Flugzeugessen: Feinschmeckers Frust
Häufig erhalten Mahlzeiten an Bord eines Flugzeugs schlechte Noten. Die speziellen Herausforderungen für das Zubereiten der Bordmahlzeiten sind weitgehend unbekannt.Dauerthema bei Flugreisenden - Das Essen an Bord hat mal wieder nicht geschmeckt
Sie sind ja nicht Neues: diese Typen, die meinen, besondere Weltläufigkeit damit zu demonstrieren, indem sie lässig ablästern über Reisetraumziele wie die Südsee – "Hässlich hoch drei da... kannste voll vergessen..." –, über verpimpelte Urlauber, die völlig uncool in Hotels abhängen, statt als Backpacker die Gegend zu durchstreifen. Und, na klar, das Flugzeugessen ist regelmäßig ein Fraß.
Vor dem geistigen Auge öffnet sich bei ihrem Getöse in einem unwillkürlich ein Fenster, in dem sie zu Hause gierig beim Löffeln kalter Ravioli direkt aus der Dose zu sehen sind.
Viele Urlauber sowie erfahrene Vielflieger können solchen Pauschalisierungen mit Leichtigkeit widersprechen, nicht nur in Bezug auf individuelle Reisevorlieben verschiedener Charaktere, die wohl jedem selbst überlassen sind. Sie haben dazu auch durchaus schon lecker bis vorzüglich über den Wolken gespeist, ohne dabei in der 1. Klasse oder Business Class gesessen zu haben.
Jedoch mal ehrlich: So richtig lecker ist Flugzeugessen eher selten. Das müssen auch Vielgereiste zugeben. Der Geschmack ist oft fade, Brötchen sind lasch und der Salat müde, wenn es nicht der anscheinend unverwüstliche Eisbergsalat ist. Warum gibt es so häufig Nudeln oder Reis, warum so selten Kartoffeln und warum eigentlich nie Pommes frites? Und weshalb sind da oben immer alle so verrückt nach Tomatensaft, obwohl außerdem Orangensaft und Apfelsaft im Angebot sind und es sich auf Erden mit den Bestellungen dafür umgekehrt verhält?
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Weswegen das Essen im Flugzeug keine Restaurantqualität haben kann - Zum Beispiel fehlt die Küche
Jeder Fluggast kommt während des Fluges beim Beinevertreten oder Gang zur Toilette irgendwann an der Galley vorbei, dem kleinen Küchenraum im Flugzeug. Meistens löst der Anblick Staunen aus, dass von so einem kleinem Raum aus die Mahlzeiten und Getränke vorbereitet und verteilt werden. So geschickt der Platz darin auch genutzt ist, erscheint es doch als kleines Wunder, vor allem, weil das Personal ja auch noch darin Platz finden und arbeiten muss. Schnell wird klar, dass es sich hier um keine echte Küche, sondern um einen Zubereitungsraum handelt.
Zusammengestellt, vorgekocht und verpackt wird das Flugzeugessen von Cateringfirmen am Boden. Bereits bei Anlieferung an Bord des Flugzeugs ist es schon mehrere Stunden alt. Während eines mehrstündigen Fluges nagt der Zahn der Zeit weiter daran. Doch hieran liegt es nicht allein, dass der Salat schlapp wird und das Aroma der Speisen schwindet.
Ausflug in die Galley
Luft hat keine Balken, aber viele Handicaps - Jetzt kommt ein bisschen Physik ins Spiel
In 10.000 Metern Reiseflughöhe herrschen andere physikalische Bedingungen. Die Tatsache, dass in so großer Höhe der Luftdruck niedriger ist und die Luft in einem Flugzeug stets sehr trocken, wirkt sich nämlich in erheblichem Maße auf die Qualität des Flugzeugessens aus! Die Nahrungsmittel verändern sich, manche so sehr, dass sie für die Bordverpflegung ausscheiden.
Es leuchtet ein, dass Hülsenfrüchte oder Kohl keine idealen Lebensmittel auf Flügen darstellen. Was bereits auf der Erde problematisch werden kann, ist es im oberen Luftraum erst recht, denn dort neigt der Verdauungstrakt ohnehin stärker zu Blähungen. Niedriger Luftdruck bewirkt, dass sich die Darmgase bis zu 40 % stärker ausdehnen als am Boden. Aus diesem Grund gibt es an Bord andere Gemüse ebenfalls nur in kleinen Portionen.
