... trifft auf das hier zu ...

Dummgeil!

Die Geschichte der Geilheit ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Weder ist Geiz geil, wie dies eine Elektrohandelskette vorgab zu wissen, noch ist gemäß des One-Hit-Wonders "Bruce & Bongo" "everybody geil". Vielmehr stand das in Verruf geratene Wörtchen "geil" für Fröhlichkeit, Übermut und Ausgelassenheit.

War im Mittelalter von "geil" die Rede, so war ein Ritter, Knecht oder Inquisitor einfach nur besonders gut drauf.

Im Laufe der Zeit gesellte sich eine Komponente der Lüsternheit hinzu, die jedoch erst im Jugendslang der 1970er Jahre zum Synonym sexueller Erregung avancierte. Populäre Verwendung fand das Wort – vielleicht eher zufällig - im Austro-Musical "Der Watzmann", wo "die Gailtalerin" einen jungen Burschen mit ihren erotischen Reizen bezirzt.

Seinen Boom erlebte "geil" in den 1980ern, nicht zuletzt dank "Bruce & Bongo". Ältere Generationen waren schockiert, weshalb kein anderes Wort diese Dekade besser definiert als das einstige Tabuwort "geil". Freilich: Inflationär eingesetzt verlor es seine Stellung als rhetorisches Schockelement und fristet, von einem eher traurigen Comeback in der Werbung abgesehen, ein Außenseiterdasein.

Wie schrieben doch bereits die Gebrüder Grimm in ihrem "Deutschen Wörterbuch" so treffend zum Ausdruck "geildumm": "Übermütig von Selbstgefühl". Warum las man eigentlich in keinem ihrer Märchen einen Satz wie: "Rotkäppchen war geildumm"?

"Ich bin WAS???"

"Ich bin WAS???" (Bild: http://pixabay.com)

Ficken mit den Gebrüdern Grimm

Apropos Gebrüder Grimm: In ihrem "Deutschen Wörterbuch", das gemeinhin als eines der bedeutendsten Standardwerke deutscher Sprache gleich nach dem Duden und Mario Barths "Frau – Deutsch"-Wörterbuch gilt, findet sich auch das schöne Wort "ficken" gelistet. Freilich: Wer Schmuddelkram erwartet, wird enttäuscht. Denn die geläufige Konnotation des altehrwürdigen Begriffs setzte erst relativ spät ein. "Ficken" hatte ursprünglich sehr viele Bedeutungen, etwa "schnelles hin- und herbewegen" oder "reiben", was zugegebenermaßen zum mittlerweile üblichen Verständnis des Wortes passt.

Ähnlich dem Wort "geil" gewann auch "ficken" eine weitere Bedeutungsebene hinzu, sodass die Aussage: "Gestern wurde ich ordentlich gefickt" weniger auf erotische Dauerbeanspruchung, denn vielmehr auf eine enttäuschende Erfahrung hindeutet. Möglicherweise fühlt sich ja auch der eine oder andere Google-Besucher von diesem Artikel gefickt, hatte er doch nach ganz anderen, gewiss hochwertigeren Inhalten gesucht.

Unfreiwillig gefickt dürften sich die Bewohner des beschaulichen Ortes Fucking (Oberösterreich) fühlen, da ihre Ortstafeln immer wieder gestohlen wurden. Im Verdacht stehen englischsprachige Touristen, die den Namen wohl rasend lustig finden. Dabei läge das Lustige mit dem kanadischen Ort Dildo so nahe …

Hier wird nicht gevögelt!

In einem seiner raren Interview gab Bestsellerautor Johannes Simmel folgende Anekdote zum Besten: Helmut Qualtinger habe einst eine einflussreiche Dame der Wiener Gesellschaft, die telefonisch nach einem Herrn Rabe verlangt habe, mit folgenden Worten düpiert: "Do wird net gvegelt!" (Hier wird nicht gevögelt!)

Wahr oder nicht, erhebt sich die Frage, warum "vögeln" ähnlich "ficken" zu einem Synonym für intensive zwischenmenschliche Interaktion wurde. Wenig überraschend lässt sich der Ursprung auf unsere gefiederten Freunde und ihr Fortpflanzungsverhalten zurückführen. Zunächst bezog sich "vögeln" ausschließlich auf den Geschlechtsakt zwischen Hahn und Henne, wurde jedoch später in der uns bekannten Form erweitert.

