"Zen of Traffic"

"Zen of Traffic", das Autofahren als spirituelle Übung: Inspiriert wurde dieser Beitrag vom Kapitel "Zen of Traffic" in Tosha Silvers Buch Outrageous Openness: Letting the Divine Take the Lead

(In deutscher Übersetzung: Unverschämt optimistisch: Warum wir grenzenlos vertrauen dürfen.) 

Achtsamkeitskurs für Autofahrer: Die wichtigsten 10 Lektionen

Vorbereitung: Musik bzw. Radio ausschalten!

Achtsamkeit bedeutet: Auf die Geräusche der Umgebung zu lauschen und diese einfach nur wahrzunehmen, ohne sie als angenehm oder unangenehm zu bewerten. 

Meditationsexperte und Autor Noah Elkrief beschreibt in seinem empfehlenswerten Buch A Guide to The Present Moment, wie er durch lange Meditationspraxis und Achtsamkeitstraining eines Tages sogar eine Autohupe als schönes, beglückendes Geräusch empfinden konnte!

Lektion 1: Mitgefühl

Wichtigste Grundregel für Anfänger und Fortgeschrittene: Die zentrale Praxis des Buddhismus ist das Mitgefühl – und das gilt für alle Mitstreiter, nicht zuletzt auch für sich selbst!

"Irren ist menschlich", heißt es sehr zutreffend. Ja, wir sind alle nur Menschen. Und Menschen sind nicht perfekt. Jeder – wirklich jeder – macht hin und wieder mal einen Fehler. Jeder ist mal ungeduldig, genervt, ärgerlich oder hat schlechte Laune. Deshalb hat auch jeder von uns etwas Mitgefühl verdient.

Lektion 2: Metta praktizieren

Im Buddhismus hat die Praxis der liebenden Güte (Metta) eine besondere Bedeutung. Wie sie funktioniert? - Ganz einfach: Man schickt anderen Verkehrsteilnehmern (und sich selbst) bewusst gute Wünsche. Das soll manchmal sogar wahre Wunder bewirken können!

Die traditionelle Metta-Formel "Mögest du in Sicherheit leben" lässt sich auch im Straßenverkehr gut verwenden: "Ich wünsche dir, dass du sicher an dein Ziel kommst."

Lektion 3: Geduld

Eine echte Herausforderung auch noch für fortgeschrittene Verkehrsteilnehmer und Achtsamkeitsexperten: Sich in Geduld üben! An roten Ampeln, im Stau, hinter langsamen Autofahrern oder Fahrrädern, ...

Geduld ist ein wichtiger Bestandteil der Achtsamkeitspraxis. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Hingabe an den Augenblick, an das zeitlose Jetzt.

Übrigens schätzen nicht nur die Buddhisten die "alte" Tugend der Geduld: Ein Geduldiger ist besser denn ein Starker, so heißt es auch in der Bibel.

Lektion 4: Akzeptanz

Achtsamkeit bedeutet: Ich akzeptiere den gegenwärtigen Moment, so wie er jetzt ist. Ohne ihn zu beurteilen oder zu bewerten. Ich akzeptiere andere Menschen, so wie sie sind. Ich kann den Straßenverkehr und die Reaktionen meiner Mitmenschen nicht kontrollieren – oder zumindest nur sehr bedingt. Auch den Fluss des Lebens kann ich nur sehr bedingt kontrollieren.

Daran erinnert uns eine eher unpopuläre Tugend, die aber erstaunlich viel Positives bewirken kann, und die sich durchaus trainieren lässt: Die Demut.

Lektion 5: Toleranz und Großzügigkeit

Jeder weiß, wie schwierig es sein kann, sich nicht zu ärgern, wenn einem ein anderer einfach die Vorfahrt nimmt oder den freien Parkplatz vor der Nase wegschnappt. Doch auch das ist Achtsamkeit: Toleranz und Gleichmut praktizieren. Die Dinge gelassen nehmen und anderen gegenüber auch mal großzügig sein.

Lektion 6: Präsent sein

Was vor allem zählt: Der gegenwärtige Moment. Das Jetzt. Das bedeutet: Aufmerksam sein, bewusst, konzentriert, entspannt und präsent.

Was nehme ich gerade wahr? Was sehe ich? Was höre ich? Was rieche ich? Wie fühlen sich meine Füße an, wie liegen meine Hände auf dem Lenkrad? Wie kann ich meinen Körper spüren? Was empfinde ich gerade?

