Hexenjäger Hänsel und Gretel

Tatort dunkler Wald: Die Geschwister Hänsel und Gretel werden von ihrem Vater ausgesetzt und prompt von der bösen Hexe gefangen genommen. Hänsel wird gemästet, um als Festtagsbraten zu enden. Doch die Kinder tricksen das alte Weibsstück aus und verbrennen es im Ofen. So weit, so bekannt (und so politisch unkorrekt: Die arme Hexe! Missverstandenes, feministisches Opfer der neo-liberalen Männergesellschaft!).

Was die Gebrüder Grimm zu erwähnen vergaßen: Die Kinder wachsen zur attraktiven Gretel (Gemma Arterton) und dem toughen Hänsel (Jeremy Renner) heran und  verdingen sich als Hexenjäger. In Augsburg retten sie eine als Hexe beschuldigte junge Frau und werden vom Bürgermeister (Rainer Bock, nicht mit dem Artikelautor verwandet) gebeten, die vielen verschwundenen Kinder der Stadt aufzuspüren. Diese wurden offensichtlich von einer bösen Hexe (Famke Janssen) entführt. Zu welchem Zwecke, das werden Hänsel und Gretel schon bald herausfinden … schließlich ist der Film nur knapp eineinhalb Stunden lang.

„Nur eine tote Hexe ist eine gute Hexe!" - Hexenjäger Hänsel

Verfilmungen bekannter Märchen und Sagen gehören seit jeher zum Beuteschema Hollywoods. Mehr oder weniger dreist wird der mythologische Fundus geplündert, was dazu führt, dass alleine vom berühmten Detektiv Sherlock Holmes mittlerweile fast 300 Verfilmungen existieren. Eine kaum noch überschaubare Vielzahl an unterschiedlichen Filmadaptionen bietet insbesondere das Märchengenre. Abseits der beliebten Disney-Zeichentrickfilme, wurden und werden Stoffe wie "Aschenputtel" immer wieder neu verfilmt.

Seit einigen Jahren weichen manche dieser Verfilmungen jedoch stark von den bekannten Erzählmustern ab und peppen die Vorlagen mit düsterer Atmosphäre und mitunter Splattereinlagen auf. "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" ist somit beileibe nicht der erste Versuch, ein bekanntes Märchen mit modernen Stilmitteln (und viel CGI-Zauber) einem jüngeren Publikum schmackhaft zu machen.

Der Fantasy-Komödien-Mix stellte sich aber als einer der wenigen einschlägigen Streifen heraus, der an den Kinokassen ordentlich Kohle einstreifte. Mit Ausnahme von "Snow White And The Huntsman", der sein Einspielergebnis von 400 Millionen Dollar wohl in beträchtlichem Maße seiner im Zuge der "Twilight"-Blockbuster gehypten Hauptdarstellerin Kristen Stewart verdanken dürfte, fanden derartige Stoffe erstaunlich wenige Zuschauer.

Auch der vom Norweger Tommy Wirkola inszenierte "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" spielte in den USA gerade einmal sein 50-Millionen-Dollar-Budget ein. International räumt der Film an den Kinokassen jedoch in ordentlichem Maße ab. Passenderweise verriss die US-Kritik den Streifen, während zumindest in Europa die Kritiken moderater ausfielen.

Hänsel und Gretel mit Maschinengewehren

Ist "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" nun ein Feuerwerk an ironischem Witz und fulminanter Story oder doch nur ein müder Abklatsch ähnlich gestrickter Filme? Wie so oft liegt die Wahrheit in der Mitte, mit starker Tendenz zu einer positiven Bewertung. Regisseur Tommy Wirkola – in der Horrorszene durch "Dead Snow" und das bekloppte Konzept des Überlebenskampfes einer Gruppe von Studenten gegen Nazi-Zombies bekannt geworden – inszeniert einen durchaus launigen Mix aus Märchen und Actionfilm, gewürzt mit einem Schuss Splatter. Bereits der makaber gestaltete Vorspann sollte Eltern dazu anhalten, ihre Kinder ins Bett zu schicken und die Filmbeschreibungen auf "Amazon" in Zukunft genauer zu lesen.

