Reykjavik (Corbis)Island ist zweitgrößte Insel Europas. Aber gehört sie wirklich noch zu Europa? Sie ist den kalten Strömungen des Eismeers ausgesetzt, im Süden, Westen und Osten werden ihre Gestade aber vom Golfstrom erwärmt - so kommt es zu einem ständigen Kampf der Luftmassen über dem Land. Eine Faustregel besagt, dass es im Süden schön ist, wenn im Norden schlechtes Wetter herrscht, und umgekehrt, aber sie verrät nicht, dass sich diese Verhältnisse fast stündlich ändern können. Die Launenhaftigkeit des Himmels findet ihren Widerpart auf der Erde. Island ist zwar, geologisch gesehen, die homogenste Landmasse unseres Kontinents, sein größtes aktives Vulkangebiet, von dem nur ein Viertel mit einer einigermaßen zusammenhängenden Vegetationsdecke überzogen und lediglich ein halbes Prozent bebaut ist, aber diese nüchterne Feststellung verrät ebenso wenig wie die klimatische Faustregel etwas von der Mannigfaltigkeit der Physiognomie dieses außergewöhnlichen Fleckens Erde.

Island - das ist eine Symphonie in Lava, das ist eine Welt aus Gestein in jeder Form und Farbe, elegisch hingebreitet, dramatisch aufgebaut oder zu skurrilen Einzelfiguren geformt, schwarz, braun, rot, ockerfarben, grünlich, ständig changierend. Und als ob das nicht schon aufregend genug sei, hat die Natur in diese Lavasymphonie noch zusätzliche Akzente gesetzt: Geysire, die plötzlich in einem gewaltigen Schwall Bruchteile von Sekunden lang aus der verbrannten Erde schießen, zischende Schwefelfumarolen wie geplatzte Dampfleitungen, tosende Wasserfälle, Gletscher, heiße Quellen, die nicht nur die Landeshauptstadt mit billigem Nass für die Zentralheizungen versorgen, sondern auch in Treibhäusern tropische Früchte gedeihen lassen, Flüsse, die mit zahllosen einfachen Hängebrückchen überspannt worden sind. Dazu Herden zottiger Schafe und Kleinpferde, mächtige Gestelle irgendwo in der Einsamkeit (und in Island ist fast alles einsam), auf denen Millionen von Stockfischen hängen, um über dem Lavaboden, der die Wärme der schüchternen Sonne speichert, zu trocknen - ein unsagbar melancholisches Land von einer heterogenen Monotonie, die schwermütig macht und zur gleichen Zeit begeistert, die das Auge befeuert und den Sinn einschläfert (oder umgekehrt): eines der eigenwilligsten Kreuzfahrtziele Europas.

Die Menschen sind dieser Natur angepasst: 320.000 unprätentiöse und unkomplizierte Nordländer (die dennoch großartige Kunstwerke und mehrere Nobelpreisträger hervorgebracht haben), die ein gewaltiges Land spärlich bevölkern und fast komplett miteinander verwandt oder bekannt sind, auch wenn Gustavsson und Magnusson Dutzende von Kilometer voneinander entfernt wohnen mögen. Die jahrhundertelange Abkapselung sowohl von Europa wie von Amerika, die erst jetzt durch das Flugzeug systematisch durchbrochen worden ist, hat das ihre zu diesem familiären Verbundenheitsgefühl beigetragen. Damit im Zusammenhang steht auch die höchst bemerkenswerte Namensgebung. In Island existieren keine Familiennamen in unserem Sinn. Der Sohn nimmt jeweils den Vornamen seines Vaters an und hängt ein "son" daran, die Tochter ein "dottir". So gibt es in mancher vierköpfigen und im Übrigen sehr einigen Familie vier verschiedene Namen. Der Vater, dessen Vater beispielsweise Vilhelm Eriksson hieß, nennt sich nun seinerseits Leif Vilhelmsson, die Mutter, die von Gunnar Arnisson abstammt, heißt Vigdis Gunnarsdottir, und beider Sohn und Tochter wiederum tragen die Namen Haukur Leifsson und Stella Leifsdottir.

Mein Schiff 1 vor IslandDer wohl wichtigste Landausflug führt ins Landesinnere führt zum Gullfoss, dem goldenen Wasserfall, einer der schönsten ganz Europas. Die Fahrt geht zunächst über das Hochplateau von Mosfellsheidi, wo die Quellen entspringen, welche die Hauptstadt mit heißem Wasser versorgen, nach der historischen Stätte Thingvellir oberhalb des Sees Thingvallavatn. An dieser Stelle, die sich als das älteste Parlament der Welt bezeichnet, wurde der isländische Freistaat im Jahre 930 gegründet, hier trat jahrelang die Althing zusammen, und hier wurde denn auch 1944 die heutige Republik Island ausgerufen. Weiter geht es dann zum tosenden Gullfoss und zum Großen Geysir, der von zahlreichen kleineren umgeben ist. Hier besteht normalerweise auch Gelegenheit zu einem kurzen Ritt auf einem zottigen Islandpferd, das fälschlicherweise oft als Pony bezeichnet wird. Die Rückfahrt führt über das Städtchen Hveragerdhi mit seinen durch die heißen Quellen beheizten Treibhäusern. Dann überquert die Straße in Richtung Reykjavik das Kambar-Gebirge, von wo aus bei guter Sicht die schneebedeckten Berge im Norden und Osten und sogar im Süden die vorgelagerten Westmänner-Eilande zu sehen sind. Deren Hauptinsel Heimaey machte im Frühjahr 1973 weltweit Schlagzeilen, als es unter der Lava des in der Nacht vom 22. auf den 23. Januar plötzlich ausgebrochenen Hausvulkans Helgafjell zu versinken drohte, bis der Berg nach Monaten, ehe alles verloren war, wie durch ein Wunder zu speien und grollen aufhörte.

Über Nacht fährt unser Kreuzfahrtschiff weiter nach Akureyri im Norden, der zweitgrößten Stadt Islands mit dem östlich davon gelegenen Myvatn-See, einem Lavagebiet von unglaublicher Vielgestaltigkeit und gleichzeitig ein Dorado für Ornithologen. Rechts liegt der gewaltige Langjökull-Gletscher. Die Fahrt geht durch bizarre Felsformationen und schüchterne Tundra nach Myvatn. Unvergesslich ist das Bild bei der abendlichen Rückkehr oberhalb des Eyjafjords. Der Kampf der Wetterfronten ist in vollem Gang, von Norden her versuchen tiefliegende Wolken in den schmalen Wasserhals einzudringen, gegen die sich die Sonne, welche die ganze Nacht lang nicht untergehen wird, zu wehren versucht. Ein fast gespenstisches Zwielicht beherrscht die grandiose Szenerie in diesem so gar nicht zwielichtigen Land. Bevor wir an Bord zurückkehren müssen, bleibt uns noch eine Stunde Zeit. Wir gehen in die Kirche von Akureyri.

Informationen über Nordland Kreuzfahrten nach Island finden Sie bei www.kreuzfahrt-norwegen.eu.

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