Jaguar: Luxus und sportliche Eleganz auf vier Rädern
Die Automarke Jaguar und ihre wechselvolle UnternehmensgeschichteDie Anfänge
Im Jahr 1921 kaufte ein Sir William Lyons bei einem gewissen Williams Walmsley einen Motorrad-Beiwagen ab. Offenbar waren sich beide Herren sympathisch. Sie wurden Freunde, und bereits im folgenden Jahr gründeten sie gemeinsam die Firma Swallow Sidecar. Obwohl das Unternehmen zunächst weiterhin Motorrad-Beiwagen produzierte, gilt 1922 als Startschuss des späteren Herstellers Jaguar. Der Firmenname war auch der Grund dafür, dass die Modellbezeichnungen der Produkte häufig mit dem Kürzel S.S. begannen.
1927 stieg Jaguar in den Automobilbau ein, zunächst als Zulieferer von Karosserien. Die fertigungstechnische Trennung der Karosse vom eigentlichen Auto war damals durchaus noch üblich. Zum Kundenkreis gehörte ab 1929 auch der heute beinahe vergessene Hersteller Standard, welcher sich auf die Design-Idee einer relativ flachen Fahrzeuglinie einließ. Aus dieser fruchtbaren Zusammenarbeit entstand schließlich das erste eigene Fahrzeug von Swallow Sidecar, der im Oktober 1931 vorgestellte S.S.1.
Als erster "richtiger Jaguar" gilt der S.S. 100 aus dem Jahr 1935. Er schaffte eine für damalige Verhältnisse spektakuläre Spitzengeschwindigkeit von 165 km/h und erhielt den Beinamen Jaguar angeblich, weil sein Design die Schöpfer an Eleganz und Kraft der Raubkatze erinnert habe. Unter dessen Modellvarianten spiegelte den automobilen Zeitgeist der 1930er Jahre am meisten vermutlich das so genannte Drophead-Coupe wider, im Prinzip ein zweitüriges, zweisitziges Cabrio mit nach hinten faltbarem Verdeck.
Ab 1938 kam die berühmte Kühlerfigur, der so genannte Leaper ins Spiel. Diese zum Sprung ansetzende Raubkatze wurde stehend in Fahrtrichtung auf die Motorhaube montiert. Im Laufe der Zeit änderten sich Größe, Beinstellung und andere Merkmale gelegentlich, um die Figur an das jeweilige Design anzupassen und den dynamischen Eindruck zu erhalten.
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Der Aufstieg
Nach 1945, spätestens aber ab 1948 wurde der bisherige Beiname "Jaguar", der ursprünglich nur die kraftvolle Sportlichkeit der Wagen betonen sollte, zum eigentlichen Markennamen. Ein Grund dafür soll gewesen sein, dass die Bezeichnung "S.S." aufgrund der bekannt gewordenen Naziverbrechen stigmatisiert war.
Es begann nun eine Ära sportlicher Erfolge und Weltrekorde, mit denen Jaguar seinen Anspruch untermauerte, die schnellsten Seriensportwagen der Welt zu bauen. Beispielsweise gelang es 1949 einem Testfahrer, mit dem Modell XK 120 eine neue Spitzengeschwindigkeit von 213,386 km/h zu erzielen – ein Rekordwert, den das Unternehmen gute vier Jahre später mit einem ähnlichen Modell selbst deutlich übertraf.
1959 verbot die deutsche Gesetzgebung Kühlerfiguren aus Gründen des Unfallschutzes. Zu den wenigen Herstellern, die sich dieser zweifelhaften Regel durch flexible Gestaltung der Kühlerfigur entziehen konnten, gehörte neben Mercedes auch Jaguar. Dennoch wurden der Leaper im Laufe der Jahre immer seltener und konnte irgendwann nur noch als Zubehör nachgerüstet werden.