Ernüchternd, nicht wahr? Deshalb gibt es noch eine weitere, interessantere Erklärung, wie das Wort "vögeln" zu seinen Ehren kam. Bereits im Mittelalter erfreuten sich insbesondere Frauen an der Singvögelhaltung in Käfigen. Waren Damen der gehobeneren Stände gewillt, sich einem um ihre Gunst Werbenden hinzugeben, stellten sie einen Vogelkäfig auf die Fensterbank.

"und hinten drein komm ich bey nacht
und vögle sie, das alles kracht."

aus: "Hanswursts Hochzeit"

Johann Wolfgang von Goethe

Dieser Brauch wurde als "zu den Vögeln" gehen bekannt, was im Laufe der Zeit zum Wort "vögeln" verkürzt wurde. Et voilà! Und wir wollen diese historisch nicht belegbare Erklärung nicht hinterfragen, denn gut erfunden ist manchmal eben doch besser als die Wirklichkeit.

"Vögeln? Wo?"

"Vögeln? Wo?" (Bild: http://pixabay.com)

Und wieso sollte die Schlampe wichsen?

Kommen wir nun zur Auflösung des Rätsels, wieso der Artikel dermaßen obszön benannt wurde. Wappnen Sie sich für eine Enttäuschung, denn besagte Erklärung ist denkbar schnöde.

Wichsvorlage ... sorry, lieber Suchmaschinen-User ... (Bild: http://pixabay.com)

Unter "wichsen" verstand man ursprünglich den Vorgang des Polierens, etwa des Bodens, des Tafelsilbers oder der Schuhe. Letzterem verdanken wir auch das schöne Wort "Wichse", das beileibe für keinerlei schmutzige Tätigkeiten, sondern für Schuhcreme stand. Schuhputzer firmierten übrigens trotzdem nicht unter der Bezeichnung "Wichser". Für die heutige Bedeutung des Wortes gibt es viele schöne, bunte Webseiten mit allerlei erfüllenden Bildern.

Eine drastische Bedeutungsänderung erfuhr auch das Wort "Schlampe", das in manchen älteren Geschichten zu finden ist. Bezeichnete eine Mutter ihre Tochter leichthin als "Schlampe", so wollte sie diese nicht sexueller Ausschweifungen beschuldigen, sondern warf ihr eine unordentliche Lebensweise vor.

Kurioserweise müssen wir bei diesem Wort zwischen dem Schimpfwort "Schlampe" und dem Adjektiv "schlampig" trennen. Denn während die "Schlampe" mittlerweile für eine sexuell (um)triebige Frau steht, behielt "schlampig" seine ursprüngliche Bezeichnung für eine höchst unordentliche, nachlässige Person beiderlei Geschlechts. Interessanterweise wird die "Schlampe" in heterosexuellen Kreisen oft als Ausdruck des Respekts verwendet, ganz im Gegensatz zur gemeinhin verwendeten Abwertung einer heterosexuellen Frau.

Wie schlampig die Kölner Frauenband "Die Fabulösen Thekenschlampen" war, ist mir nicht bekannt. Immerhin schaffte sie es mit ihrem Mini-Hit "Toni, lass es polstern", einer musikalischen Hymne auf den damals erfolgreich für den FC Köln stürmenden Toni Polster, in die österreichischen Charts. "Net schlampert" (nicht schlampig), wie man in Österreich als Ausdruck der Anerkennung zu sagen pflegt.

Waren Tick, Trick und Track Tunten?

Wer gleich dem Autor dieses Artikel mit den alten Disney-Comics, gezeichnet von Carl Barks und übersetzt von Frau Dr. Fuchs, aufgewachsen ist, wurde mit allerlei befremdlichen Ausdrücken konfrontiert, die einfach nicht in die harmlose Comicwelt zu passen schienen. Oder vielleicht doch? In einem Donald-Duck-Comic etwa hegen dessen Neffen Tick, Trick und Track panische Angst, von ihren Mitschülern als "Tunten" verhöhnt zu werden. Wollten sie verhindern, unfreiwillig geoutet zu werden?

