Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika - unerfüllte Träume
Die erste WM auf dem afrikanischen Kontinent - der erhoffte Schwung für die Wirtschaft bleibt ausRegeländerungen und Qualifikation
Zwei neue Regeln
Die FIFA modifizierte die Regelungen für die Sperren nach gelben Karten. Nunmehr werden alle Gelben Karten nicht mehr nach der Vorrunde, sondern erst nach dem Viertelfinale gestrichen.
Außerdem wurden die Regeln zur Ausführung von Elfmetern geändert; der Spieler durfte nur noch den Anlauf, aber nicht mehr den Schuss verzögern.
Qualifikation
Große Überraschungen blieben bei der Qualifikation aus. Allerdings trat Australien nicht im Ozeanien-Verband, sondern im asiatischen Verband zur WM-Qualifikation an. Dadurch wurde der Weg für Neuseeland frei, das damit nach 1982 zum zweiten Mal bei einer WM dabei war.
Erstmals überstand die Slowakei als eigenständiges Land die Qualifikation; Belgien und Polen blieben auf der Strecke.
Die Gruppenspiele - Desaster für Afrika
Die Gruppenphase endete für die afrikanischen Mannschaften mit einer bitteren Pleite. Schon vor der K.o.-Phase war für fünf der sechs afrikanischen Vertreter die WM zu Ende.
Die Gruppe A verlief etwas unerwartet. Uruguay wurde ohne Gegentor Erster, während Frankreich sich als Gruppenletzter blamierte und mit nur einem erzielten Tor ausschied. Südafrika wurde aufgrund der schlechteren Tordifferenz nur Dritter hinter Mexiko, war allerdings in seiner Gruppe auch von vornherein nur Außenseiter.
Argentinien blieb in der Gruppe B ohne Punktverlust. Südkorea wurde Zweiter vor Griechenland; Nigeria blieb ohne Sieg und enttäuschte als Gruppenletzter.
Daraufhin löste der nigerianische Staatspräsident den nigerianischen Fußballverband auf und verschiedenen Verbandsfunktionäre wegen Bestechlichkeit zur Rechenschaft zu ziehen. Ziel war der Neuaufbau der nigerianischen Mannschaft, deshalb wurde der Rückzug Nigerias von allen Turnieren der nächsten zwei Jahre angekündigt. Die FIFA verwies auf ihre Bestimmungen der staatlichen Mitbestimmung, setzte ein Ultimatum zur Rücknahme dieser Beschlüsse und drohte mit einer Suspendierung Nigerias. Kurz vor Ablauf des Ultimatums wurden die Pläne zurückgezogen.
Die USA gewann völlig überraschend die Gruppe C vor England aufgrund der mehr geschossenen Tore. Algerien schied als Gruppenletzter ohne eigenes Tor aus. Slowenien wurde Dritter, hätte im letzten Spiel mit einem Sieg über England das Achtelfinale erreichen können.
Keine Überraschungen gab es in Gruppe D, in der Deutschland Erster und Ghana Zweiter wurde. Serbien und Australien schieden aus; Ghana sollte die einzige afrikanische Mannschaft sein, die das Achtelfinale erreichte.
In Gruppe E setzten sich die Niederlande wie erwartet als Gruppenerster mit drei Siegen durch. Zweiter wurde überraschen Japan, während die höher eingeschätzten Kameruner als Gruppenvierte ohne Punktgewinn nach Hause fahren mussten.
Eine faustdicke Überraschung gab es in Gruppe F: Titelverteidiger Italien schied als Gruppenletzte aus. Ganz bitter erging es dabei den Neuseeländern: Nach drei Unentschieden war Schluss, obwohl die Mannschaft ungeschlagen blieb. Gruppensieger wurde Paraguay vor der Slowakei.
Viel Spannung versprach die Gruppe G, in der Portugal, Brasilien und der Elfenbeinküste aufeinandertrafen. Der krasse Außenseiter Nordkorea blieb erwartungsgemäß chancenlos und wurde ohne Punktgewinn Letzter. Allerdings sorgten sie für eine kleine Überraschung, als sie den Brasilianern nur mit 1:2 unterlagen. Gegen Portugal setzte es dann eine 0:7-Niederlage. Portugal spielte in seinen anderen zwei Partien 0:0 und wurde Gruppenzweiter hinter Brasilien. Die Ivorer schieden als Gruppendritte aus.
In Gruppe H gab es das erwartete Ergebnis: Spanien setzte sich als Erster vor Chile durch; die Schweiz wurde mit nur einem erzielten Tor Dritter und blieb wie auch Honduras auf der Strecke.
