Die verschiedenen Modalitäten der außersinnlichen Wahrnehmung

Die Parapsychologie unterscheidet zwischen verschiedenen Modalitäten der außersinnlichen Wahrnehmung, nämlich Hellsehen, Präkognition und Retrokognition sowie Telepathie.

  • Hellsehen ist das Erhalten von Informationen über Begebenheiten oder Ereignisse an entfernten Orten, also das Sehen, was zur selben Zeit an anderen Orten geschieht. Dabei muss beachtet werden, dass die Informationen beim Hellsehen von einer äußeren physikalischen Quelle stammen und nicht durch die Psyche einer anderen Person beeinflusst werden.
  • Präkognition ist das Empfangen oder Wahrnehmen von Informationen über zukünftige Ereignisse, bevor sie eintreten, wobei zum Zeitpunkt der Voraussicht kein rationales Wissen über die zukünftigen Ereignisse zur Verfügung stand. Die Voraussicht konnte also nicht aus den Möglichkeiten der Vergangenheit oder Gegenwart abgeleitet werden.
  • Retrokognition ist die in die Vergangenheit gerichtete Form der Präkognition, also die "Nachhersage" eines Ereignisses oder Sachverhaltes aus der Vergangenheit, ohne dass über dieses Ereignis zum Zeitpunkt des Zurücksehens rationales Wissen vorhanden gewesen wäre. Bei der Retrokognition geht es mit anderen Worten um das Wissen über ein vergangenes Ereignis, das "auf normalem Wege" nicht hätte in Erfahrung gebracht werden können, das somit auch nicht das Resultat von Schlussfolgerungen war, die aus bestimmten Informationen hätten gezogen werden können. Und zwar erleben bei der Retrokognition die Betroffenen einstige Ereignisse und Situationen so lebendig, als seien sie in die Vergangenheit zurückversetzt worden. Genau genommen kann man Präkognition und Retrokognition als besondere Formen des Hellsehens betrachten.
  • Telepathie ist die Fähigkeit, Gedanken, Ideen, Motive, Wünsche oder Empfindungen gefühlsmäßig von sich auf eine andere Person zu übertragen oder von einer anderen Person zu empfangen, wobei die "Botschaften" jeweils vom Empfänger in Worte gefasst werden. Deshalb kann man hier auch von Gedankenübertragung oder Gedankenlesen sprechen. Telepathie ist also eine rein geistige Form der Informationsübermittlung, und sie scheint unabhängig von der räumlichen Entfernung zu funktionieren. Ein bekanntes Beispiel ist die spontane Telepathie zwischen gefühlsmäßig eng verbundenen Menschen, wenn einer von ihnen in eine existenzielle Gefahr gerät.

Die Zwei-Welten-Theorie

In diesem Abschnitt möchte ich den Versuch des emeritierten Professors für Ingenieurwissenschaften Franz Moser vorstellen, das Phänomen der außersinnlichen Wahrnehmung naturwissenschaftlich zu erklären.

Und zwar ist hier die nachträgliche experimentelle Bestätigung der Richtigkeit der Quantentheorie durch den französischen Physiker Alain Aspect im Jahr 1982 von besonderer Bedeutung. Denn bei diesem Experiment hat sich herausgestellt, dass zwischen zwei sehr weit voneinander entfernten Teilchen eine instantane, also augenblickliche, Informationsübertragung stattfindet, und diese Erkenntnis hat erhebliche Konsequenzen. Wenn es nämlich eine instantane Verbundenheit über jede auch noch so große Entfernung gibt, dann gibt es weder Raum noch Zeit! Wenn es aber die Zeit nicht gibt, dann gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft – nur Gegenwart. Ohne Zeit gibt es aber auch keine Ursache/Wirkungsbeziehung, also keine Kausalität.

Für Moser folgt daraus eine Zwei-Welten-Theorie. Demnach leben wir in einer biologische Wirklichkeit mit vier Dimensionen in Raum und Zeit und mit Kausalität. Aber daneben gibt es noch eine andere – multidimensionale – Wirklichkeit, in der u.a. Nicht-Lokalität (Raumlosigkeit), Synchronizität (Zeitlosigkeit) und Akausalität (keine Ursache/Wirkungsbeziehung) herrschen.

