Fodele Beach – Bucht mit mediterranen Flair

Ich bin im Hotel Fodele Beach abgestiegen und sitze auf der Terrasse des Restaurants und genieße meine erste Tasse Kaffee am Morgen. Von hier oben – das Hotel ist an einem Berghang gebaut – bietet sich mir ein überwältigender Blick auf die Landschaft und die Bucht, die sich zu Füssen des Hotels erstreckt. Die Bucht "Fodele Beach" ist zum Teil von kleinen Strandhäuschen und Tavernen gesäumt, sowie einem Abhang aus Felsen und Geröll. Und auf dem Plateau über dem Abhang mache ich im dunstigen Morgenlicht eine kleine Kapelle aus. Sie thront dort oben, wobei thronen in diesem Fall vielleicht der falsche Ausdruck ist, denn sie ist eher klein und unscheinbar. Und während ich so dasitze frage ich mich, wie ich am besten dort hinauf komme. Irgendwie zieht es mich dorthin. 

Fodele Beach, im Hintergrund die Kapelle

Fodele Beach, im Hintergrund die Kapelle (Bild: Neo Vipa)

Gleich nach dem Kaffee habe ich mich aufgemacht und bin zunächst über den Strand zu dem Abhang gelaufen. Und siehe da: Ein kleiner Weg führt direkt vom Strand hinauf zu dem Kirchlein. Oben angekommen stelle ich fest, wie schön der Platz wirklich ist, auf dem die kleine Basilika steht. Die aus groben Natursteinen in Grau – und Terrakottatönen  gemauerte Kapelle mit ihrem roten Ziegeldach wirkt richtig rustikal unter dem Licht der mediterranen Sonne. Ich wage einen Blick zurück. Von der Anhöhe hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Bucht und auf das am Berghang terrassenförmig gebaute Hotel. Es erinnert mich an so manche pitorreske mediterrane Dörfer - oder sind es sogar Städte? - in Süditalien, die ich schon heimgesucht hatte: Amalfi und Positano

Hier oben auf dem Plateau fühlt man förmlich, dass es sich um einen besonderen Ort handelt. Die Schönheit und die Allmacht der Schöpfung werden einem hier bewusst. Man spürt förmlich die Gegenwart von Energie. Es ist ein idealer Ort für das Spirituelle. Ich stehe hier am Rande des Abhangs, schaue aufs offene Meer hinaus und atme die frische Meeresluft ein. Ich genieße den Augenblick.

Engel, Weihrauch und ein hinduistischer Tempel?

Nun bin ich auf die Kirche gespannt. Hoffentlich ist diese nicht zu. Ich gehe ein paar Schritte auf die Türe zu, drücke die Klinge herunter und  …

Agia Stavros, Fodele Beach mit ...

Agia Stavros, Fodele Beach mit Hotel am Berghang (Bild: Neo Vipa)

Ich habe Glück. Sie ist offen. Ich gehe hinein. Und was ich dort zu sehen bekomme, lässt mir fast den Atem stocken. Die Kapelle ist ringsum in leuchtenden Farben bemalt. Ein knalliges Blau strahlt mir entgegen, aus dem sich diverse heilige Figuren in warmen Rottönen herausschälen. Der Heiligenschein, der die Köpfe umgibt, ist in Gold gehalten und zwingt mich, jedes einzelne Gesicht genau zu betrachten. Ich bin überwältigt von dieser Farbenpracht. Ich fühle mich wie in einem Rausch der Farben. So etwas habe ich bisher in keiner christlichen Kapelle oder Kirche zu sehen bekommen. Es kommt mir so vor, als hätte ich einen hinduistischen oder tamilischen Tempel betreten, die ich von Mauritius her kenne. Diese sind für gewöhnlich alle bunt bemalt. Die Hindus und Tamilen scheuen sich nämlich nicht vor knalligen Farben, um ihre Gottheiten wie dem Gott in Elefantengestalt Ganesha (hinduistische Gottheit der Weisheit, Wissenschaft und Literatur und Beseitiger aller Hindernisse) zu huldigen. Zuweilen wandeln aber die plakativen Abbildungen ihrer Gottheiten am Rande des Kitsches, gelinde ausgedrückt. Doch hier auf Kreta hätte ich so etwas nicht erwartet. Rundherum in diesem kleinen sakralen Bau in kräftigem Blau gehalten, stechen die diversen Abbildungen von Heiligen, Madonnen und Engeln einem regelrecht ins Auge. Und eine davon mir ganz besonders, nämlich die vom Erzengel Gabriel.