Nach den Gruppenspielen war Afrika so gut wie vollständig ausgeschieden - von den sechs Mannschaften war nur Ghana in der K.o.-Phase vertreten. Mit Südafrika schied erstmals auch der Gastgeber bereits in der Vorrunde aus.
Das Achtelfinale - mit einem zweiten "Wembley-Tor"
Im Achtelfinale setzten sich alle Gruppenersten durch. Etwas überraschend war lediglich, dass Ghana gegen die USA erst in der Verlängerung mit 2:1 gewann.
Uruguay gewann gegen Südkorea durch zwei Tore von Luis Suarez mit 2:1.
Im Spiel Deutschland - England (4:1) wurde es zwischenzeitlich dramatisch: Deutschland führte früh 2:0, musste aber in der 37. Minute den Anschlusstreffer hinnehmen.
Nur eine Minute später wurde Frank Lampard ein regulärer Treffer nicht anerkannt; sein Fernschuss prallte von der Unterkante der Latte klar hinter die Linie und wäre damit das schnelle 2:2 gewesen.
Die englischen Zeitungen beklagten den "Torklau", während in mancher deutschen Zeitung (mehr oder weniger schmunzelnd) von "Rache für Wembley" die Rede war.
Argentinien schlug Mexiko mit 3:1. Berits nach einer guten halben Stunde führte Argentinien bereits 2:0, wobei aber das erste Tor aus einer klaren Abseitsposition erzielt worden war.
Die Niederländer bezwangen Slowenien mit 2:1; Wesley Snijder erzielte in der 84. Minute den entscheidenden Treffer, nachdem auf beiden Seiten viele Chancen vergeben wurden.
Brasilien ließ den Chilenen bei 3:= - Sieg keine Chance.
Das Spiel zwischen Paraguay und Japan stand nach 120 Minuten 0:0, so dass das Elfmeterschießen entscheiden musste. Hier vergab als einziger Schütze der Japaner Komano; Spanien stand damit im Viertelfinale.
Das iberische Duell zwischen Spanien und Portugal entschieden die Spanier mit 1:0 für sich. Der Siegtreffer fiel aus abseitsverdächtiger Position, aber der Sieg der Spanier war letztlich verdient.
Das Viertelfinale - Zwei "Giganten-Treffen" und Dramatik pur
Im Viertelfinale kam es gleich zu zwei "Giganten-Treffen": Brasilien traf auf die Niederlande, Deutschland bekam es mit Argentinien zu tun.
Die Niederlande gewannen gegen Brasilien mit 2:1 nach einem 0:1 - Rückstand durch zwei Tore von Wesley Snijder in der zweiten Halbzeit. Brasilien hatte es versäumt, seine Überlegenheit nach dem Führungstreffer in Tore umzumünzen. Nach dem Platzverweis gegen Felipe Melo wegen einer Tätlichkeit kurz nach dem Führungstreffer der Niederländer war das Spiel entschieden.
Zwischen Deutschland und Argentinien entwickelte sich ein dramatisches Spiel. Die deutsche Mannschaft vergab nach der frühen Führung die Chance auf das 2:0. Ab Mitte der ersten Halbzeit wurde Argentinien überlegen und kam durch mehrere Standardsituationen zu Möglichkeiten, die aber ungenutzt blieben.
In der zweiten Hälfte wurde Argentinien noch überlegener, aber die Tore schossen die Deutschen. Zwischen der 67. und 74. Minute entschieden sie das Spiel mit zwei Toren durch Miroslav Klose und Arne Friedrich. Eine Minute vor Schluss erhöhte Klose auf 4:0 und machte Argentiniens höchste Niederlage gegen eine deutsche Mannschaft perfekt. Allerdings sah Thomas Müller in diesem Spiel seine zweite Gelbe Karte des Turniers und war damit für das Halbfinale gesperrt.
Das Spiel zwischen Ghana und Uruguay wurde in der Nachspielzeit zum Krimi. In der regulären Spielzeit hatte Forlan die Führung der Afrikaner ausgeglichen, in der Verlängerung blieb es bis zur 120. Minute torlos.
Doch in der ersten Minute der Nachspielzeit wehrte Luis Suarez einen Kopfball aus kürzester Entfernung auf der Linie mit der Hand ab. allerdings ging dieser Situation eine Abseitsstellung voraus, die der Schiedsrichter übersehen hatte.
Den fälligen Elfmeter schoss Gyan an die Querlatte, so dass das Spiel im Elfmeterschießen entschieden werden musste. Dort hielt Uruguays Keeper Muslera zwei Elfmeter; war mit Ghana auch die letzte afrikanische Mannschaft ausgeschieden.
