Die Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien - die magische Nacht von Rom
Deutschland gelingt die Revanche für das 1986 verlorene WM - FinaleQualifikation und Austragungsmodus
Qualifikation
In den europäischen Qualifikationsrunden gab es mehrere Überraschungen: Zum einen waren Dänemark und Polen nicht bei dem Turnier dabei, die vier Jahre vorher trotz ihres frühen Ausscheidens für Furore gesorgt hatten. Größte Überraschung war aber sicherlich das Ausscheiden Frankreichs, das 1986 noch Dritter geworden war.
Mexiko hatte bei den Qualifikationsspielen für die Olympiade von Seoul 1988 die für dieses Turnier geltenden Altersgrenzen der teilnehmenden Spieler verletzt. Aus diesem Grunde war der mexikanische Verband für zwei Jahre suspendiert worden und durfte für die WM-Qualifikation keine Mannschaft stellen.
Austragungsmodus
Das Turnier wurde nach dem gleichen Reglement wie vier Jahre zuvor ausgetragen. Es nahmen 24 Mannschaften teil, die in sechs Vierergruppen gegeneinander spielten. Für das Achtelfinale qualifizierten sich die Gruppenersten und -zweiten sowie die vier besten Gruppendritten. So erreichten 16 Mannschaften das Achtelfinale, acht Mannschaften mussten vor Beginn der K.o.-Phase nach Hause fahren.
Die Gruppenspiele
In der Gruppe A setzten sich erwartungsgemäß Italien und die Tschechoslowakei durch. Spannend in dieser Gruppe wurde es nur im Spiel um den Gruppensieg zwischen den beiden Mannschaften, in dem den Tschechoslowaken ein reguläres Tor aberkannt wurde. Dennoch war der Gruppensieg der Italiener verdient.
In der Gruppe B gab es die erste handfeste Überraschung: Argentinien verlor gleich sein Auftaktspiel gegen den späteren Gruppensieger Kamerun mit 0:1. Als Dritter hinter Kamerun und Rumänien qualifizierte sich der Titelverteidiger dennoch knapp für das Achtelfinale. Vize-Europameister Sowjetunion, eigentlich ein Favorit für das Weiterkommen, blieb überraschend als Tabellenletzter auf der Strecke.
Erster der Gruppe C wurde erwartungsgemäß Brasilien. Dagegen überraschte Costa Rica mit zwei Siegen gegen Schottland und kam als Gruppenzweiter ins Achtelfinale. Schottland und Schweden schieden aus.
Deutschland gelang im ersten Spiel der Gruppe D ein fast perfektes Spiel gegen Jugoslawien (4:1). Nach einem 1:1 gegen Kolumbien und einem 5:1 gegen die Vereinigten Arabischen Emirate stand der Gruppensieg fest.
Zweiter der Gruppe wurde Jugoslawien, das den späteren Gruppendritten Kolumbien mit 1:0 besiegte. Die Vereinigten Arabischen Emirate schieden ohne Punkt und Tor erwartungsgemäß aus, während Kolumbien als Dritter der Gruppe ins Achtelfinale einzog.
Spanien gewann die Gruppe E und blieb dabei ungeschlagen. Dabei gelang ihnen auch ein 2:1-Sieg gegen Belgien, das bei der WM 1986 Vierter geworden war. Uruguay wurde hinter Belgien Gruppendritter und kam ebenfalls in die K.o.-Runde, während Südkorea nach drei Niederlagen ausschied.
Kurioses geschah In der Gruppe F: von sechs Gruppenspielen endeten fünf Spiele mit einem Unentschieden. Irland und die Niederlande kamen mit drei Remis in die K.o.-Runde, wobei Irland per Losentscheid Zweiter vor den Niederlanden zu werden.
Das einzige Spiel der Gruppe, das nicht unentschieden endete, gewann England gegen Ägypten. Dadurch wurden die Briten Erster und Ägypten Letzter dieser Gruppe.