Die 1960er Jahre waren wegweisend für die weitere Firmengeschichte. Die größten Legenden, aber auch eine verhängnisvolle Entwicklung wurzelten in diesem Jahrzehnt. 1960 erfolgte zunächst der Kauf der britischen Firma Daimler, deren Name tatsächlich auf eine Lizenz des berühmten deutschen Motorenbauers zurückgeht. Über Daimler fand Jaguar indirekt auch Zugang zum internationalen Hochadel, welcher neben Bentley und Rolls Royce traditionell auf Staatskarossen von Daimler setzte. Die Edelschmiede belieferte auch das britische Königshaus.
Im März 1961 wurde auf dem Genfer Autosalon das legendäre Modell Jaguar E-Type vorgestellt, ein Sportwagen, dessen schnittige Karosserie eher an damalige Rennfahrzeuge erinnerte. Für manche Motorfreunde ist der E-Type bis heute das schönste Sportfahrzeug der Automobilgeschichte. Designtechnisch war es auf jeden Fall ein Meilenstein, der 1996 sogar Aufnahme in das "Museum of Modern Art" in New York fand.
Ähnlich stilprägend war die 1968 vorgestellte XJ-Reihe, eine Symbiose aus Luxuslimousine und Sportwagen, die jahrzehntelang das Design der Spitzenmodelle von Jaguar bestimmte. Bei einer Höhe von nur 1,34 Metern kratzte die Raubkatze in der Länge an der 5-Meter-Marke. Diese Kombination verlieh den Fahrzeugen eine sportlich-dynamische Eleganz.
Das Modell Daimler DS 420 wurde unter anderem von Queen Mum gefahren
Jaguars Spitzenmodelle entstammten der Baureihe XJ
Der schnelle Abstieg
Doch bereits den Mitte der 1970er zur XJ-Reihe hinzugefügten Coupes war kein langes Dasein mehr beschieden, obwohl sie angeblich die heimlichen Lieblinge des mittlerweile pensionierten Firmengründers waren. Die Ursache lag im immer stärker werdenden Sog der britischen Wirtschaftskrise. Der Niedergang ganzer Industriezweige traf zusammen mit der ersten Ölkrise 1973/74 und wurde noch verschärft durch wenig konsensorientierte Streikwellen der Gewerkschaften. Teure und vor allem durstige Autos waren plötzlich weniger gefragt. Darüber hinaus erfasste die Krise aber auch den gesamten Automobilbau der Insulaner direkt. Bereits in den 1960er Jahren hatte eine Reihe von Fusionen eingesetzt, an deren Ende 1968 nahezu alle britischen Massenhersteller im Fahrzeugbereich zu einem einzigen Unternehmen verschmolzen waren. In der Funktion des finanzstarken Partners gehörte auch Jaguar seit Mitte der 1960er Jahre dazu.
Dieses Konstrukt namens British Leyland Motor Corporation (BMLC) musste 1975 sogar verstaatlicht werden. In dieser dunkelsten Phase britischer Automobilgeschichte war Jaguar plötzlich nur noch eine Modellreihe unter vielen, die sich mit der internen Konkurrenz von Vehikeln wie Morris oder Austin vergleichen lassen musste. Von einer eigenständigen Marke konnte man wirklich nicht mehr sprechen. Die Verarbeitungsqualität soll entsprechend gelitten haben.
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Konsolidierung und der Kampf ums Image
Zu Beginn der 1980er Jahre setzte ein Konsolidierungsprozess ein. Die BMLC firmierte in Austin Rover Group um. Umstrukturierungen und Privatisierungen trafen Management und Belegschaften gleichermaßen schmerzhaft. Die meisten der ungefähr 20 Automarken des Konzerns wurden verkauft oder eingestellt. Im Prinzip verblieb fast nur Rover im Mutterunternehmen.
Jaguar hingegen mit seiner Tochter Daimler wurde schrittweise reprivatisiert. Dem Unternehmen gelang vor allem mit der bewährten XJ-Baureihe das Kunststück, die traditionelle Karosserieform behutsam in Neuentwicklungen weiterzuführen. 1989 kaufte der Ford-Konzern das Unternehmen auf. Der neue, finanzstarke Eigentümer brachte das Unternehmen stabil in die Gewinnzone zurück. Puristen mutmaßten allerdings, dass so manches Bauteil von nun an aus dem Ford-Sortiment stammen dürfte.
