Fatso – fett, verklemmt, vulgär!

Rinos (Nils Jørgen Kaalstad) größte Leidenschaft sind Pornos. Aus nachvollziehbaren Gründen, denn beim anderen Geschlecht hat der dicke und schüchterne Mittzwanziger nicht die geringsten Chancen. Seinen tristen Alltag des beruflichen Übersetzens von Gebrauchsanweisungen aus dem Deutschen ins Norwegische lockern nur die Saufgelage mit Freund Fillipp (Kyrre Hellum) und das heimliche Zeichnen obszöner Comics auf.

Dies ändert sich schlagartig, als ihm sein Vater eine Mitbewohnerin in die Wohnung einquartiert. Die hübsche, lebenslustige Malin (Josefin Ljungman) verdreht ihm völlig den Kopf. Dumm nur, dass sie bereits einen Freund hat, der zu Rinos Verdruss jeden Abend für ein lautstarkes Liebesspiel im Nebenzimmer sorgt. Dennoch gibt der sexuell frustrierte Kassenbrillenträger nicht auf und schafft es, sich der attraktiven Malin behutsam anzunähern. Dabei gerät er jedoch von einem Schlamassel ins Nächste und lässt kein Fettnäpfchen aus …

Skandinavisches "American Pie"

Vermutlich kann Regisseur Arild Fröhlich die unablässig gezogenen Vergleiche mit der US-Kinoserie "American Pie" nicht mehr hören. Trotzdem muss er gute Miene zum bösen Spiel machen, da sich tatsächlich einige Parallelen zum Komödienhit von 1999 nicht abstreiten lassen. Beispielsweise zweckentfremdet Anti-Held Rino eine Honigmelone in derselben Weise, wie es einem unschuldigen Kuchen in "American Pie" widerfuhr.

Die Gags zielen indes noch tiefer unter die Gürtellinie und kennen keinerlei Tabu- oder Schamgrenzen. Deftige Dialoge und freizügige Szenen sind die für hiesige Breiten ungewohnte Folge. Wobei sich Arild Fröhlich besonderes Lob dafür verdient hat, seinen Protagonisten nicht bloßzustellen, sondern ihn als durchaus sympathischen Loser darzustellen. Anders als in "American Pie" handelt es sich bei Rino aber nicht um einen feschen jungen Mann, sondern um einen pornosüchtigen Egomanen mit unangenehmen Eigenheiten wie Masturbationsorgien oder akutem Frisurenproblem.

 

Fatso, oder: Wovon Außenseiter träumen

Obwohl die Zutaten für eine konventionelle Komödie gegeben sind, verweigert sich der Streifen den üblichen Klischees und zeichnet ein passagenweise ernsthaftes Charakterbild eines Außenseiters, der von Liebe träumt und bloß unbefriedigende Erleichterung seiner Bedürfnisse findet. Auch das überraschende Auftauchen der umwerfenden Blondine Malin verändert Rinos Persönlichkeit nicht grundlegend. Was in einem typischen US-Blockbuster unweigerlich in einem Happyend münden würde, führt in "Fatso" zu allerlei skurrilen Absurditäten, die erstaunlicherweise dennoch viel eher an der Wirklichkeit kratzen, als es zuckersüßen Hollywood-Produktionen gelingt.

 

Ungewöhnlicher Comicstil à la "Ben X"

Der cleverste Schachzug des Filmes besteht darin, das komplexe Seelenleben des Protagonisten via seiner eigenen, animierten Zeichnungen eindrücklich abzubilden. Bei den im Comicstil, ähnlich des niederländischen Sozialdramas "Ben X," gehaltenen Sequenzen bleibt das Lachen oftmals im Halse stecken und schleicht sich mitunter ein Anflug schlechten Gewissens ein. Immerhin amüsiert man sich über das Leid eines Außenseiters. Doch Rino selbst wischt potenzielles schlechtes Gewissen mit seiner wenig feinfühligen Art leichthin weg.

 "Fatso – und wovon träumst du?" basiert zwar auf dem provokanten Roman "Fatso" des Norwegers Lars Ramslie, wurde aber erheblich entschärft, um Anti-Held Rino nicht in allzu schiefes Licht zu rücken. Ob man diese Entscheidung gutheißt oder bedauert ist unerheblich, bietet der Film doch anderthalb Stunden bester Unterhaltung mit ungewöhnlichen Plotwendungen, beißendem Humor und sozialkritischen Ansätzen, die mitunter etwas Fahrt aus der schwungvollen Komödie rausnehmen.

Filmfreunde, die von der ewig gleichen Hollywoodrezeptur für Kinohits genug haben, machen mit einem Griff zu "Fatso – und wovon träumst du?" jedenfalls nichts falsch und dürfen sich auf unterhaltsame neunzig Minuten freuen.

Nikakoi, am 25.12.2014
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