Urknall (Bild: geralt/Pixabay.com)

Entwicklung des Universums (Bild: Wikilmages/Pixabay.com)

"Big Bounce" – das Modell eines zyklischen Universums

Ein vielversprechender theoretischer Ansatz setzt an die Stelle des "Big Bang" den "Big Bounce". Dieser Theorie zufolge gab es vor unserem Universum bereits ein anderes. Und dieses Vorgängeruniversum kollabierte. Das heißt: Es expandierte nicht (mehr), sondern verdichtete sich immer weiter – bis auf den kleinsten Punkt, aus dem heraus sich anschließend das aktuelle Universum wieder aufblähte. Ein kollabierendes Universum zog sich also immer weiter zusammen, bis die abstoßenden Kräfte so stark wurden, dass sich die Bewegung umkehrte. Das Universum wird hier mit einem aufgeblasenen Luftballon verglichen, aus dem die Luft entweicht. Er schrumpelt zusammen, bis die Hülle aneinanderklebt. Dann durchdringen sich – so das Modell – die Wände des Ballons. Was vorher innen war, ist jetzt außen. Und mit einem "Big Bounce", dem großen Abprallen der Ballonwände voneinander, beginnt die Expansion. Der Luftballon gewinnt wieder an Volumen und erreicht irgendwann seine alte Größe. Demzufolge ist der Urknall nur ein Durchgangsstadium gewesen, in dem sich ein früherer Kosmos in unser All umwandelte. Ferner wird hier für möglich gehalten, dass sich der "Ballon" über Jahrmilliarden hinweg immer wieder aufbläht und anschließend verdichtet, dass also das Universum immer wieder in sich zusammenfällt und neu geboren wird. Deshalb könnte man hier auch von der Vorstellung eines zyklischen Universums sprechen.

Die Theorie der Quantenschleifen-Gravitation

Grundlage des Modells des Big Bounce ist die u. a. von dem Physiker Martin Bojowald entwickelte Theorie der Quantenschleifen-Gravitation. Diese Theorie entstand bei dem Versuch, die Allgemeine Relativitätstheorie mit der Quantentheorie zur "Quantengravitation" zu vereinigen und damit die lange gesuchte Weltformel zu finden, die alle physikalischen Vorgänge im Kosmos erklärt. Und zwar setzt sich der Theorie der Quantenschleifen-Gravitation zufolge die Raumzeit aus Quanten zusammen, also aus winzigen, zusammenhängenden Elementen. Man spricht hier von einem Gewebe kleinster Schleifen. Dieses Gewebe bewirkt, dass die Raumzeit nicht beliebig schrumpfen kann, weil durch die Quanteneffekte die Gravitation nicht mehr nur anziehend, sondern auch abstoßend wirken kann. Man kann auch sagen: Wenn sich die Raumzeit auflöst, widersetzen sich die winzigen Schleifen einer weiteren Verdichtung, weil sich die Gravitation durch die Quanteneffekte in eine stark abstoßende Kraft verwandelt, so dass der Zusammensturz des Universums gestoppt wird. Anschließend sortieren sich die Schleifen wieder in ein glattes Raumzeit-Gefüge und sorgen für eine explosive Ausdehnung des Alls. Die Erkenntnis, dass die Raumzeit aus einem Gewebe von Quantenschleifen besteht, bedeutet folglich, dass es niemals einen Punkt unendlicher Dichte gegeben hat, von dem aus sich das Universum explosionsartig ausgedehnt hat, sondern dass sich immer nur der Übergang von einem Universum zum nächsten vollzogen hat.

Ballon (Bild: MissPiggy/Pixabay.com)

Kosmisches Schleifenmuster (Bild: geralt/Pixabay.com)

Die Theorie vom Urschwung

Die Theorie vom Urschwung, die die Astronomen Wolfgang Priester und Hans-Joachim Blome entwickelt haben, verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie das Modell des "Big Bounce". Denn auch hier wird davon ausgegangen, dass es vor dem Urknall bereits ein anderes Universum gab. Dieses enthielt aber – so die Theorie - keine Materie, sondern war von Quantenfeldern erfüllt, die aus reiner Energie bestanden. Dieser Kosmos zog sich langsam zusammen, bis er auf ein winziges Volumen mit hoher (aber nicht unendlicher) Energiedichte geschrumpft war. Die geballte Energie detonierte, und die Explosion brachte nun die Materie hervor. Das war der "Urschwung" – ein etwas sanfterer Urknall, in dem das ursprüngliche Universum in unseres überging, wobei wiederum nicht auszuschließen ist, dass es sich hier um einen Zyklus handelt.

