Gott sei Dank unvollendet: Internierungslager in der DDR
Was die sozialistische Herrscherkaste mit Andersdenkenden vorhatteInternierungslager: Vorbereitungen mit deutscher Gründlichkeit
Die im Stasi-Jargon als "Vorbeugekomplex" beschönigten Isolierungsmaßnahmen haben ihren Ursprung in den traumatischen Erfahrungen des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953.
Seitdem bereitete sich die SED-Führung auf einen erneuten "Ernstfall" vor. Diese Überlegungen mündeten in die Direktive 1/67 des Stasi-Ministers Mielke. Darin setzte er Anweisungen des Nationalen Verteidigungsrates (NVR) vom 26. Januar 1967 um. Mielkes Direktive umfasste die technischen Aspekte der Lagereinrichtung ebenso, wie die Typisierung der vorgesehenen Opfer und die Vorgehensweise bei der Verhaftung.
Zu diesem Zweck wurden für jede Zielperson detaillierte Angaben hinterlegt. Dazu sollen auch akribische Beschreibungen der jeweiligen Wohnhäuser bis hin zur Position der Klingel gehört haben. Der Datenbestand wurde bis in die Wendezeit hinein ständig aktualisiert. Im Jahr 1988 waren somit exakt 85939 missliebige DDR-Bürger für besondere Maßnahmen vorgesehen:
- 10726 Personen sollten sofort in Lager verbracht, weitere 2955 inhaftiert werden.
- 71321 Menschen galten als "feindlich-negativ". Vermutlich drohte auch ihnen beim geringsten Verdacht die Lagerhaft.
- Sogar vor dem sozialistischen Verwaltungsapparat machte die Stasi nicht Halt. 937 Verantwortungsträger wurden als unzuverlässig eingestuft, sollten zunächst verschärft überwacht und schließlich abgelöst werden. Welches Schicksal ihnen danach gedroht hätte, kann nur vermutet werden...
Nicht nur echte Oppositionelle, sondern auch "Querulanten", Wehrdienstverweigerer oder die Erzähler politischer Witze (also quasi alle) standen in der Gefahr, Lagerinsasse zu werden. Doch damit nicht genug. Bis zu 26000 Ausländer, beispielsweise Diplomaten und Transitreisende, sollten ebenfalls hinter Stacheldraht verschwinden. Nur für diese Personengruppen vorgesehene Einrichtungen galten im Amtsdeutsch als Internierungslager. Jene für DDR-Bürger hingegen wurden als Isolierungslager bezeichnet.
Kommunistische Planspiele für den Ernstfall
Ein einziges Codewort hätte genügt, um diese wahnwitzigen Pläne der roten Herrscher zu verwirklichen. In dem Fall wäre Mielkes Maschinerie zügig vorgegangen, um die Namenslisten abzuarbeiten. Die Opfer sollten zunächst in vorläufige Isolierungsstützpunkte verbracht werden. Jene Objekte mussten innerhalb von 24 Stunden durch Stacheldraht, Metallzäune und Wachhunde entsprechend gesichert sein. Als vorläufige Stützpunkte galten Stasi-Dienststellen, jedoch auch Ferienlager, Garagen, Messehallen oder Wohnheime. Besonders perfide: Bereits zu diesem Zeitpunkt hätten sich unter den Gefangenen getarnte Spitzel befunden. Man wollte schließlich umfassend informiert sein. Ungefähr eine Woche später sollte der Abtransport in die mittlerweile vorbereiteten Lager erfolgen.
Die Isolierungs- und Internierungslager
Als geeignete Lagerstandorte wurden offenbar historische Festungen und andere Gelände mit baulich günstigen Voraussetzungen angesehen. Beispielsweise sollte einer der sächsischen Standorte die Augustusburg werden (siehe Titelbild). Unter dem Decknamen "Gitter 1" war dort die Internierung von bis zu 6000 Menschen vorgesehen. In der gleichen Region befand sich auch die so genannte Strobelmühle. Dabei handelte es sich (ebenso wie im mecklenburgischen Waren oder im thüringischen Rathsfeld) um ein Objekt, das zu dieser Zeit als Kinderferienlager und /oder für die vormilitärische Ausbildung der Jugend genutzt wurde.
Aus dem Jahr 1983 stammt eine detaillierte Vorstellung der Stasi zu äußeren und inneren Umständen des Lagerlebens. Darin wird eine Mindestentfernung zur westlichen Grenze ebenso festgelegt, wie die Distanz zu geschlossenen Ortschaften. Erwähnung finden jedoch auch Floskeln wie "Arbeitseinsatzbetrieb". Offenbar sollten die Gefangenen Zwangsarbeit verrichten. Doch dies war nicht die einzige Parallele zur Hitlerdiktatur.
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Erschreckende Parallelen
Es ist immer schwierig, etwas mit den Untaten der Nazis zu vergleichen, vor allem in Deutschland.
Vielen Menschen erscheinen die fürchterlichen Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus so ungeheuerlich, dass sich ein Vergleich scheinbar verbietet. Im Fall der DDR kommt hinzu, dass diese oft als relativ harmlose, gescheiterte Republik mit ursprünglich guten Absichten dargestellt wird. Lassen sich beide Diktaturen also wirklich miteinander vergleichen?
Die kommunistischen Verbrechen in Ostdeutschland, unter anderem in Torgau, Hoheneck und den Speziallagern der Nachkriegszeit beweisen allerdings, was jederzeit möglich war. Es sind die Kennzeichen jeder Diktatur, unabhängig von ihrer Ideologie. Extremistische Weltanschauungen können nur auf diese Weise herrschen, weil sich ihnen niemals alle Bürger freiwillig unterordnen werden.
Deshalb scheint ein Vergleich der geplanten Internierungslager mit Hitlers Konzentrationslagern durchaus angebracht. Das Vokabular und der Organisationsaufbau der Internierungspläne gleichen erschreckend denen, die ein gewisser Reinhard Heydrich im Dritten Reich bezüglich der Konzentrationslager entwarf und umsetzte. Mit der sächsischen Burg Hohnstein fasste die Stasi zudem einen Standort ins Auge, der schon unter Hitler kurzzeitig als Konzentrationslager fungiert hatte! Auch die geplante Internierung von Ausländern erzeugt recht ungute Assoziationen zur braunen Diktatur.
Nach Hitlers Sturz dauerte es 23 Jahre, bis die so genannten 68er das Schönreden des Naziregimes beendeten. Seit dem ostdeutschen Wendeherbst sind inzwischen mehr als 23 Jahre vergangen. Doch der gesellschaftliche Aufschrei über die Verharmlosung roter Verbrechen ist bisher weitgehend ausgeblieben...
Quellen:
Aussagen von Zeitzeugen