In diesem Zusammenhang muss für Moser davon ausgegangen werden, dass alles Sein Bewusstsein ist und dass sich Bewusstsein wiederum aus Energie und Information zusammensetzt. Speziell das menschliche Bewusstsein, die Psyche, besteht – Moser bezieht sich hier auf die Vorstellungen des Psychoanalytikers C.G. Jung - aus dem ICH, dem Selbst-Bewusstsein, dem persönlichen Unbewussten und dem kollektiven Unbewussten, in dem sich die Bewusstseinsanteile aller Menschen treffen. Demzufolge gibt es also Materiebewusstsein und Humanbewusstsein. Und entsprechend der Trennung in zwei Wirklichkeiten gliedert sich das menschliche Bewusstsein auf in zwei unterschiedliche Bewusstseinszustände bzw. Bewusstseinsfelder, wobei – so die weitere Annahme - das ICH und das Selbstbewusstsein als Wachbewusstsein in der biologischen Wirklichkeit verharren, während die übrigen Anteile der Psyche immer in der zeit- und raumlosen Energie-Bewusstseins-Realität verbleiben.

Wir Menschen sind also immer in beiden Welten gegenwärtig. Aber da sich die beiden Wirklichkeiten in ihrem Bezug auf Raum und Zeit und hinsichtlich der Bewusstseinszustände, die mit ihnen verbunden sind, unterscheiden, gibt es hier unterschiedliche Formen der Wahrnehmung. Das heißt: Außersinnliche Wahrnehmungen spielen sich in der zeit- und raumlosen Energie-Bewusstseins-Realität ab.

Die Rolle des menschlichen Geistes

Im Folgenden soll die Vorstellung, dass ein enger Zusammenhang besteht zwischen der Existenz zweier Wirklichkeiten bzw. Bewusstseinszustände und dem Auftreten außersinnlicher Wahrnehmungen, aus der Perspektive einer Verbindung von Parapsychologie und Philosophie betrachtet werden, wie sie der Philosoph Peter Möller anstrebt.

Danach existieren Raum und Zeit nicht unabhängig vom menschlichen Geist, stellt die Trennung von Geist und Materie, von Subjekt und Objekt, von Ich und Du, nichts Absolutes dar. Speziell die Telepathie erscheint aus diesem Blickwinkel als die spontane oder gezielte Überwindung der Trennung von zwei nichträumlichen und nichtmateriellen individuellen Bewusstseins, die in einer anderen Wirklichkeit Teile eines Weltbewusstseins sind, die also eigentlich ein und dasselbe Bewusstsein sind. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass in der Telepathie ihr "Normalzustand" zum Ausdruck kommt.

Die Abhängigkeit der Phänomene Raum und Zeit vom menschlichen Geist bedeutet ferner, dass man Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit nicht als etwas Objektives, sondern als etwas Subjektives ansehen sollte, als Abstraktion unseres Verstandes. Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet dies, dass alle Erlebnisse und Erfahrungen, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen, gleichzeitig, quasi zeitlos vorhanden sind, dass sie uns nur in unterschiedlichen Erlebnisformen bewusst sind. Nicht die objektiven Zustände ändern sich demnach, sondern die subjektiven Bewusstseinsinhalte. Vor diesem Hintergrund erscheinen Präkognition und Retrokognition, die beiden in die Zukunft und in die Vergangenheit gerichteten Formen des Hellsehens, als gar nicht mehr so ungewöhnlich.

Zur Bedeutung der (Geist-)Seele

In diesem Abschnitt geht es um die Betrachtung des Phänomens der außersinnlichen Wahrnehmung aus theologischer Perspektive. Ich möchte hier Überlegungen des emeritierten Professors für Pädagogik und engagierten Christen Reinhold Ortner aufgreifen.

Und zwar wird hier der von Raum und Zeit unabhängige menschliche Geist als die - unsterbliche – (Geist-)Seele des Menschen beschrieben. Diese wird abgegrenzt vom Körper, von der Psyche, also auch von der "Seele" im psychologischen Sprachgebrauch, und von den "niederen" kognitiven Fähigkeiten des Menschen. Das heißt: "Höhere" kognitive Fähigkeiten, die dem ICH zugeschrieben werden, wie die Initiierung von Denkvorgängen, das Finden von Erkenntnissen, das Treffen von Entscheidungen, aber auch die Orientierung an Ethik und Moral sowie die Fähigkeit zu lieben, sind nach Meinung Ortners Ausdruck des Wirkens der (Geist-)Seele. So gesehen ist die (Geist-)Seele Trägerin des ICH des Menschen und wahrt dessen Ich-Identität über den Tod hinaus. Sie ist das geistige Lebensprinzip im Menschen. Was den Ursprung der (Geist-)Seele betrifft, so muss sie Ortner zufolge als ein Geschenk Gottes betrachtet werden, mit dem Gott den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnen will. Mehr noch werde mit der (Geist-)Seele jedem Menschen die Gottesebenbildlichkeit geschenkt.