Europameister Spanien gewann erwartungsgemäß und ungefährdet Paraguay,
Das Halbfinale - Deutschland zu ängstlich
Im ersten Halbfinale traf Uruguay auf die Niederlande und verlor mit 2:3. Dabei taten sich die Niederländer zunächst gegen die defensiven Uruguayer schwer. Nach dem 1:0 durch einen Schuss aus über 35 Metern wurden die Niederländer überlegen, mussten aber in der zweiten Halbzeit den Ausgleich hinnehmen. Durch zwei Tore innerhalb von drei Minuten entschieden die Niederländer das Spiel; der Anschlusstreffer zum 2:3 für Uruguay fiel erst in der Nachspielzeit.
Im anderen Halbfinale traf Deutschland auf Spanien. Im Gegensatz zu den bisherigen Auftritten bei diesem Turnier wirkten die Deutschen mutlos und fand keine Mittel gegen die spielerische Überlegenheit der Spanier. Das entscheidende Tor zum 1:0-Sieg der Spanier fiel in der 73. Minute Innenverteidiger erzielte Puyol per Kopf.
Die Endspiele - Fußball brutal
Spiel um Platz drei
Wie schon 2006 spielte Deutschland wieder um den "Trostpreis" und setze dabei eine ganze Reihe der Spieler ein, die während des Turniers nicht zum Zuge gekommen waren. Gegen Uruguay gab es dabei einen 3:2 - Sieg.
Cavani glich für Uruguay das frühe Tor der Deutschen durch Thomas Müller aus bevor in der zweiten Halbzeit Diego Forlan zunächst Uruguay mit 2:1 in Führung schoss.
Begünstigt durch einen Torwartfehler köpfte Marcell Jansen den Ausgleich, bevor Khedira in der 82. Minute das Spiel entschied.
Das Endspiel - Böse Fouls, aber wenig spielerische Klasse
In einem überharten Finale (13 Gelbe und eine Gelb-Rote Karte) gab es in der ersten Hälfte spielerisch wenig zu sehen. Allerdings gab es in der 28. Minute den negativen Höhepunkt der ganzen WM: Nigel de Jong attackierte Xabi Alonso mit einem regelrechten Kung-Fu-Tritt und hätte dafür zwingend vom Platz gestellt werden müssen. Schiedsrichter Howard Webb zog nur Gelb; er räumte später ein, dass das eine Fehlentscheidung gewesen sei.
In der zweiten Halbzeit ging es ähnlich weiter. So hätten van Bommel und Xavi beide Rot sehen können: Xavi revanchierte sich bei van Bommel für dessen böse Attacke. Allerdings gab es in dieser Halbzeit auch spielerisch das ein oder andere zu sehen. Robben vergab nach einem Abwehrfehler die große Chance zum 1:0.
In der Verlängerung übersah der Schiedsrichter ein elfmeterreifes Foul von Heitinga an Xavi.
In der 109. Minute erhielt Heitinga die gelb-rote Karte und Spanien nutzte die numerische Überlegenheit aus: in der 116. Minute erzielte Iniesta das 1:0 zum Turniersieg der Spanier.
Damit hatten die Niederländer nach 1974 und 1978 ihr drittes WM-Finale verloren; das gab es bis dahin noch nie.
Die wirtschaftlichen Folgen der WM - unerfüllte Versprechen
Südafrika hatte sich von der Ausrichtung der WM große wirtschaftliche Impulse, insbesondere für den Tourismus, versprochen. Auch durch den Aufbau der WM-Stadien hatte man sich Impulse für den Arbeitsmarkt versprochen.
Zumindest für den Tourismus wirkte sich die WM positiv aus, weitere nennenswerte Auswirkungen ergaben sich aber kaum. Im Gegenteil: Um die Vorgaben der FIFA zu erfüllen, verschuldete sich das Land, was auch Untersuchungen südafrikanischer Steuerbehörden bestätigten.
Fünf Stadien wurden aufgrund der FIFA-Vorgaben neu gebaut, weitere fünf aufwändig renoviert, teilweise in Gebieten, in denen die Bevölkerung ohne Elektrizität und ohne fließendes Wasser lebt..Diese Stadien werden heute so gut wie nicht mehr genutzt, sondern sind meist hoch defizitär; so dass bei dem einen oder anderen sogar schon über einen Abriss nachgedacht wird. Ähnliche Probleme sollten auch bei der WM 2014 in Brasilien auftreten.
Genaueres dazu wurde unter anderem in der Süddeutschen Zeitung berichtet
https://www.sueddeutsche.de/sport/wm-stadion-in-kapstadt-reisst-es-ab-1.2125521/
Bildquelle:
Bild: freestockgallery.de
(Wendepunkte der Geschichte – was wäre gewesen, wenn?)