Eine indianische Symbolfigur: Sitting Bull
Der Name des Indianerhäuptlings Sitting Bull wurde für Freund und Feind zur Legende. Auch über 120 Jahre nach seinem Tod ist die Popularität des Häuptlings ungebrochen.Sitting Bulls Aufstieg
Über die Jugendjahre Sitting Bulls ist relativ wenig überliefert. Er wurde um 1834 am Grand River im südlichen Dakota-Gebiet geboren und soll der Sohn eines Oberhäuptlings gewesen sein. Als Knabe trug er zunächst den Namen "Springender Hamster". Doch schon frühzeitig bewies er Geschick und Mut zur Büffeljagd und nahm als 14-jähriger erstmals an einem Kriegszug gegen feindliche Indianerstämme teil. Seitdem war er bekannt unter dem Namen Tatanka Yotanka, dessen schlechte, englische Übersetzung mit Sitting Bull, also Sitzender Büffelstier, wiedergegeben wurde. Der Büffelstier galt den Indianern als Inbegriff von Stärke und Weisheit. Der Zusatz "Sitzender" wurde im Sinne von "ständig unter uns anwesend" gebraucht. Als der Freiheitskampf der Indianerstämme ab 1866 in seine heißeste und letzte Phase eintrat, gehörte Sitting Bull bereits zu den großen Hoffnungsträgern der roten Nationen. Neben seiner unbestrittenen Position als Oberhäuptling gewann der Hunkpapa-Dakota auch zunehmend Einfluss als Medizinmann.
Der letzte große Sieg
Zur eindeutigen Symbolfigur für Freund und Feind wurde Sitting Bull jedoch im Jahr 1876, als die Indianerschlacht am Little Big Horn den Dakota und ihren Verbündeten einen letzten großen Sieg einbrachte. Sitting Bull galt als Hauptgegner von General Custer, welcher mit fast allen Soldaten den Tod fand. Dank einer strategisch grandiosen Leistung floh der Häuptling anschließend vor einer übermächtigen und rachsüchtigen "Strafexpedition" nach Kanada.
Sitting Bull, sein Leben und Vermächtnis |
Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses |
Die Indianerschlacht am Little Big Horn . |
Der siegreiche Verlierer
Vier Jahre lang lebten die Indianer dort in relativer Freiheit. Doch dann versagte die britisch-kanadische Regierung ihnen jegliche Unterstützung. Die Dakota mussten schließlich nach und nach ihre Habe verkaufen, um nicht zu verhungern. Immer mehr Stammesangehörige kehrten in die USA zurück, um ihr Dasein als Gefangene auf Reservationen zu fristen. Letztendlich gab auch Sitting Bull auf und stellte sich am 20.Juli 1881 den Amerikanern. Begleitet wurde er von 45 Kriegern und ihren Familien, insgesamt 168 Personen.
Noch immer hetzten die amerikanischen Nachrichtenblätter zu diesem Zeitpunkt gegen den "indianischen Mörder". Man fürchtete nicht zu Unrecht seinen Einfluss auf die Reservationsindianer. Mehrfach wurden Sitting Bull und seine Getreuen daher umgesiedelt, bis sie sich schließlich in der Standing-Rock-Reservation niederlassen durften, welche von Fort Yates aus gut kontrolliert werden konnte.
Der Geistertanz als spiritueller Ausweg
Sein Ruhm wurde dem großen Häuptling nun zum Verhängnis. Das Militär beobachtete ihn scharf, denn man glaubte, dass die einst so stolzen Indianer unter Führung Sitting Bulls einen Aufstand versuchen könnten. Genährt wurde diese Befürchtung durch das Aufkommen der Geistertanz-Bewegung, welcher auch Sitting Bull (allerdings nicht in führender Rolle) anhing.
Ein Paiute-Indianer namens Wowoka behauptete 1890, ein Prophet des Messias zu sein. Er vermischte christliche Wiederkunftserwartungen mit den Hoffnungen der unterdrückten und gedemütigten Indianer auf Frieden, Wohlstand und Menschenwürde und kreierte einen meditativ-mystischen Tanzkult. Die Teilnehmer steigerten sich dabei in Hypnosen, ekstatische Zustände und Selbstsuggestion hinein. Das Ziel war die Befreiung von der weißen Vorherrschaft auf ausschließlich geistiger, also rein friedlicher, Ebene.
Doch bei den Dakota machten die Medizinmänner des sich schnell ausbreitenden Kults leider auch andere Aussagen. Die Botschaften lauteten nun: Unverwundbarkeit im Kampf durch kugelsichere Geisterhemden, Verwandlung aller Feinde in Hunde sowie Rückkehr der Büffelherden.
Historisch fundierte Romanreihe, die auch Sitting Bull mit einbindet.
Im 20. Jahrhundert angesiedelte Fortsetzung von "Die Söhne der großen Bärin" mit zahlreichen Bezügen zu realen Ereignissen.
Sitting Bulls Untergang
Den US-Behörden war dieser plötzliche Optimismus in den Dakota-Reservationen suspekt. Man nahm fälschlicherweise an, der berühmte Häuptling sei die treibende Kraft der Geistertanz-Bewegung.
Als sich Sitting Bull im Oktober 1890 in der Trance eines Geistertanzes kämpferisch äußerte und wenig später einen Besuch bei anderen Stammesführern plante, wurde seine Inhaftierung beschlossen, welche, wie eingangs beschreiben, in einem Blutbad endete. Die letzte große Symbolfigur des indianischen Freiheitskampfes war tot.
Ein unwürdiges Begräbnis und die Folgen
Sitting Bulls grässlich entstellter und steif gefrorener Leichnam wurde von den Soldaten in eine enge Holzkiste gequetscht und auf dem Friedhof von Fort Yates regelrecht verscharrt. 63 Jahre lang verwilderte das unwürdige Grab weitgehend unbeachtet. Doch im März 1953 änderte sich dieser Fakt auf verwirrende Weise. Sitting Bulls in Süd-Dakota lebenden Nachkommen beantragten bei den Behörden von Nord-Dakota erfolglos eine Umbettung des Leichnams. Ungefähr 5.000 Dakota hielten daraufhin ein "Indianerkonzil" ab und berieten über die weitere Vorgehensweise. Unter anderem wurden die Errichtung eines Denkmals sowie die Schaffung eines dazugehörigen, touristisch anziehenden Parks ins Auge gefasst. Auf nicht vollständig geklärte Weise entstanden jedoch plötzlich neue Realitäten. Mehrfach wurde die ungepflegte Grabstelle in Fort Yates offenbar von Grabräubern heimgesucht. Seitdem reklamieren zwei Orte Sitting Bulls letzte Ruhestätte für sich. Die Indianer in North Dakota bestreiten den Erfolg der Grabräuber und verweisen nach wie vor auf Fort Yates. Die dortige Grabstätte in einer immer noch recht trostlos wirkenden Landschaft wurde mit einer Gedenktafel versehen, wirkt ansonsten jedoch ziemlich ungepflegt.
Östlich der Stadt Mobridge hingegen (ebenfalls zur Standing-Rock-Reservation gehörend) befindet sich in landschaftlich schöner Umgebung das angeblich wirkliche Grab Sitting Bulls, ergänzt um ein beeindruckendes Denkmal für den großen Häuptling. Welches Grab nun die echten Gebeine Tatanka Yotankas enthält, bleibt also eine Glaubensfrage. Der Erinnerung an den berühmten Indianer-Führer tut dies allerdings keinen Abbruch...