Die sieben Sendschreiben im Buch Offenbarung
Die Briefe der biblischen Offenbarung an sieben antike Städte sind nur scheinbar unverständlich, denn es gibt erstaunliche Parallelen zum Verlauf der Kirchengeschichte...Die sieben Sendschreiben: Briefe mit mehrfacher Bedeutung
Im Auftrag eines Engels richtet Johannes im zweiten und dritten Kapitel der Offenbarung Botschaften an sieben Städte in Kleinasien: Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea. Ihre Reihenfolge trägt keineswegs willkürlichen Charakter. Vielmehr sind es die Stationen einer antiken Poststrecke. In jeder dieser Städte befand sich in der Entstehungszeit der Offenbarung eine urchristliche Gemeinde. Johannes stellt jedem Ort eine Art "Zeugnis" aus. Der Sinn dieser Sendschreiben erscheint zunächst nicht ganz klar: Johannes hatte vermutlich zu allen genannten Gemeinden persönlichen Kontakt. Zudem sind seine Beurteilungen beinahe fließend in den Offenbarungstext eingearbeitet. Es kann sich also nicht um die bloße Zusammenstellung separater Briefe handeln. Vielmehr nutzt Johannes die Eigenheiten der jeweiligen Ortsgemeinden zur Wiedergabe einer Vision, denn die Charaktere der sieben Städte weisen erstaunliche Parallelen zum Verlauf der Kirchengeschichte auf:
Ephesus: Der Anfang des Christentums
Setzt man die Geschichte des Christentums mit dem antiken Postweg von Ephesus nach Laodizea gleich, symbolisiert die Gemeinde Ephesus zwangsläufig die Anfangsjahre der neuen Religion. Tatsächlich bescheinigt Johannes den Ephesern "viel Mühsal und Geduld" sowie gute Werke, Kennzeichen also, die auch auf die urchristliche Kirche zutrafen: Diese war von aufopferungsvollen Mitgliedern und großem Wachstum geprägt. Johannes kritisiert jedoch, dass Ephesus "die erste Liebe verlässt". Kirchengeschichtlich lässt sich dies durch das allmähliche Aussterben der Menschen erklären, welche Christus persönlich erlebten. Dadurch kam eine Veränderung der ursprünglichen Lehre in Gang.
Das Sendschreiben an Smyrna
Smyrna (das derzeitige Izmir in der Türkei) hat bis heute als bedeutende Stadt überlebt. Auch darin versteckt sich eine gewisse Symbolik: Johannes schreibt an Smyrna von Bedrängnis, Leiden, Armut und Tod. Kirchengeschichtlich handelt es sich also um die Epoche römischer Christenverfolgung. So wie Smyrna auch, überlebte die verfolgte Religion trotz unzähliger Opfer.
Pergamon: Eine Religion verkauft sich
Die nächste Botschaft des Johannes wendet sich an die Stadt Pergamon, deren Name soviel wie "Erhöhung" bedeutet. Eine solche ist auch deutlich erkennbar, wenn man den Vergleich zur Kirchengeschichte konsequent fortsetzt. Auf die Bedrängung (Smyrna) folgt eine unerwartete Erhöhung der christlichen Religion durch Kaiser Konstantin, welcher das Christentum zunächst offiziell anerkennt, wodurch es sich nach und nach zur Staatsreligion entwickeln kann. Doch dieser Aufstieg wird teuer erkauft durch die Integration heidnischer Gepflogenheiten wie Götzenanbetung (Marienverehrung, Reliquienkult) oder mystische Riten (zum Beispiel Weihwasserbesprengung). Genau diese Dinge tadelt auch Johannes an Pergamon. Gleichzeitig bescheinigt er jedoch, dass sich an diesem "Thron des Satans" weiterhin standhafte Christen befinden und spricht von einem zweischneidigen Schwert. Dazu existiert eine verblüffende Parallele: Pergamon diente der römischen Provinz Kleinasien als oberster Gerichtshof, wo über Freiheit oder Tod entschieden wurde. Sinnbildlich stand also jeder treue Christ der Epoche "Pergamon" in der Gefahr, zu sterben, falls er sich nicht der mutierten Kirche fügte.