Die Idee des Multiversums

Der Hypothese vom Multiversum zufolge ist unser Universum nicht isoliert, sondern es ist ein winziger Teil eines Hyperraums, in dem ständig Universen entstehen oder wieder vergehen. Und zwar beruht diese Hypothese auf der Stringtheorie, die Elementarteilchen als winzige vibrierende Saiten (Strings ) beschreibt. Auch die Stringtheorie stellt einen Versuch dar, die bisher unvereinbaren Gegensätze zwischen Einsteins Relativitätstheorie und der Quantenmechanik zu überbrücken, und war deshalb ebenfalls mit der Hoffnung verbunden worden, dass sie die lange gesuchte Weltformel liefern könnte. Dann zeigte sich jedoch, dass die Stringtheorie nicht nur eine Weltformel liefert, sondern unendlich viele, und daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass es keine eindeutige Weltformel geben kann, weil es nicht nur eine Welt gibt, sondern viele. Man hielt es also für möglich, dass jede Lösung, die die Stringtheorie anbietet, ein reales Universum beschreibt - mit eigenen Naturgesetzen und Naturkonstanten, einer eigenen Geschichte und einer eigenen Zukunft.

Die Größe unseres Universums

Bevor ich mit den Überlegungen zum Multiversum fortfahre, möchte ich kurz erläutern, wie groß unser Universum ist. Und zwar hat das Universum, soweit es für uns sichtbar ist, einen Durchmesser von 13,7 Milliarden Lichtjahren. Ein Lichtjahr entspricht 9,5 Billionen Kilometer. Ich wollte mal die ungefähre Zahl der Kilometer berechnen und habe deshalb 14000 000 000 mit 9000 000 000 000 multipliziert. Das Resultat ist: 126 000 000 000 000 000 000 000, also 126 Trilliarden Kilometer. Und ein Universum mit einem solch riesigen Durchmesser soll nur ein winziger Teil von etwas noch viel Größerem sein. Da kommt die menschliche Vorstellungskraft sicherlich an ihre Grenzen. Aber es gibt bekanntlich Vieles, was die Menschen früherer Zeiten für unvorstellbar hielten und was heute zu unserem Alltagswissen gehört.

Vorstellungen vom Multiversum

Sehr anschaulich ist die Betrachtung unseres Universums als einer Blase in einem unendlichen Netzwerk von Universen. Das heißt: Bei der Idee des Multiversums wird auch gern von einem Geflecht zahlreicher Blasen gesprochen, aus denen, während sie wachsen, unablässig weitere Blasen sprießen, wobei auch aus diesen wieder Blasen-Universen hervorgehen. Man könnte sich folglich den Hyperraum, in dem sich das alles abspielt, als ein gigantisches Schaumbad vorstellen.Die Geschichte der Entstehung eines Multiversums, die der US-Physiker John Richard Gott(!) und sein chinesischer Kollege Li-Xin Li erdacht haben, ähnelt der oben vorgestellten Theorie vom Urschwung, nur dass Gott und Li gleich von der Entstehung einer Vielzahl von Universen ausgehen. Danach könnte ein erstes Universum aus einer winzigen geschlossenen Zeitschleife hervorgegangen sein, und zwar durch "Quantenfluktuation". Das heißt: Die Zeitschleife war mit Quantenfeldern angefüllt, und ein Quantenfeld änderte sprunghaft seinen Energiewert. Es kam zu einem ersten Urknall, durch den ein Kosmos in eine raumzeitliche Existenz sprang, von dem sich weitere Universen – darunter auch unseres – abspalteten.

Leben wir in einem schwarzen Loch?

Eine weitere bemerkenswerte Variante der These vom Multiversum besteht in der Überlegung, dass wir in einem schwarzen Loch leben und dass hinter jedem schwarzen Loch ein weiteres Universum liegen könnte. Das heißt: Ein schwarzes Loch entsteht durch den Zusammensturz eines massereichen Sterns, der am Ende seines Daseins gemäß der Quantenschleifen-Gravitation auf ein Planck-Volumen – das ist die kleinstmögliche Einheit im Universum – schrumpft. Experten halten es nun für möglich, dass die Masse im schwarzen Loch von diesem Punkt aus wieder explosionsartig expandiert, was dem Urknall entspricht. Jeder Sternentod könnte damit zur Geburt eines neuen Universums führen. Zumindest die großen schwarzen Löcher, die sich im Zentrum jeder Galaxie befinden, könnten folglich Brücken in andere Universen sein. Und zwar können sich, wie neue Studien ergeben haben, tatsächlich im Inneren Schwarzer Löcher sogenannte Wurmlöcher befinden, die nach Expertenmeinung Tunnel durch Raum und Zeit darstellen. Durch diese Tunnel könnte man also in andere Galaxien oder auch in andere Universen gelangen. Schwarze Löcher scheinen also nicht nur diese Materie und sogar Licht verschluckenden Monster zu sein, als die sie bisher galten. Neue Forschungen haben sogar ergeben, dass Schwarze Löcher auch Licht aussenden. Die Vorstellung, dass sie möglicherweise "Geburtsstätte" neuer Universen sind, könnte ihr "Image noch weiter aufbessern".