Das Achtelfinale - mit zwei Fußball - Klassikern
Im Achtelfinalspiel kam es zwischen Kamerun und Kolumbien zu einem Aufeinandertreffen zweier echter Exoten. Kamerun hatte erst ein Mal bei einer WM teilgenommen (1982) und war dort nach der Vorrunde ungeschlagen ausgeschieden. Auch Kolumbien hatte bisher nur an einer WM teilgenommen (1962), war dort aber auch in der Vorrunde gescheitert.
In der Verlängerung erzielte Roger Milla innerhalb von zwei Minuten die Tore zur zwischenzeitlichen 2:0 -Führung, der Anschlusstreffer der Kolumbianer in der 115. Minute kam zu spät. Kamerun war damit die erste afrikanische Mannschaft, die ein Viertelfinale bei einer WM erreichte.
Im Spiel zwischen Rumänien und Irland fielen in der regulären Spielzeit und in der Verlängerung keine Tore. Nach Elfmeterschießen standen die Iren erstmals in einem WM-Viertelfinale.
England kam gegen Belgien durch ein Tor in der letzten Minute der Verlängerung mit 1:0 in die nächste Runde. Die Überraschungsmannschaft aus Costa Rica war gegen die Tschechoslowakei chancenlos.
Gastgeber Italien gewann gegen Uruguay und kam ebenso ins Viertelfinale wie Jugoslawien, das Spanien mit 2:1 nach Verlängerung bezwang.
Die Tschechoslowakei zog mit einem klaren 4:1 gegen die Überraschungsmannschaft aus Costa Rica in die K.o:-Runde ein.
Von besonderem Interesse war die Partie zwischen Brasilien und Argentinien. Brasilien zeigte zwar seine beste Turnierleistung, nachdem es in den Gruppenspielen noch ungewohnt defensiv aufgetreten war. Die Brasilianer konnten sich zwar viele Chancen erspielen, aber keine davon nutzen. So kam Argentinien glücklich durch ein spätes Tor von Caniggia auf Vorlage von Maradona weiter.
Auch im Spiel Deutschland gegen die Niederlande trafen zwei Erzrivalen aufeinander. In einer hochklassigen Partie setzten sich die Deutschen mit 2:1 durch, wobei Jürgen Klinsmann das wohl beste Spiel in seiner gesamten Nationalmannschaftskarriere machte.
Negativer Höhepunkt der Partie waren die Platzverweise gegen Frank Rijkaard und Rudi Völler. Der Niederlande hatte Völler angespuckt, dennoch flogen beide vom Platz. Später versöhnten sich die beiden Spieler, Völler wies mit einem Augenzwinkern später auf Rijkaard's "feuchte Aussprache" hin.
Klinsmann (51.) und Brehme (85.) brachten Deutschland mit 2:0 in Führung, den Niederlanden gelang eine Minute vor Schluss nur noch der Anschlusstreffer per Elfmeter.
Brehmes Tor für die Deutschen sollte das letzte Tor sein, das Deutschland während dieses Turniers aus dem Spiel heraus erzielte.
Das Viertelfinale
Gastgeber Italien besiegte Irland mit 1:0. Torschütze war der bis zu diesem Turnier völlig unbekannte Toto Scillaci.
Beim 1:0 - Sieg über die Tschechoslowakei bot Deutschland seine schlechteste Turnierleistung. Die Entscheidung fiel durch ein Elfmetertor von Lothar Matthäus. Während des Spiels zeigte Teamchef Beckenbauer immer wieder durch unmissverständliche Gesten, was er von der Spielweise seiner Mannschaft hielt - gar nichts.
Argentinien gewann nach Elfmeterschießen gegen Jugoslawien, wobei Torwart Goycochea zwei Elfmeter parierte und die Argentinier im Turnier hielt.