Lektion 7: Ampelmeditation

Selbst die Meditationspraxis muss beim achtsamen Autofahren nicht zu kurz kommen – wozu gibt es schließlich Ampeln? Achtsamkeitsprofis schwören auf die Ampelmeditation. Jede rote Ampel bietet die Gelegenheit für eine kurze Auszeit. Das bedeutet: Verspannungen wahrzunehmen und den Körper dann bewusst zu entspannen. Die Hände weicher ums Lenkrad legen, die Schultern lockern, die Zehen sanft bewegen, die Fußsohlen spüren, … Tief durchatmen!

Es versteht sich von selbst: Vor einer roten Ampel sollte man nicht mit geschlossenen Augen meditieren. Sondern ganz im Gegenteil: Achtsamkeit heißt, aufmerksam zu sein, ganz wach und offen für alles, was gerade an Eindrücken da ist.

Lektion: 8: Konzentration

Wer achtsam lebt, der führt jede Tätigkeit mit voller Konzentration aus: Lenkrad, Kupplung, Gas, Bremse und Schaltung werden bewusst betätigt, dabei schweifen die Gedanken möglichst wenig ab. So erreicht man genau das, was auch Ziel jeder Meditation ist: Überflüssige Gedanken finden weniger Raum, um sich auszubreiten und Aufmerksamkeit einzufordern.

Lektion 9: Neue Wege gehen bzw. fahren

Buddhisten schätzen "the freshness of every moment", die Frische jedes neuen Augenblicks: Ja, es lohnt sich, auch ab und an mal neue Wege zu gehen bzw. zu fahren. Eine unbekannte Route zu wählen oder aber – für echte Achtsamkeitsprofis! - altbekannte Strecken mit neuen Augen zu sehen.

Wie würde es sich zum Beispiel anfühlen, ein Tourist im eigenen Wohnort zu sein?

Wie würde man die eigene "langweilige" Strecke zur Arbeit mit den Augen eines Außerirdischen sehen, der noch nie zuvor die Erde besucht und die bunte kuriose Welt der Menschen erlebt hat?

Lektion 10: Auf die Kleinigkeiten am Wegrand bzw. am Straßenrand achten

Wer achtsam lebt, der nimmt auch die berühmten Kleinigkeiten am Wegrand bzw. am Straßenrand wahr. Also: Augen auf und mal etwas genauer hingucken! Aber bitte nur dann, wenn sich wirklich Zeit und Gelegenheit bieten und man nicht das Risiko eingeht, beim Autofahren abgelenkt zu werden. Der nächste Verkehrsstau sollte also eine willkommene Möglichkeit zum Üben sein!

Schon gewusst? - Das "kleine Grün am Straßenrand" wird Straßengrün genannt. Und für den Naturschutz kann es eine ganz wesentliche Rolle spielen!

Ob begrünte Gehwegplatten, Straßenränder, Verkehrsinseln, Kreuzungen oder schmale Grünstreifen: All jene kleinen Grünflächen können wichtige Rückzugsräume für seltene Tier- und Pflanzenarten sein. Während auf dem Land ungedüngte Wildblumenwiesen immer seltener werden, finden u.a. Margeriten, Wiesensalbei, die Kuckucks-Lichtnelke, der Sauerampfer oder das Johanniskraut mitten in der Stadt eine neue Heimat.

Grundstufe gemeistert? Dann wird es Zeit für den nächsten Level!

Achtsamkeit für Fortgeschrittene und Experten bedeutet: Mit Hindernissen und Herausforderungen souveräner und gelassener umgehen lernen.

Keine Sorge, das Leben ist da auch ganz und gar nicht geizig, denn Hindernisse und Herausforderungen bietet es uns im Straßenverkehr jede Menge: Einen zeitraubenden Stau, zum Beispiel, oder unerwartete Straßensperrungen, verwirrende Umleitungen, ...

Viele gute Gelegenheiten, um sich in Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu üben!

Tosha Silver betont im Kapitel "Zen of Traffic": Wichtig ist das Vertrauen, dass genug für alle da ist und jeder irgendwann zum Zug kommt. Es gibt genug Lücken im Verkehr und genug Möglichkeiten, um sich einzufädeln. Irgendwann wird die Fahrbahn wieder frei sein und jeder hat die Chance, mit ein wenig Geduld (siehe oben!) einen geeigneten Parkplatz zu finden.

Die schöne Nebenwirkung des achtsamen Autofahrens: Nicht nur weniger Frust, Ärger und Energieverschwendung, mehr Gelassenheit und Entspannung - sondern auch weniger Verkehrsunfälle! Es lohnt sich also.

Michaela, am 12.07.2017
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