Das Multiversum und der Mensch

Bleibt die Frage, wie der Mensch mit dem schwindelerregenden neuen Denkansatz des Multiversums umgehen, ob ihm dieser Denkansatz in irgendeiner Weise nützen könnte. Zunächst muss man sich vor Augen halten, dass es bei unendlich vielen Galaxien auch einen Planeten wie die Erde unendlich oft gäbe, samt all ihren Bewohnern. Wir alle hätten folglich unfassbar viele Doppelgänger, es gäbe alle möglichen Varianten unserer Lebensläufe, entsprechend allen möglichen Entscheidungen, die wir treffen und allen möglichen Schicksalen, die uns widerfahren können. Dies verweist auf die Erkenntnis der Quantentheorie, dass es keine objektive Realität gibt, sondern nur Wahrscheinlichkeiten für mögliche Existenzen, die erst durch bewusste Beobachtung in die Realität gehoben werden. Erst der Beobachter schafft also, indem er sich bewusst für eine bestimmte Möglichkeit entscheidet, die Realität. Das heißt – und nun wird es spannend: Wenn wir in unserem Universum eine bestimmte Entscheidung treffen, werden gleichzeitig all unsere Doppelgänger in den anderen Universen all die anderen Entscheidungen treffen, die auch möglich sind. Wir können deshalb auch sicher sein, dass, wenn wir im Leben mal eine falsche Entscheidung getroffen und dadurch eine Chance verpasst haben sollten, es einen oder mehrere Doppelgänger in anderen Universen gibt, die anders entscheiden und dadurch diese Chance wahrnehmen können. Vielleicht hat diese Vorstellung ja etwas Tröstliches. Das Gleiche gilt für die gesellschaftliche Ebene. So wird es Universen geben, in denen es auf "ihrer" Erde nie Diktaturen und große Kriege gegeben hat. Schließlich und endlich: Wenn es wirklich eine Vielzahl von Paralleluniversen gibt, sind diese auf der Quantenebene im Hyperraum miteinander verbunden, und zu dieser Quantenebene hat prinzipiell auch der menschliche Geist Zugang.

Doppelgänger (Bild: OpenClips/Pixabay.com)

Eine Parallele zum Mythos vom Weltenbaum?

Meines Erachtens liegt bei der Überlegung, dass unser Universum aus einem kosmischen Evolutionsprozess hervorgegangen ist, bei dem aus einem einmal geschaffenen Universum immer neue hervorgehen, die Vorstellung von einem Baum nahe, der sich immer weiter verzweigt. Vielleicht könnte man auf diese Weise den in vielen alten Kulturen verbreiteten Mythos, dass unsere Welt aus einem Weltenbaum entstanden ist, mit Hilfe der modernen Physik erklären. In dieser Perspektive könnte ein Quantenfeld, bei dem es zu einer Quantenfluktuation gekommen ist, die einen Urknall und damit die Entstehung eines Universums ausgelöst hat, aus dem immer neue Universen hervorgegangen sind, mit dem Samenkorn verglichen werden, das irgendwann zu sprießen begann, so dass sich etwas entwickelte, das größer und größer wurde, bis es zum Weltenbaum herangewachsen war. (S. dazu den interessanten Beitrag von "schreibspass" unter: http://pagewizz.com/wie-wirken-baume-auf-den-menschen-31821/)

 

Fazit

Obwohl der Denkansatz des Multiversums und damit die Überwindung der These von der Urknallsingularität phantastisch und schier unglaublich anmutet, hat er beste Chancen, das wissenschaftliche Weltbild ebenso zu revolutionieren wie seinerzeit die Erkenntnis des Kopernikus, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Der Abschied vom alten materialistisch-reduktionistischen Weltbild scheint dadurch endgültig besiegelt. Ebenso wie bei der herkömmlichen Urknalltheorie bleibt allerdings auch bei der Vorstellung vom Multiversum offen, wer oder was das Ganze bewirkt hat, wer oder was also die Entstehung der Universen in Gang gesetzt hat.

Bildnachweis

Alle Bilder: Pixabay.com

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