisen sich die außerirdischen Einflüsse (beispielsweise allmählicher Ausfall von Zähnen und Haaren) als symbolische Analogien zu radioaktiver Verstrahlung.
Titelgebende Tommyknockers beziehen ihren Namen aus der walisischen Folklore und kamen Stephen King erstmals in Form eines Kinderreimes zu Bewusstsein. Im Roman benennt Gardener die Außerirdischen als Tommyknockers, nachdem er sich an besagten Reim zufällig erinnert und die Bezeichnung passend findet. Natürlich dürfen die Querverweise auf Kings anderen Werken nicht fehlen, wie "Es" oder "Der Talisman".
Spannendes Lesevergnügen
Trotz der Länge und der vielen Nebenhandlungen liest sich "Das Monstrum – Tommyknockers" flüssig und überzeugt weniger durch eine originelle Handlung, als durch die Charakterisierungen und die Konflikte innerhalb der manipulierten Bewohner der Kleinstadt Haven. Es bereitet einfach schelmische Freude, sie bei ihren anfangs harmlosen, später mörderischen Querelen zu beobachten. Mitunter schwingt King den erhobenen Zeigefinger allzu aufdringlich. Dafür entschädigt das spannende Lesevergnügen und präsentiert einen unverblümt schreibenden Stephen King, der mit ironischen Untertönen und allerlei Seitenhieben auf die amerikanische Gesellschaft nicht spart.
Originaltitel: The Tommyknockers
Autor: Stephen King
Veröffentlichungsjahr: 1987 (USA), 1988 (deutsche Übersetzung)
Seitenanzahl: 877 Seiten (Taschenbuchausgabe)
Verlag: Erstmals erschienen bei "Hoffmann und Campe"
TV-Miniserie "Tommyknockers – Das Monstrum"
Wie fast jedes andere King-Werk auch, wurde dieses verfilmt. 1993 produzierte der Regisseur John Power (kein Pseudonym!) fürs Fernsehen die Mini-Serie "Tommyknockers – Das Monstrum" (im Original "The Tommyknockers"). Dabei konnte er auf die TV-Haudegen Jimmy Smits ("NYPD Blue", "Dexter") als Jim Gardener sowie Marg Helgenberger (unter anderem durch "CSI" und Horrorfans dank "Species" bekannt) als Bobbi Anderson gewinnen. Die ehemalige Ruckeldarstellerin Traci Lords ist in einer Nebenrolle als - Überraschung! - verführerisches Luder zu bewundern.
Die Kritiken für das dreistündige Epos waren eher verhalten. Einerseits hielt sich der Film nahe an die Vorlage und war mit hochkarätigen Schauspielern besetzt, andererseits war das für eine TV-Mini-Serie typische geringe Budget deutlich erkennbar. Das Buch ist dem TV-Film unbedingt vorzuziehen. Ergänzend hierzu weiß der Streifen aber durchaus zu gefallen, solange man keine übertrieben hohen Erwartungen in ihn setzt. Es gibt eine Menge erheblich schlechterer King-Verfilmungen als "Tommyknockers – Das Monstrum".
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Bildquelle:
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(Horrorfilme: Nach wahrer Begebenheit oder frei erfunden?)