Mitnichten, oder in diesem Fall: Mitneffen! Ehe schwule Männer, die durch affektiertes Auftreten und Tragen von Frauenkleidung auffallen, als "Tunten" bezeichnet wurden, stand die heute weitgehend verpönte Bezeichnung für altjüngferliche, spießige Frauen. Wie man es dreht oder wendet: Weder die eine, noch die andere Begriffsbezeichnung ginge im Zeitalter von Toleranz und Gender-Ideologie als politisch korrekt durch.

Das wenig bekannte Mittelalter-Prequ ...

Das wenig bekannte Mittelalter-Prequel zu "Die drei Damen vom Grill" (Bild: http://pixabay.com/)

Weniger schlimm erwischte es ein anderes Wort, mit dem der Artikelautor erstmals ebenfalls in den Disney-Comics in Berührung kam, nämlich als Donald sich fürchtete, in "Schwulitäten" zu geraten. Wer dabei an das scheinbar Offensichtliche denkt, irrt: "Schwulität" leitet sich aus der ursprünglichen Bedeutung von "schwul", "drückend heiß", ab. Daraus entwickelte sich "Schwulität" im Sinne von: Es wird einem ganz anders vor Beklommenheit. Eine sprachliche Verbindung zur Homosexualität bestand nie.

Da jedoch im 19. Jahrhundert "schwul" zum Synonym für "homosexuell" wurde, geriet irrtümlicherweise auch die "Schwulität" in den Verdacht, für Homosexualität zu stehen. Wie es überhaupt zur Begrifflichkeit von "schwul" gekommen ist, lässt sich nicht eindeutig klären. Eine Theorie geht davon aus, dass Homosexuelle einander "wärmer" empfanden als Vertreter des anderen Geschlechts, weshalb "schwul" in seiner Bedeutung als "drückende Hitze" als passend empfunden wurde.

Auch ein anderes Wort im Dunstkreis der Homosexualität erfuhr eine Begriffsveränderung: Die Schwuchtel. Heute so gut wie immer als Abwertung gebräuchlich, bezeichnete es im Schlesischen eine geschwätzige Person. In anderen deutschsprachigen Gegenden konnte damit ein leichtfertiger Mensch gemeint sein. Die ursprünglichste Bezeichnung geht jedoch auf ein Verb zurück: "Schwuchteln" stand für das, was Elvis "the pelvis" populär machen sollte, das Wackeln mit der Hüfte.

Für jüngere Leser: Elvis "the ...

Für jüngere Leser: Elvis "the pelvis" ist der Typ zur Rechten. Links: US-Präsident Richard Nixon, dessen Spitzname "Tricky Dicky" lautete. Kein Witz! (Bild: http://pixabay.com)

Allerdings wurde dieses ausschließlich mit Frauen assoziiert, was die Ableitung für "tuckige" Homosexuelle erklärbar macht. Und um den Bogen zu Entenhausen zu schließen: In seinem Buch "Psychogramm einer Sippe" stellte Grobian Gans (Pseudonym mehrerer Autoren) 1970 die provokante These auf, wonach Gustav Gans ein verkappter Schwuler sei, der eigentlich hinter Donald her wäre und zur Tarnung vorgeblich um Daisy Duck werbe. Butter bei die Enten: Grobian Gans‘ Buch sollte man nicht ganz ernst nehmen …

Hurenkinder live on air

Kaum ein amerikanischer Thriller wäre komplett ohne die netten Personenbeschreibung: "You son of a bitch!"

Der deutschen Abart "Hurensohn" mangelt es freilich an sprachlicher Raffinesse, weshalb sie deutlich seltener benutzt wird, zumal "son of a bitch" auch als Ausdruck des Ärgerns verwendet werden kann. Sogar ein britisches Rennpferd des 19. Jahrhunderts trug diese Bezeichnung, was allerdings nur deshalb durchging, weil es vorsorglich "Filho da Puta" genannt wurde, die buchstäbliche Übersetzung ins Portugiesische. Es ist anzunehmen, dass damals kaum ein Brite portugiesisch sprach und somit in völliger Ahnungslosigkeit ein Pferd anfeuerte, das "Hurensohn" hieß. Die Briten und ihr eigenartiger Humor ...