Thyatira: Die Zeit des falschen Glaubens
Im vierten Sendschreiben verschärft sich dieser Gegensatz. Die Stadt Thyatira wird mit harschen Worten kritisiert. Von Verführung, falschen Propheten und Götzendienst ist hier die Rede. Die historische Parallele findet sich in der rund 1.000 Jahre beinahe unangefochtenen Herrschaft des Katholizismus nach dem Aufstieg zur Staatskirche. Das Evangelium von der Erlösung wird umgewandelt in religiöse Pflichten und den Verkauf göttlicher Gnade. Allein der Papst als "Stellvertreter Christi" ist nun Garant für den Eingang in das Himmelsreich. Der Besitz einer Bibel hingegen bedeutet für Nichtkleriker zeitweise die Todesstrafe. Dennoch bescheinigt Johannes "Thyatira" auch Liebe, Glauben, Dienstbereitschaft und Geduld, denn im Verborgenen wirkten christliche Gruppen, deren Lehre auf der Bibel beruhte, beispielsweise Lollarden, Waldenser und Böhmische Brüder.
Das Sendschreiben an Sardes
Die dadurch erhalten gebliebene, rein biblische Lehre erlebte ein Comeback, als durch Männer wie Wicliff, Hus und Luther Reformationen ausgelöst wurden, welche im 16. Jahrhundert schließlich zur endgültigen Beseitigung der päpstlichen Vorherrschaft führten. Doch die neu entstandenen Religionsbündnisse erlebten hinsichtlich ihres gesellschaftlichen Einflusses und ihrer Bibeltreue oft einen raschen Niedergang. Johannes skizziert diese Ereignisse im Sendschreiben an die Stadt Sardes, indem er unter anderem von Überwindern spricht. Ein Hinweis auf den bedrohten Protestantismus findet sich in der Aufforderung: "Werde wach und stärke das Andere, das sterben will".
Philadelphia: Der große Aufbruch
Keinen Tadel findet Johannes hingegen im Sendschreiben an Philadelphia. Der Name der Stadt leitet sich vom griechischen Wort für Bruderliebe ab: Philos. Johannes bezeugt folgerichtig deutlich, wie sehr "Philadelphia" von Gott geliebt wird. Das reale Philadelphia galt den Griechen zudem als kulturelle Missionsbasis. Von hier aus sollte hellenistisches Gedankengut auf ganz Asien ausstrahlen. Die kirchengeschichtliche Analogie dazu findet sich in den drei großen Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Bibel fand ihren Weg in nahezu jeden Haushalt. Durch das Schriftstudium entstanden neue Glaubensbekenntnisse mit großer Anhängerschaft. Gleichzeitig wurde die Macht des Papstes durch Napoleon zeitweise komplett ausgeschaltet. Es geschah eine in der Kirchengeschichte einzigartige Hinwendung zum biblisch begründeten Glauben.
Am Scheideweg: Laodizea
Im kirchengeschichtlichen Ablauf muss nun zwangsläufig das heutige Christentum folgen, welches durch das Sendschreiben an Laodizea symbolisiert wird. Viele Gläubige pflegen einen verweltlichten Lebensstil. Sie gleichen einem Todkranken, der glaubt, durch Ignoranz seinem Schicksal zu entgehen. Religion ist nur noch Fassade. Reichtum und Karriere stehen im Vordergrund. Die Christen der Wohlstandsländer wiegen sich in trügerischer Sicherheit. Tatsächlich war Laodizea eine sehr reiche Stadt und soll über eine Besonderheit verfügt haben: Heißes Quellwasser, welches allerdings auf dem Weg bis in die Stadt auf lauwarme Temperaturen abkühlte.
Der Brief an Laodizea beschreibt dies tadelnd und warnend zugleich. Johannes nennt keine guten Eigenschaften und erklärt, Laodizea sei weder heiß noch kalt, sondern so lauwarm, dass es ausgespieen wird. Er fordert ein klares Bekenntnis und warnt vor dem Gericht als Folge der Gleichgültigkeit. Hoffnung verheißt das Sendschreiben hingegen allen, die noch rechtzeitig die Umkehr wagen.
Weitere biblische Themen finden Sie unter http://bibelwelt.mozello.de/