Im Hinblick auf das Phänomen der außersinnlichen Wahrnehmung ist die Aussage von besonderer Bedeutung, dass sich die Seele zeitweise vom Körper löst und dass sie dann eigene, vom Körper unabhängige außersinnliche Wahrnehmungsfähigkeiten besitzt. Hier wird also der Seele die Fähigkeit zur außersinnlichen Wahrnehmung zugeschrieben. In diesem Zusammenhang nimmt Ortner auch Bezug auf die verschiedenen Formen des Hellsehens, und er erklärt diese damit, dass die Fähigkeit oder Veranlagung eines Menschen diesem ermöglicht, bei vorübergehender körperlicher Ungebundenheit seiner (Geist-)Seele zukünftiges (oder vergangenes Geschehen) zu erkennen. Man könnte auch sagen, dass die Seele die außergewöhnlichen Wahrnehmungsfähigkeiten, die sie bei ihrer vorübergehenden Trennung vom Körper besitzt, unter bestimmten Bedingungen auf den Menschen, dessen ICH sie ist, überträgt.

Schlussfolgerungen

Außersinnliche Wahrnehmung ist eine Fähigkeit des Menschen, die von der Wissenschaft mit der Existenz einer anderen Wirklichkeit in Verbindung gebracht wird, in der die "normalen" Gesetze der Physik nicht gelten, in der es also weder Raum noch Zeit gibt. Diese andere Wirklichkeit - die verborgene Hintergrundrealität - wird gemeinhin beschrieben als ein umfassendes Bewusstsein, ein Weltbewusstsein, und jeder Mensch ist – so die weitere Annahme – über sein individuelles Bewusstsein mit diesem umfassenden Bewusstsein verbunden. Als gläubiger Mensch könnte man aber auch vom "göttlichen Urgrund alles Seins" sprechen, mit dem der Mensch über seine unsterbliche Seele verbunden ist.

Und aufgrund seiner Verbindung mit dem umfassenden Bewusstsein bzw. dem göttlichen Urgrund schlummert in jedem Menschen die Fähigkeit zur außersinnlichen Wahrnehmung. Zu Lebzeiten ist diese Fähigkeit zwar normalerweise blockiert, weil der Mensch sonst – wie es Michael Nahm in seinem Buch über Terminale Geistesklarheit geschildert hat – durch die Vielzahl an Eindrücken, die er durch die außersinnliche Wahrnehmung erhalten würde, überfordert wäre. Aber auch zu Lebzeiten geraten Menschen immer wieder in Situationen, in denen es zu einer - temporären - Ablösung der Seele vom Körper kommt und folglich die begrenzte Wahrnehmungsfähigkeit der normalen Sinnesorgane durch die unbegrenzte außersinnliche Wahrnehmungsfähigkeit der Seele ersetzt wird, so dass sie Zugang zum umfassenden Bewusstsein, zum göttlichen Urgrund, erhalten.

Hier geht es zum einen um den Umstand, dass Menschen während einer tiefen Bewusstlosigkeit außersinnliche Erfahrungen machen, wie es für Nahtoderlebnisse typisch ist, und zum anderen um die Beobachtung, dass Menschen auch im Wachzustand über die Fähigkeit zu außersinnlicher Wahrnehmung verfügen, was in den verschiedenen Formen des Hellsehens und in der Telepathie zum Ausdruck kommt.. Letztere werden oft mit einer besonderen Begabung oder Veranlagung des hellsichtigen Menschen in Verbindung gebracht. Hellsichtige Menschen scheinen also aufgrund einer besonderen Begabung oder Veranlagung in der Lage zu sein, die Grenzen, die ihrem Wachbewusstsein gesetzt sind, zu überschreiten und damit die Barriere, die unsere Alltagswelt von ihrer Hintergrundrealität trennt, zu durchdringen. Man fühlt sich hier unwillkürlich erinnert an die von Michael Nahm geschilderten Fälle von außerordentlichen Inselbegabungen, die sogenannten Savants, die trotz oder vielleicht gerade aufgrund anderweitiger geistiger Einschränkungen scheinbar Zugang zur Hintergrundrealität haben.

Wir "Normalsterblichen" können versuchen, durch Meditation, d.h., Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen, der zeit- und raumlosen Energie-Bewusstseins-Realität näherzukommen. Unter Umständen genügt hier schon die starke Konzentration auf einen Gegenstand oder ein Bild. Auf jeden Fall kann man dadurch seine Wahrnehmungsfähigkeiten schärfen, auch wenn man vielleicht nicht sofort zum Hellseher wird.

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