Zu musikalischen Ehren brachte den Kraftausdruck die schottische Band Nazareth mit ihrem 1975 veröffentlichten Song "Hair of the Dog". Zwar wird im Refrain kein Hund, sondern ein "son of a bitch" besungen, aber vielleicht erschien ein Songtitel "Son Of A Bitch" denn doch zu riskant.

Heintje nannte seinen schmalztriefenden Hit anno dazumal schließlich auch "Mama", und nicht "Hurensohn".

Aber wieso spricht man überhaupt von Hurensöhnen? Zwar schloss dieses Schimpfwort durchaus die Söhne von Huren ein, doch im eigentlichen Sinne wurden damit Jungen bezeichnet, deren Vater unbekannt war oder deren Eltern nicht verheiratet waren. Was heute befremdlich wirkt, muss man aus der historischen Perspektive betrachten.

Noch vor wenigen Jahrzehnten galt ein uneheliches Kind als Schande, weshalb viele unverheiratete Paare rasch vor den Traualtar traten, sobald eine Schwangerschaft feststand. Ein "in Sünde" geborener Sohn bedeutete massive Anfeindungen für ihn, wie auch für seine Mutter. Auf diese Umstände wird heute freilich keine Rücksicht mehr genommen: Jeder kann als "Hurensohn" bezeichnet werden, ungeachtet der Profession oder des Familienstandes der Mutter.

Interessanterweise existiert in der Typographie der Begriff des "Hurenkindes". Darunter versteht man anstatt einer fleischlichen eine ästhetische Sünde, nämlich jene, dass eine Buchseite mit der oder den letzten Zeile/n eines Absatzes von der letzten Seite beginnt. In Österreich gerieten die "Hurenkinder" auf ungewöhnliche Weise ins Rampenlicht. In der Pause eines Fußballspiels bemerkte der ehemalige Inter-Mailand-Star Herbert Prohaska lakonisch: "Do san a paar Hurenkinda dabei" ("Da sind ein paar Hurenkinder dabei"). 

Unbeabsichtigterweise waren diese Worte live zu hören. Wie der frühere Teamchef der öst. Nationalmannschaft (bemerkenswertestes Ergebnis: Ein knappes 0-9 gegen Spanien) später erklärte, war ihm die Bemerkung herausgerutscht, nachdem er von Kindern mit Papierfliegern beschossen worden war.

Könnte man diese Kinder als brav bezeichnen? Im ursprünglichen Sinne schon, denn …

Humoristische Bücher des Artikelautors

Ein Soldat muss ... brav sein?

Unverständlich ist die Bedeutungsänderung des Wortes "brav". Jedes Kind weiß, dass es brav, also artig sein sollte, da es dieses Wort im Laufe der Kindheit vermutliche mehrere tausend Male hören wird. Ironischerweise wohnte "brav" eine eher gegensätzliche Bedeutung inne, nämlich "tapfer" oder "verwegen". Doch der Reihe nach: Abgeleitet wurde "brav" aus dem spanischen "bravo", das für "tapfer" steht. Wer einen militärischen Hintergrund vermutet, liegt richtig. Während seiner Blütezeit galt die spanische Kavallerie als herausragend mutig, also "brav", weshalb sich das Wort im Deutschen einbürgerte.

Die korrekte Bedeutung lässt sich im Englischen festhalten, wo "brave" – siehe "Braveheart" – konsequenterweise "mutig" heißt. Im Deutschen war man weniger martialisch und gab sich mit Heinz Rühmanns "Der brave Soldat Schwejk" zufrieden. Zweimal "brav", aber was für ein Unterschied …

"Hurraaa! Weil wir brav waren ...

"Hurraaa! Weil wir brav waren, gibt´s heute Pudding!" (Bild: http://pixabay.com)

Boxen Luder Dirnen?

Bei manchen Redewendungen ist man sich deren makabrer ursprünglicher Bedeutung gar nicht mehr bewusst. Eines der besten Beispiele hierfür ist die Phrase "Schindluder" treiben. Zart besaitete Gemüter mögen bitte die folgenden Zeilen überspringen. Here there be horror!