Um die Jahrtausendwende herum versuchte sich Jaguar noch einmal im Rennsport, um an alte Erfolge anzuknüpfen und so den Ruf als sportliche Marke aufzupolieren. Man wählte dazu die damals ungeheuer populäre Rennserie Formel 1. Leider blieben die Erfolge aus, obwohl das Team des Rennstalls zeitweise sogar von der Legende Nikki Lauda geleitet wurde. 2004 endete dieser kurzlebige Versuch.
Nur ein Jahr später ereignete sich ein weiterer Rückschlag für eingefleischte Fans der britischen Marke, als der Leaper als aufrecht stehende Kühlerfigur gänzlich abgeschafft wurde. Seitdem lebt er lediglich als Emblem auf dem Lenkrad und gegebenenfalls an der Heckklappe weiter.
2007 wagte das Unternehmen die Abkehr vom bisherigen Retro-Look und stellte mit dem Modell XF eine neue Designlinie vor. Der neue Look passte zwar immer noch zum Stil von Jaguar. Er wirkte sportlich und hochwertig, aber längst nicht mehr so unverwechselbar wie bisher.
Der Mutterkonzern Ford befand sich allerdings Mitte der 2000er selbst in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Im Gegensatz zu den beiden großen amerikanischen Konkurrenten GM und Chrysler steuerte Ford zwar rechtzeitig gegen. Deshalb fiel das Fiasko während der Weltwirtschaftskrise 2008 / 09 für den Konzern nicht ganz so drastisch aus. Als einziger der Big Three musste Ford keinen Gläubigerschutz anmelden. Aber zu den Konsolidierungsmaßnahmen gehörte eben auch, dass die traditionsreiche Marke Jaguar wieder einmal zum Verkauf stand. Jaguar teilte dieses Schicksal mit der PKW-Sparte von Volvo, welche ebenfalls zu Ford gehört hatte und 2010 an einen chinesischen Investor verkauft wurde.
Neuer Eigentümer der automobilen britischen Raubkatzen hingegen wurde der indische Tata-Konzern, international ein großer Player in den Sektoren Industrie, Technologie und Konsumgüter, hierzulande aber relativ unbekannt. Auch die ehemalige Konzernschwester Land Rover landete zur gleichen Zeit im Portfolio des Investors Tata. Entsprechende Synergie-Effekte führten unter anderem dazu, dass Jaguar-Modelle nun auch mit Allrad-Antrieb angeboten wurden…
Die Marke lief nun Gefahr, völlig ihr britisches Nobel-Image zu verlieren. Wahrscheinlich war diese Sorge unberechtigt, denn bis 2020 wurden weiter Ford-Motoren verbaut, und Jaguar machte in den Folgejahren auch keineswegs den Eindruck, schlechte und billige Dritte-Welt-Vehikel zu produzieren. Fairerweise muss auch erwähnt werden, dass Tata schon aus wirtschaftlichen Gründen durchaus daran interessiert war, dass historische Image von Jaguar zu pflegen. Nicht immer gelang das allerdings. Der 2010 vorgestellte Versuch eines neuen XJ floppte. Auto Bild textete dazu nicht ganz unzutreffend, aus der grazilen Raubkatze sei ein fettleibiger Kater geworden.
Dennoch wurde 2018 zum 50. Geburtstag der in acht Generationen gebauten Modellreihe XJ ein Sondermodell aufgelegt. Das Fahrzeug wirkte wieder deutlich gestreckter und eleganter. Nur die recht eigenwillige Heckgestaltung war Ansichtssache: Individueller Stil oder Design-Sünde…Insgesamt jedoch war das Modell zu Einstiegspreisen kurz unterhalb der 100.000 Euro-Marke das, was man sich unter dem Namen Jaguar vorstellte: Noblesse, Luxus, individuelle Eleganz und Leistung.
Ungefähr im gleichen Zeitraum begann Jaguar, im Segment der Elektrofahrzeuge mitzumischen. Von der Fachwelt gab es dafür zwar einige Auszeichnungen. Traditionsbewusste Käuferschichten für diesen Weg zu begeistern, dürfte allerdings nicht ganz einfach sein…