Geringes Zuschauerinteresse

Wegen des schweren Erdbebens, das Chile 1960 erschüttert und weite Teile des Landes verwüstet hatte, war im Vorfeld diskutiert worden, die Austragung des Turniers nach Argentinien zu verlegen. Manche hatten wegen dieser Situation im Gastgeberland bereits vor mangelndem Interesse an dem Turnier gewarnt - insbesondere während der Vorrundenspiele bewahrheiteten sich diese Befürchtungen.

Der Austragungsmodus - und ein böses Omen zu Beginn

Das Turnier begann bereits mit einer militaristisch geprägten Eröffnungsfeier - als hätte man schon vor dem ersten Spiel mit einem enttäuschenden, teilweise skandalösen Turnier gerechnet. 

 Wie 1958 nahmen 16 Mannschaften an dem Turnier teil, die in vier Gruppen die Viertelfinal-Teilnehmer ermittelten. Allerdings wurden bei Punktgleichheit keine Entscheidungsspiele um den Gruppenplatz zwei ausgetragen, sondern der Torquotient als Qualifizierungskriterium für das Viertelfinale herangezogen.

Die Gruppenspiele und die "Schlacht von Santiago"

Nachdem Vizeweltmeister Schweden bereits in der Qualifikation gescheitert war, schieden überraschend auch die hoch eingeschätzten Spanier, die in ihrer Gruppe Letzter wurden. 

Das Turnier war von Anfang an durch kompromisslosen Defensivfußball und teilweise brutale Härte gekennzeichnet. Die meisten Spiele wurden überhart geführt, was sich auch in den folgenden K.o.-Spielen fortsetzte. 

Das Vorrundenspiel zwischen Chile und Italien wurde später als "Schlacht von Santiago" bezeichnet und ging als eines der brutalsten Spiele bei einem WM-Turnier überhaupt in die Fußballgeschichte ein. Die Stimmung war vorher durch einen Artikel in einer italienischen Zeitung aufgeheizt worden, in dem Chile als "Kippe voller verlorener Frauen" bezeichnet worden war.

Es kam bereits auf dem Spielfeld zu Schlägereien zwischen den Spielern; einem Italiener wurde durch einen Schlag das Nasenbein gebrochen. Der Schiedsrichter stellte zwar zwei Italiener vom Platz, ließ aber die bösen Fouls der Chilenen ungeahndet..

Das Viertelfinale

Nach der Gruppenphase waren sechs europäische Mannschaften sowie Titelverteidiger Brasilien und Gastgeber Chile für das Viertelfinale qualifiziert.

Mit einer solchen Dominanz der europäischen Mannschaften hatte zuvor kaum einer gerechnet, doch südamerikanische Mannschaften wie Uruguay oder Argentinien bleiben hinter den Erwartungen zurück.

In dieser ersten K.o.-Runde scheiterten England (1:3 gegen Brasilien) und Deutschland (0:1 gegen Jugoslawien). Für Deutschland war dies eines der schwächsten Resultate bei einer Weltmeisterschaft.

Das Halbfinale

Lediglich knapp 6.000 Zuschauer interessierten dich für das rein europäische Spiel zwischen Jugoslawien und der Tschechoslowakei. Die Tschechoslowaken gewannen das Spiel glücklich mit 3:1.

Dagegen war das Halbfinalspiel zwischen Brasilien und Chile das einzige ausverkaufte Spiel des Turniers. Brasilien setzte sich verdient mit 4:2 gegen den Gastgeber durch. Kurz vor Spielende wurde Garrincha vom Platz gestellt, danach aber für das Finale begnadigt.

Die Finalspiele

Spiel um Platz 3

Das "kleine Finale" zwischen Jugoslawien und Chile endete mit einem 1:0 - Sieg des Gastgebers. Der dritte Platz bei dieser WM stellte für Chile die bis dahin beste Platzierung bei einem WM-Turnier dar.

 

Das Endspiel

Brasilien traf auf die Tschechoslowakei und verteidigte seinen Titel durch einen 3:1 - Sieg. Einer der Stars des Turniers wurde in diesem Spiel zur tragischen Figur: der tschechoslowakische Torhüter Vilam Schroif war bis dahin der beste Keeper des Turniers gewesen, hatte im Finale aber mit wesentlichen Anteil an der Niederlage seiner Mannschaft, als er bei zwei Toren patzte.

 

Taktische Neuerungen - zu Lasten der spielerischen Qualität

Nachdem in den Turnieren zuvor weitgehend offensiver Fußball dominierte, war die WM 1962 vom "Catenaccio" geprägt. Aufgrund der zunehmenden Kommerzialisierung und Professionalisierung des Fußballs zählte nur noch das Ergebnis. Und nachdem Pelé im zweiten Gruppenspiel der Brasilianer wegen einer Verletzung ausfiel, sank das spielerische Niveau des Turniers endgültig auf den Nullpunkt. 

Insgesamt gilt die Weltmeisterschaft in Chile als eines der (nicht nur) spielerisch schwächsten WM-Turniere, dass es überhaupt gegeben hat.

Kettenhund, am 26.07.2018
0 Kommentare Melde Dich an, um einen Kommentar zu schreiben.


Bildquelle:
Bild: freestockgallery.de (Wendepunkte der Geschichte – was wäre gewesen, wenn?)

Laden ...
Fehler!