Schindluder setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: Dem Luder und dem Schinder. Als Luder bezeichnen Jäger noch heute tote Tiere, die Raubtiere anlocken sollen wie ein Köder am Haken der Angel. Krankes oder totes Nutzvieh wurde hingegen oftmals zum Schinder gebracht, einem Berufsstand, der zu den am wenigsten Angesehenen zählte, vergleichbar mit Politikern. Der Schinder zog den Tieren das Fell über die Ohren, was noch zu seinen angenehmeren Tätigkeiten zählte. Denn: Schinder wurden bedarfsweise bei Folterungen hinzugezogen, wenn sie Delinquenten bei lebendigem Leibe die Haut abziehen sollten.

"Haut ab, Leute! Da ist schon ...

"Haut ab, Leute! Da ist schon wieder dieser Wahnsinnige mit dem Gewehr!" (Bild: http://pixabay.com)

Eine solche Doppelbelastung erforderte naturgemäß ganz besondere Charaktere. Schinder galten, oft wohl nicht ganz zu Unrecht, als unheimliche Gesellen. Einer brachte es sogar zu Berühmtheit, der "Schinderhannes", Hauptmann einer berüchtigten Räuberbande, deren Mitglieder öfter wechselten als die einer Boygroup. Der erlernte Beruf des "Schinderhannes", mit bürgerlichem Namen Johannes Bückler, war wie schon der seiner Vorfahren Schinder. Ob man dem Umstand, dass seine Geliebte Mitglied seiner Räuberbande war, als mutiges feministisches Signal deuten sollte, ist strittig.

Harmloser ist die Herkunft des Wortes "Dirne", das man praktisch nur noch in alten Filmen oder Büchern vernehmen kann. Dabei war es bis vor wenigen Jahrzehnten das gebräuchlichste Wort für eine Prostituierte. Ursprünglich verstand man unter einer Dirne allerdings meist eine junge, unverheiratete Frau niederen Standes, die sich auf Höfen als Magd oder Dienerin verdingte. Da Dirnen oftmals Leibeigene waren, mussten sie ihren Herren bei Bedarf zu Willen sein. Aus diesem Umstand heraus entwickelte sich die Dirne zum Synonym für eine Prostituierte.

Heute ist man in diesen Belangen natürlich viel weiter und fortschrittlicher: Boxenluder erbeuten ganz ohne Weidmannshilfe mittels ihrer optischen Reize wehrlose Sportler und Prominente.

Französische Windkraftanlage

Französische Windkraftanlage (Bild: http://pixabay.com)

"Du Kanake!" – "Oh, danke sehr!"

Bei manchen Wörtern lässt sich nicht mehr nachvollziehen, warum sie im Laufe der Zeit plötzlich einen völligen Bedeutungswandel vollzogen. "Kanake" ist ein schönes – oder vielmehr unrühmliches – Beispiel dafür. Menschen südländischen Aussehens werden oftmals als "Kanaken" bezeichnet, was insofern ironisch ist, da es zwar als Herabwürdigung gemeint ist, im ursprünglichen Sinne jedoch ein Kompliment darstellte.

Das vom hawaiianischen "kanaka", das für "Mensch" steht, abgeleitete Wort "Kannakermann" bürgerte sich in der deutschen Schifffahrt als Bezeichnung für Matrosen aus dem ozeanischen Raum ein, die als äußerst loyal und tüchtig galten. Weshalb es mittlerweile eine negative Konnotation besitzt, ist nicht ganz klar.Jedenfalls wandelte sich der "Kanake" mit dem Eintreffen zahlreicher Gastarbeiter aus südlichen Ländern zum Schimpfwort.

Gerade in der migrantischen Jugendszene wird das Wort aber mittlerweile selbst verwendet, getreu dem Motto: Dem Feind den Wind aus den Segeln nehmen. Vielleicht auch deshalb hört man das Wort in seiner herabwürdigenden Bedeutungen immer seltener, ganz im Gegensatz zum Mohr.

Erst auf halbem Wege fiel Christopher ein, dass er die Schlafzimmerlampe angelassen hatte ... (Bild: http://pixabay.com/)

Gimme Mohr!