Von Beginn weg lässt Tommy Wirkola keinen Zweifel an der Ausrichtung von "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" aufkommen: Hier regieren Splatter, düstere Atmosphäre und grimmiger Humor, der freilich mit den Gebrüdern Grimm wenig zu tun hat. Hier fällt das situationsbezogen meist angebrachte Wörtchen "Scheiße" des Öfteren, außerdem darf Hänsel im Märchen-Dschungelcamp eine der Hexerei angeklagte Schöne verknuspern. Nicht immer fällt der Humor auf fruchtbarem Boden, doch insbesondere in der ersten halbe Stunde gibt es einige Szenen, die zum Schmunzeln reizen. Etwa der originelle Einfall, Hänsel mit der Zuckerkrankheit zu belegen, auf Grund dessen er sich immer wieder eine Spritze setzen muss. Logisch: im Knusperhäuschen musste er ja schließlich allerlei Süßigkeiten in sich hineinstopfen. Witzig mutet auch an, dass ein Milchhändler in Augsburg, wo mehrere Kinder verschwunden sind, seine Milchflaschen mit Bildern der vermissten Kinder etikettiert.

Freilich: Derlei Anachronismen darf man nicht ernstnehmen. Denn an allen Ecken und Enden werden unzeitgemäße Schusswaffen eingesetzt, wie etwa ein Pfeile verschießendes Maschinengewehr, und mitten in die Grimm'sche Märchenwelt gesellt sich ein waschechter Troll, der übrigens kein schmückendes Beiwerk darstellt, sondern für die weitere Handlung von entscheidender Bedeutung ist.

Was wäre, wenn ... Hänsel und Gretel Hexenjäger wären?

Inszeniert ist das mythologische Tohuwabohu jedoch kompetent und knackig, sodass sich der Zuschauer gedanklich mit den seltsamen (und nicht unbedingt logischen) Plotwendungen oder Anachronismen nicht allzu lange aufhält.

Wenn Hänsel, Gretel und ihre unbedeutenderen Sidekicks nicht gerade mit der Hexenjagd beschäftigt sind, klopfen sie mal mehr, mal weniger witzige Sprüche, wobei erstaunlicherweise ein mit dem Film verbundener Oneliner fehlt – angesichts der Thematik hätten sich hierfür genügend Möglichkeiten eröffnet. Dem stilgerecht in Deutschland gedrehten Film haftet durch massiven Kulisseneinsatz und mitunter nicht immer überzeugender CGI zwar viel Künstlichkeit an, durch die augenzwinkernde Interpretation des Hänsel-und-Gretel-Stoffes stört dies aber nicht weiter.

Störender sind da schon die mittlerweile aus vielen modernen Filmen gewohnt unübersichtlichen Kampfszenen, die meist entweder durch zu viele Schnitte zerhackt werden oder zu nahe am Geschehen dran sind. Auch in Punkto Charakterzeichnung wurde grob geschnitzt. Dadurch bleiben die meisten Figuren steril, insbesondere das wie nachträglich ins Script eingeflickt wirkende Love Interest. Und trotz mitunter überraschender Splattereinlagen, bewegen sich gerade die Hexen in bekannten Bahnen. Hierbei hätte "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" mehr Mut zur Hässlichkeit beweisen können.

Seitens der Darsteller gibt es kaum etwas zu bekritteln: Jeremy Renner ("Thor", "28 Weeks Later", "Mission: Impossible – Phantom Protokoll") und Gemma Arterton ("James Bond 007: Ein Quantum Trost", "Kampf der Titanen") erledigen ihre Aufgaben mit Bravour, ohne dabei zu glänzen. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass zwischen den beiden im Film als gleichaltrig dargestellten Schauspielern 15 Jahre Altersunterschied liegen. Vielleicht handelt es sich hierbei aber um einen ironischen Witz,

Fazit: Alles in allem erweist sich "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" als überraschend vergnüglicher Streifzug durch ein "Was wäre, wenn …?"-Universum, das dort beginnt, wo Grimms Märchen endet.

Originaltitel: Hansel and Gretel: Witch Hunters

Regie: Tommy Wirkola

Produktionsland und -jahr: USA/D, 2013

Filmlänge: ca. 88 Minuten

Verleih: Paramount Pictures

Deutscher Kinostart: 28.2.2013

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

Laden ...
Fehler!