Es ist kein Zufall. Es kann kein Zufall sein. Ich lese gerade Paolo Coelhos Buch "Schutzengel", in dem es darum geht, dass Paolo seinem Schutzengel begegnet. Und rein zufällig stoße ich ausgerechnet hier und jetzt auf diese Kapelle, in der mir nun der Erzengel Gabriel gegenüber steht, zwar nur zweidimensional, aber in solch einer farbigen Intensität, so dass ich mich des Gefühls nicht erwehren kann, dass der Gesandte Gottes gerade hier auf Erden, in diesem Kirchlein präsent ist und gleich aus dem Bild steigen wird. Ich kann meinen Blick vom Engel nicht lösen. Ich bekomme eine Gänsehaut. Das Übrige tut der Weihrauchduft, der in der Luft hängt. Ich bin wie in Trance. Mir läuft es eiskalt über den Rücken. Die spirituelle Aura, die die kleine Kapelle ausstrahlt, hat mich vollkommen erfasst.

Kapelle Agia Stavros

Kapelle Agia Stavros (Bild: Neo Vipa)

Drachen, Engel und Ikonenmalerei der besonderen Art

Nach einiger Zeit habe ich mich einigermaßen gefangen und  kann mich von dem Bild lösen. Jetzt bin ich bereit mich weiter umzusehen. Die Kapelle hat keine Bänke und keine Stühle, bis auf den einen neben der Eingangstüre, der vermutlich für das alte Mütterchen gedacht ist, die die Kirche beaufsichtigen soll. Aber heute Morgen ist niemand da, bis auf meine Wenigkeit. Am anderen Ende ist ein Art kleiner Altar mit Kerzen und einem Weihrauchgefäß darauf. Von dort scheint der Weihrauchgeruch zu kommen. Ich gehe zum Altar, der aus einem kleinen Tisch besteht und mit einem weißen Tuch bedeckt ist. Ich werfe ein Geldstück in die kleine Schachtel, die darauf steht und zünde eine Kerze an.

Ich betrachte mir alle Heiligenfiguren an den Wänden ganz genau. Von der Decke schaut das Anlitz Jesu auf mich herab. Dieses erinnert mich am ehesten an die Ikonenmalerei. Rechts von der Tür ist der Kampf des Heiligen Georg gegen den Drachen abgebildet. Georg sticht gerade mit der Lanze den Drachen ab. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht wie lange ich in der Kapelle gestanden bin und die Eindrücke in mich aufgesogen habe. Ich weiß nur eines: Die kleine Kapelle ist schlichtweg atemberaubend und hat mich in ihren Bann gezogen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Die biblischen Darstellungen scheinen irgendwie lebendig zu sein. Ob dies die knalligen Farben und dieser besondere Malstil ausmachen? Oder vielleicht der wunderschöne Ort, an dem das Kirchlein steht? Oder liegt es gar an dem Buch über die Begegnung mit Engeln, das ich gerade lese?

Agia Stavros

Agia Stavros (Bild: Neo Vipa)

Agia Stavros – eine farbenfrohe orthodoxe Kapelle

Jedenfalls bin ich mir sicher, dass die Kapelle ziemlich neu sein muss. Überall, ob hinter dem Altar oder auf den Fensterbrettern der kleinen Fenster, die das wenige, helle Licht rein lassen, stapeln sich Bilder und Zeichnungen. Diese müssen wohl dem Künstler als Malvorlagen für die Motive in der Kirche gedient haben. Auch die kräftigen Farben lassen darauf schließen, dass die Fresken ziemlich neu sein müssen.

Ob sie von einem Eremiten stammen, der sich die Erbauung und Gestaltung der Kapelle zur Lebensaufgabe gemacht hat? Dieser scheint gleich draußen vor der Kapelle sein Quartier in einem Wohnwagen bezogen zu haben. Stühle, die am Wohnwagen gelehnt sind, ein großer, hölzerner Tisch mit Ausblick aufs Meer und ein Grillplatz auf dem Plateau zeugen zumindest davon. Auch die minoische Bemalung des Wohnwagens unterstreichen meine Vermutung. Ich hätte gerne diesen begabten Maler kennen gelernt. Doch leider hatte ich nicht das Glück ihn zu treffen, obwohl ich seit meinem ersten Besuch auf der Anhöhe mehrmals dort gewesen bin. Auch das Klopfen an den Wohnwagen hat nichts gebracht. Vielleicht macht er derzeit eine kleine Schaffenspause. Oder er wollte niemanden sehen. Wer weiß? Doch eines weiß ich gewiss: Die Kapelle ist beeindruckender als so manch andere ehrwürdige orthodoxe Kirche. Hier oben, auf dem Plateau mit der wunderbaren Aussicht auf die Bucht und das weite Meer spürt man jedenfalls die Allmacht Gottes und die Schönheit seiner Schöpfung. Und die Kapelle setzt noch eines oben drauf.

Engel (Bild: Neo Vipa)

Übrigens, die kleine Basilika nennt sich Agia Stavros. Dies hat mir jedenfalls ein Mitarbeiter an der Rezeption meines Hotels erzählt, aber erst nachdem er sich selbst erkundigt hatte. Wenn dem Hotelangestellten nicht einmal der Name der Kapelle bekannt ist und kein Schild an der Straße auf diese hinweist, dann muss es wohl noch ein Geheimtipp sein. Oder?

Kreta – Fodele und El Greco, lesen Sie bitte hier weiter

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