Ein unglücklicher Austragungsmodus

Für die Weltmeisterschaft 1950 war Deutschland noch gesperrt; insgesamt qualifizierten sich 16 Mannschaften. Drei Mannschaften traten jedoch nicht an.

Nachdem die Turniere 1934 und 1938 im reinen K.o.-System gespielt worden waren, wurde die Weltmeisterschaft 1950 ohne K.o.-Spiele ausgetragen. Es wurden zunächst vier Vorgruppen zusammengestellt, deren Gruppensieger sich dann für die Finalrunde qualifizierten. Auch die Finalrunde wurde im Gruppenmodus ausgetragen, so dass es auch kein wirkliches Endspiel gab. Eine unglückliche Entscheidung; ein ähnliches Austragungssystem hat es danach nie wieder gegeben.

Der Verlauf der Vorrunde - mit der ersten Sensation

Erstmals war England bei einer Weltmeisterschaft dabei. Der selbsternannte WM-Favorit trat mit allen Stars an, und deshalb waren sich die Profis von der Insel sicher, das Turnier zu gewinnen. Doch es sollte anders kommen: Gegen den Fußballzwerg aus den USA setzte es eine 0:1-Niederlage - eine der größten Sensationen in der Geschichte des Weltfußballs, die lediglich mit der Niederlage Italiens gegen Nordkorea 1966 vergleichbar ist. Und nachdem auch das Spiel gegen den späteren Gruppensieger Spanien mit 0:1 verloren ging, mussten die hochgewetteten Profis wieder die Heimreise antreten - England als Mutterland des Fußballs war bis auf die Knochen blamiert.

In den übrigen Gruppen blieben große Überraschungen aus. Brasilien gewann seine Gruppe mühelos, auch wenn es gegen die Schweiz nur zu einem 2:2 gereicht hatte. Noch leichter hatte es Uruguay, die nur ein einziges Gruppenspiel austragen mussten: Die in dieser Gruppe vorgesehenen Mannschaften aus Schottland und der Türkei hatten vor dem Turnier ihre Teilnahme abgesagt. Der verbleibende Gruppengegner Bolivien wurde mit einem 8:0 nach Hause geschickt.

Auch die Gruppe mit Schweden und Italien war nicht vollständig; Indien hatte ebenfalls zurückgezogen, so dass in dieser Gruppe nur drei Mannschaften vertreten waren. Dass Titelverteidiger Italien in der Vorrunde ausschied, war keine Überraschung, da ein Jahr zuvor die halbe Nationalmannschaft bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war.

Die Finalrunde - mit dem sensationellen Schlussakkord und vier Toten

Als Gruppensieger hatten sich neben Brasilien auch Spanien, Schweden und Uruguay für die Finalrunde qualifiziert. Brasilien schlug zunächst Spanien und schieden klar mit 6:1 und 7:1; Uruguay spielte 2:2 gegen Spanien und bezwang Schweden mit 3:2. Das Duell der beiden europäischen Mannschaften um Platz drei gewannen die Skandinavier mit 1:3.

Und so gab es doch noch ein "echtes" Finale: In Rio de Janeiro traf Uruguay auf Brasilien. Um Weltmeister zu werden, musste Uruguay gewinnen, Brasilien hätte schon mit einem Unentschieden das Turnier gewonnen. Mehr als 200.000 Zuschauer im wollten im völlig überfüllten Maracana-Stadion von Rio de Janeiro den sicher geglaubten Titelgewinn feiern. Zunächst ging Brasilien kurz nach der Pause auch mit 1:0 in Führung. Doch nach etwa einer Stunde fiel zum Entsetzen der Zuschauer der Augleich, und als in der 79. Minute das 2:1 für Uruguay fiel, herrschte in dem riesigen Stadion Totenstille.

Bei den Aufräumarbeiten wurden nach dem Spiel vier Tote aufgefunden. Drei Menschen waren einem Herzinfarkt erlegen, ein Zuschauer hatte Selbstmord begangen, indem er sich von der Tribüne gestürzt hatte. Der 16. Juli 1950 gilt als einer der bittersten Tage der brasilianischen Geschichte - auch wenn es nur ein Fußballspiel war. Bis zu diesem Spiel waren die Brasilianer immer in weißen Trikot ausgelaufen - nach diesem Spiel nie wieder.

Bis zu seinem Tode im Jahr 2000 wurde vor allem Torwart Barbosa für die Niederlage verantwortlich gemacht, da er bei dem entscheidenden Gegentreffer unglücklich ausgesehen hatte.

Im Jahr 2000 sagte Barbosa in einem Interview sinngemäß: "In Brasilien sieht das Gesetz 30 Jahre Haft für einen Mord vor. Aber ich werde bis heute für ein Verbrechen verantwortlich gemacht, das ich noch nicht einmal begangen habe."

Alcides Ghiggia erzählte später zu dem Moment, in dem er das entscheidende Tor erzielte: "Es gibt nur drei Menschen, die das Maracana-Stadion zum Schweigen gebracht haben: Der Papst, Frank Sinatra und ich."

Das Spiel wird in Brasilien noch heute "Maracanaço" (auf Deutsch etwa "Schock von Maracana") bezeichnet. Das Spiel gilt als schlimmste Niederlage des brasilianischen Fußballs, nur vergleichbar mit der 1:7-Niedelage gegen Deutschland bei der Heim-WM 2014, die als "Mineiraço" ("Schock von Mineirão") bezeichnet wird.

Kettenhund, am 25.07.2018
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Bildquelle:
Bild: freestockgallery.de (Wendepunkte der Geschichte – was wäre gewesen, wenn?)

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