Öfter noch als das Ungeheuer von Loch Ness, taucht die Rassismus-Debatte rund um den "Mohr" jedes Jahr von Neuem auf. Die österreichische Süßspeise "Mohr im Hemd" sei angeblich diskriminierend, wie überhaupt die Bezeichnung Mohr rassistisch sein soll.

Skurril an diesen seltsamen Betroffenheits-Kundgebungen ist freilich, dass man im deutschsprachigen Raum mit dem Mohren mehrheitlich positive Assoziationen herstellt. Der Begriff selbst leitet sich von den Mauren, den früheren Bewohnern Mauretaniens ab. Respekt erwarben sich die Mauren durch ihr Reich, das in seiner Blütezeit sogar Teile Spaniens beherrschte und somit eine der seltenen Expansionen afrikanischer Reiche in Europa darstellte (die berühmteste Auseinandersetzung war jene der Karthager mit der damaligen Supermacht Rom). Auch wenn das mauretanische Reich schlussendlich zerfiel, unterschied man in Europa zwischen den "edlen" Mohren und den "dummen Negern".

In vielen mitteleuropäischen Wappen finden sich noch heute Mohren-Abbildungen – anders, als man dies annehmen möchte, konnte ein Mohr in Mitteleuropa Ansehen genießen. Berühmtheit erlangte im 18. Jahrhundert der "Wiener Mohr" Angelo Soliman. Nachdem er als gewöhnlicher Diener einem österreichischen Feldmarschall in einer Schlacht das Leben gerettet hatte, verschlug es ihn über Umwegen nach Wien, wo er in späteren Jahren als Prinzenerzieher hohes Ansehen errang. Unrühmlich war allerdings, dass er nach seinem Tod präpariert und im Kaiserlichen Naturalienkabinett als "Wilder" ausgestellt wurde.

Fun Fact für "Republikaner sind ...

Fun Fact für "Republikaner sind böse Rassisten, Demokraten die Guten!"-Apologeten: John Geary war Republikaner, der "White Supremacy"-Rassist Clymer Demokrat. (Bild: http://pixabay.com)

Dennoch ist die Vorstellung, dass Mohren gemeinhin als unzivilisierte Wilde betrachtet wurden, nicht korrekt. Erst im Zuge der Kolonialisierung Afrikas im 19. Jahrhundert verschwand das Bild des "edlen Mohren" und machte Platz für dumpfen Rassismus. Aus der historischen Perspektive heraus haftet dem Mohren somit viel Positives an, was natürlich in krassem Gegensatz zum Bild des "dummen Negers" steht.

Im Rahmen der "political correctness" wurde in den vergangenen Jahrzehnten der Mohr mit unverkennbar rassistischen Motiven in einen Topf geworfen. Selbst die bekannte Wiener Kaffeerösterei und Handelskette Meinl musste sich Rassismusvorwürfen stellen, da ihr Firmenlogo einen Mohren mit Fes zeigte. Das Logo wurde deshalb mittlerweile abgeändert, was selbst aus Sicht der "braven" Rassismuskämpfer völlig absurd erscheinen müsste, denn: Etwa das Meinl-Logo sorgte gerade für eine positive Assoziation mit einem dunkelhäutigen Menschen.

Doch wie wusste schon Schiller: "Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen". Und deshalb sollte es nicht verwundern, eines Tages den "Mohr im Hemd" unter einer anderen Bezeichnung in der Speisekarte zu finden und somit eine weitere positive Verbindung zum Wort "Mohr" gekappt zu sehen. Ob dunkelhäutigen Mitmenschen damit ein Gefallen erwiesen wird, das Feld den tatsächlichen Rassisten zu überlassen, bleibt fraglich.

Chauvis waren nicht frauenfeindlich, sondern superpatriotisch

Ein geradezu klassisches Beispiel, wie sich die Bedeutung eines Wortes radikal verändern kann, ist der Chauvinismus. Tut sich ein Mann mit sexistischen Sprüchen hervor, trifft ihn rasch der Vorwurf, er sei "ein Chauvi", was heißt, dass er sich auf Grund seines Geschlechts als überlegen gegenüber den Frauen fühle.

