Immer den Winden folgend oder: Reisen bildet

SkippersichtAuf See










Wie kamen Sie als geborener Berliner Binnenländer eigentlich zum Segeln?

Berlin hat doch viel Wasser, nicht nur die Spree, sondern als Segelrevier die Havel und den Wannsee, wo ich aufgewachsen bin. Schon als Kind bin ich gesegelt, machte mit 19 meinen Segelschein. Nach dem Abitur studierte ich erst einmal Elektrotechnik und arbeitete danach bei BBC (Brown-Boveri). Reiselust gehörte schon immer zu meinen Eigenschaften, gerade ob der damaligen Berliner Insellage vor dem Mauerfall. Mein erstes Boot kaufte ich dann 1972 in Bremen, gebraucht, ein richtiges Wrack, das ich erst mühsam herrichten musste.

 

Was war dann die erste Reise oder Fahrt, wie man sagt?

Nach Fertigstellung dieser Yacht ging es gleich über den Atlantik auf der seit Kolumbus bekannten Route erst zur Karibik hin und über Nordeuropa zurück. Eben den Winden folgend. Zurück stellte ich fest, dass ich ein besseres Boot und eine andere Freundin brauchte, denn auf engem Raum eines Segelbootes lernt man sich sehr gut kennen. Die neue 13 Meter lange Segelyacht wurde für mich in Holland maßgefertigt und auf den Namen "Golem" getauft. Ich bin nebenbei noch Taxi gefahren, um mir dieses Schiff leisten zu können. 1978 nahmen dann Christina, meine Frau, mit der ich seit 40 Jahren verheiratet bin, und ich unsere erste Weltumsegelung in Angriff.

 

Wie lange dauert so eine Reise?

Das kann man gut in drei Jahren schaffen. Aber wir beide wollten ja auch etwas von der Welt sehen, das, was Reisen als Bildung eigentlich ausmacht. Wir machten lange Pausen zum Beispiel ein Jahr in Kanada, zwei Jahre in Südamerika, ein Jahr in Australien und Neuseeland. So unternahmen wir unsere langen Inlandsausflüge, hatten auch ein kleines Motorrad unter Deck (Foto unten). Wir sind zum Beispiel in Brasilien mit einem Boot den Amazonas hinaufgefahren. So waren wir insgesamt neun Jahre unterwegs.Motorrad dabei

 

Aber Sie hatten ja einen Beruf - wie hat man sich das vorzustellen?

Ich hatte großes Glück: Meine Firma BBC stellt mich einerseits frei, andererseits konnte ich zum Beispiel in Kanada dort für BBC arbeiten und meine Frau im Hotelwesen. So dauerte es neun Jahre, bis wir wieder zurück waren in Berlin und ich wieder bei meiner alten Firma anfangen konnte.

 

Ist eine Weltumseglung nicht gefährlich und was halten sie von der erst kürzlich wieder zuhause angekommenen jungen 16jährigen Weltumseglerin?

Wie waren nie in einer wirklich gefährlichen Situation. Man muss natürlich immer mit den Winden segeln, den Passatwinden, die Meeresströmungen kennen und die gefährlichen Hurrikansaisons umgehen. Die muss man kennen. Die junge Laura Dekker hat das absolut richtig gemacht, auch wenn sie sich diese Weltumseglung vor Gericht gegen ihre Mutter erkämpfen mussste. Sie hatte auch ein gutes Team. Und sie erlebte etwas, wovon man lange zehren kann, was ihr keiner weg nehmen kann.

 

Ihre zweite Weltumsegelung unternahmen sie dann von 1990- 1994. Wo gefiel es Ihnen eigentlich auf der Welt am besten?

Die Südsee ist wunderbar. Aber auch Neuseeland, das ist eine Seglernation, da wollen alle Segler mal hin. Und Kanada. Dort haben wir gute Freunde gewonnen und fahren immer wieder gerne in Urlaub dahin. Auch an Japan erinnern wir uns gerne. Da waren wir damals eine Sensation, die über 30 Zeitungen und etliche Fernsehstationen anlockte.

 

Wie kamen Sie nach Marbella? Haben Sie heute noch ein Schiff?

Ein Freund lud uns 1995 ein und erzählte uns von einer günstigen Immobilie damals. So wurden wir sesshaft und hatten wieder Glück, da wir ja noch nicht im Pensionsalter waren: Damals wurde die Hotelfachschule Les Roches eröffnet, in der meine Frau als Deutschlehrerin tätig ist und ich als Lehrer für Haustechnik. Nachdem wir hier so eingespannt waren, kamen wir nicht mehr viel zum Segeln, die hohen Liegegebühren störten uns auch und so verkauften wir 1999 unser Schiff. Schweren Herzens, gebe ich zu. Gesegelt wird aber immer noch weltweit auf Einladung unserer Freunde von Kanada bis Neuseeland.

Segeln ist für uns die schönste Art zu reisen: Man hat sein Haus immer mit dabei, man bestimmt die Anlegestellen selbst, lernt Land und Leute kennen und es ist billig, weil man – bis auf Hafeneinfahrten und die Nord-Südfahrt an der amerikanischen Ostküste mit ihren Flauten - keinen Motor mit Benzin braucht, sondern den natürlichen Wind als Energiequelle hat.

 

H und C StraussIn KalifornienHolger und Christina Strauss, links heute vor der Weltkarte mit ihren Segelrouten.

Rechts in den 70er Jahren in Kalifornien

 

 

Fotos: H. Strauss

Gabriele Hefele

Arlequina, am 19.04.2012
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