Wegen des niedrigeren Luftdrucks bleibt die Knackigkeit von Brötchen auf der Strecke und Pommes frites wären eine Enttäuschung.Bei niedrigem Luftdruck lässt die Empfindungsfähigkeit von Geruchs- und Geschmacksnerven nach. Salz wird um ein Fünftel bis ein Drittel weniger intensiv wahrgenommen, für Zucker sinkt das Geschmacksempfinden um ein Siebtel bis ein Fünftel. Gewürze sowie Aromen wie zum Beispiel solche von Kräutern wirken ebenfalls schwächer. Nur am Wahrnehmen von Säuren ändert sich nichts.
So wird rasch klar, warum Flugzeugessen entweder fade wirkt oder aber entsprechend stärker gewürzt ist. Letzteres hat zur Folge, dass Passagiere noch durstiger werden, als sie dies wegen der trockenen Kabinenluft ohnehin schon sind. Es kann also für eine Airline günstiger sein, Essen nicht entsprechend nachzuwürzen, denn ausgelöster vermehrter Durst bedeutet ein höheres Transportgewicht aufgrund erforderlicher größerer Getränkevorräte.
Es ist ein Dilemma, dem sich mit leichtem Sarkasmus à la "Gemeckert wird ja sowieso" auf diese Weise begegnen lässt.
Das Tomatensaft-Phänomen . . .
Das Geheimnis um die enorme Nachfrage nach Tomatensaft auf Flugreisen ist hiermit ebenfalls gelüftet. Im irdischen Alltag oft als geschmacklich dumpf beurteilt und oft lieber mit speziellen Zutaten wie Wodka als "Bloody Mary" genossen, offenbart sich Tomatensaft in zehn Kilometern Höhe durch seine erhaltenen und nun dominanten Säuren als spritzige Erfrischung.
Das Tomatensaft-Phänomen gab für die Deutsche Lufthansa den Anlass, das Fraunhofer Institut mit Forschungen zum unterschiedlichen Verhalten der Nahrungsmittel am Boden und in der Luft zu beauftragen. Was für Tomatensaft gilt, zeigt sich vergleichbar bei Weinen.
Die Erkenntnisse sollen für künftige mögliche Verbesserungen des Flugzeugessens genutzt werden. Hier ließe sich "das Pferd von hinten aufzäumen", indem Bordspeisen so vorbereitet werden, dass sie zwar auf Bodenhöhe weniger köstlich erscheinen, auf der späteren Reiseflughöhe aber viele Gäste glücklich machen.
Nicht gleich gnadenlos verurteilen - Stattdessen andere Maßstäbe anlegen
Dies alles in Erfahrung gebracht lässt jemanden bestimmt auf dem nächsten Flug das Essen unter anderen Aspekten und vor allem nicht so überkritisch bis herablassend beurteilen. Die vorbereitenden Köche versuchen ja, das Beste aus den Zutaten herauszukitzeln, aber Physik und Chemie bedeuten ein Extra-Handicap.
Dazu müssen möglichst viele Geschmacksrichtungen und Essensregeln internationaler Reisender berücksichtigt werden. Die relativ wenigen Gerichte, die auch in großer Höhe super schmecken und gut verträglich sind, können nicht ständig serviert werden, sonst jammern die Menschen wieder über zu wenig Abwechslung. Reis und Nudeln als unkomplizierte Grundzutaten tauchen dafür in unzähligen Variationen immer wieder auf. Das wird wohl auch nach Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse aus der "Verhaltensforschung der fliegenden Lebensmittel" so bleiben. Aber die Küchengeister der Airlines kümmern sich.
Weitere Ergebnisse zeigten, dass sich Lärm im Flugzeug ebenfalls negativ auf die geschmacklichen Sinneseindrücke von Speisen und Getränken auswirkt. Es wird spannend bleiben.
Statt über Dinge zu nörgeln, die sich oft nicht ändern lassen: Wie wäre es mit
"Flugzeugessen ist kein Fraß – es schmeckt bloß anders."
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Bildquelle:
a.sansone
(Weihnachten in den Bergen)
a.sansone
(Die Kuh am Wanderweg - ein Problem?)