Tatsächlich stimmt die Vermutung, Chauvinisten fühlten sich als Angehörige einer bestimmten Gruppe anderen überlegen. Allerdings handelt es sich historisch gesehen um Angehörige einer Nation, nicht eines Geschlechts. Begründet wurde der Begriff des Chauvinismus vom unter Napoleon dienenden Soldaten Nicolas Chauvin.

Sein aufopfernder Kampf fürs Vaterland soll den Kaiser, der übrigens keineswegs kleinwüchsig war, dermaßen gerührt haben, dass er ihm persönlich einen Ehrensäbel überreichte. Diente Chauvin anfangs noch als leuchtendes Beispiel für Loyalität und Liebe für sein Land, geriet er wegen seines übersteigerten Patriotismus nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft zusehends zur Witzfigur.

"Folgt mir: Auf nach Russland! ...

"Folgt mir: Auf nach Russland! Leute? Wo seid ihr denn?" (Bild: http://pixabay.com)

Falls ein Nicolas Chauvin überhaupt jemals existierte und nicht einfach aus propagandistischen Zwecken erfunden worden war. Doch selbst wenn: Der Begriff des Chauvinismus war geboren und feierte gerade in den Zwistigkeiten zwischen Frankreich und dem noch jungen Deutschland fröhliche Urstände. Mit Beginn der Frauenbewegung erfuhr das Wort eine Bedeutungsänderung weg vom übersteigerten Nationalismus, sodass die einzigen unter Feministinnen beliebten Chauvis die Anchovis auf der Pizza darstellen.

Kamikaze, oder: Zweimal durch unwahrscheinliches Glück gerettet!

Was fällt Ihnen zum Begriff "Kamikaze" ein? Junge Japaner, die ihre Flugzeuge in selbstmörderischer Absicht über amerikanischen Kriegsschiffen zum Absturz bringen? Logisch, was sollte Kamikaze denn sonst bedeuten?

Nun: Die ursprüngliche Bedeutung reicht ins 13. Jahrhundert zurück und bedeutet "göttlicher Wind". Damit waren freilich nicht kaiserliche Flatulenzen gemeint, sondern der "Wind", der Japan dereinst vor dem Mongolensturm rettete. Kurzer Rückblick: 1274 drohten Kublai Khan die Reiche auszugehen, die er zerschlagen konnte. Doch siehe da: Die japanischen Inseln waren noch nicht mongolisiert worden! Flugs stellte er eine Invasionsflotte zusammen, die zwar auf zwei japanischen Inseln landete, aber von einem Taifun dezimiert wurde.

Das war Pech, und nachdem der Blitz bekanntlich nicht zweimal an derselben Stelle einschlägt, entsandte Kublai Khan im Jahr darauf eine noch mächtigere Flotte mit 100.000 Mann. Von denen kaum einer zurückkam, da erneut ein Taifun die Schiffe zerfetzte. Vielleicht hatte der Khan diesen Fingerzeig des Schicksals verstanden. Jedenfalls wagten die Mongolen keinen weiteren Versuch mehr, übers Meer zu setzen.

Wir springen gut sieben Jahrhundert nach vorne. Das japanische Kaiserreich stand gegen den Giganten USA auf verlorenem Posten. Im Versuch, das Unvermeidliche hinauszuzögern, griff man auf den Mythos des "von Göttern beschützten" Heimatlandes zurück. Da sich die Taifune nicht blicken ließen, musste man somit selbst Hand an den Steuerknüppel anlegen.

Spoiler: Hat trotzdem nichts ...

Spoiler: Hat trotzdem nichts geholfen ... (Bild: http://pixabay.com)

Übrigens gab es neben Kamikaze-Flugzeugen – in der Endphase des Krieges technologisch hoffnungslos den Amerikanern unterlegen – auch bemannte Selbstmord-Torpedos. Gleich den Kamikaze-Fliegern wurden auch die bemannten Torpedos in den meisten Fällen zerstört, ehe sie ihr Ziel erreichen konnten. Erfolgreich war einzig die psychologische Wirkung auf die amerikanischen Soldaten, die auf Selbstmordangriffe nicht vorbereitet waren.

Auch das Deutsche Reich dachte kurz über derartige Selbstmordmissionen durch "Freiwillige" nach, sah aber davon ab, da solche Einsätze nach purer Verzweiflung ausgesehen hätten.

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