England schlug die Überraschungsmannschaft Kameruns mit 3:2. Dabei glich Gary Lineker zunächst die 2:1 - Führung Kameruns in der regulären Spielzeit per Strafstoß aus, bevor er mit seinem zweiten Elfmeter in der Verlängerung für das Weiterkommen der Engländer sorgte.
Die Halbfinalspiele und das Spiel um Platz drei - Gascoine's Tränen
Das Halbfinale
Erstmals seit 1970 trafen in den Halbfinalspielen vier Teams aufeinander, die schon einmal ein WM-Finale gewonnen hatten. Beide Spiele verliefen dramatisch und wurden erst im Elfmeterschießen entschieden.
Im ersten Spiel bekam es Argentinien mit Italien zu tun. Nach der regulären Spielzeit hatte es 1:1 gestanden und in der Verlängerung fielen keine weiteren Tore. Im folgenden Elfmeterschießen hielt Goycochea wiederum zwei Elfmeter der Italiener und sicherte Argentinien damit den Finaleinzug.
Ähnlich dramatisch ging es auch im Halbfinale zwischen Deutschland und England zu. Nach der regulären Spielzeit stand es 1:1 und nach torloser Verlängerung ging es ins Elfmeterschießen, das Deutschland nach zwei Fehlschüssen der Engländer gewann.
Bis heute bleibt auch das Gesicht des weinenden Gascoigne in Erinnerung. Nach einem Foul bekam er die gelbe Karte, womit ihm schon während des Spiels klar war, dass er nicht am Finale dabei sein würde - egal, welche Mannschaft dieses Halbfinalspiel gewinnt.
Das Spiel um Platz drei
Nach torloser erster Hälfte dingen die Italiener zunächst in Führung ehe England in der 81. Minute zum Ausgleich kam. Doch vier Minuten vor Schluss verwandelte Scillaci einen Elfmeter zum 2:1 und wurde damit auch Torschützenkönig des Turniers.
Das Finale - mit umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen
Zum ersten Mal gab es bei einer Weltmeisterschaft die gleiche Finalpaarung wie im Turnier zuvor. Da bei den Argentiniern vier Spieler gesperrt waren, spielten sie von Beginn an extrem defensiv, um ein Elfmeterschießen zu erreichen. Schließlich hatte Goycochea im Viertel- und Halbfinale insgesamt vier Elfmeter gehalten und sich so den Ruf eines "Elfmeter-Killers" erworben.
Während des ganzen Spiels kam Argentinien zu keiner einzigen Torchance. Maradona gelang es kaum, sich der Manndeckung von Guido Buchwald zu entziehen und kam deshalb nicht ins Spiel.
Deutschland wiederum nutze seine Chancen nicht. Aber nachdem Völler sich in der 85. Minute nach einem Zweikampf im Strafraum fallen ließ, entschied der Schiedsrichter auf Elfmeter. Diesen verwandelte Brehme sicher zum Sieg.
Derr Elfmeter selbst war höchst umstritten, von vielen wurde er als Konzessionsentscheidung betrachtet. Denn einige Minuten zuvor war Augenthaler ein klarer Elfmeter verweigert worden.
Nach dem Tor verloren die argentinischen Spieler teilweise die Nerven. Nachdem schon in der 65. Minute der Argentinier Monzon nach einem brutalen Foul an Klinsmann die rote Karte gesehen hatte, flog in der 87. Minute auch Dezotti nach einer Tätlichkeit vom Platz.
Trotz des Zustandekommens der Entscheidung des Spiels gab es keinen Zweifel, dass der Sieg der deutschen Mannschaft hochverdient war.
Was auch in Erinnerung bleiben wird: Franz Beckenbauer nach der Medaillenvergabe allein in Gedanken auf dem Platz, weit entfernt von den jubelnden Spielern. Er war nach dem Brasilianer Zagalo der zweite Fussballer, der sowohl als Spieler als auch als Trainer den WM-Titel gewann.
Bildquelle:
Bild: freestockgallery.de
(Wendepunkte der Geschichte – was wäre gewesen, wenn?)