Griechenland: Was vor der Schuldenkrise geschah

Krieg der GötterGriechenland war bereits vor 3.000 Jahren ein heißes Pflaster. Anstatt der Schuldenkrise ist es jedoch der sadistische König Hyperion (Mickey Rourke), der dem Land zu schaffen macht. Nachdem seine Frau und sein Kind starben, ohne von den Göttern gerettet worden zu sein - ein in der Geschichte Griechenlands offenbar einzigartiger Vorgang -, dürstet er nach Rache. Mit Hilfe des verschollenen Epirus-Bogens will er die im Berg Tartaros gefangenen Titanen befreien und sie erneut in den Kampf gegen die Götter des Olymps führen.

 

Verständlicherweise finden Göttervater Zeus (Luke Evans) und seine Berufskollegen diese Idee weniger gut, können dem Treiben aber keinen Einhalt gebieten, da sie durch ein ehernes Gesetz gehindert werden, am Schicksal der Menschen zu partizipieren. Nun liegt es am Bauernjungen Theseus (Henry Cavill), gemeinsam mit dem Orakel Phaedra (Freida Pinto), Stavros (Stephen Dorff) und einem stummen Mönch (Greg Bryk) den sagenhaften Epirus-Bogen vor dem Tyrannen zu finden. Eine delikate Aufgabe, zumal das Orakel Theseus' Scheitern voraussieht...

Deutscher Trailer "Krieg der Götter" (HD)

Göttlicher Dieter Nuhr?

Für eine Handvoll Ouzo

Als Wolfgang Petersen 2004 sein Epos "Troja" vorlegte, kreischten viele Kritiker angesichts der durchaus freien Interpretation von Homers Ilias auf. Verglichen mit Tarsem Singhs "Krieg der Götter" muss man "Troja" nachgerade eine werkgetreue Verfilmung zugestehen. Denn das bislang teuerste Leinwandabenteuer des indischen Regisseurs grast die griechische Mythologie ab und bereitet einen höchst eigenwilligen Fantasy-Mix zu. Nicht unähnlich Zack Snyder, ist Singh ein Mann fürs Grobe, wie auch fürs Optische. Dies bewies er in seinen visuell interessanten, inhaltlich konfusen Filmen "The Fall" und "The Cell".

 

Mit "Immortals", höchst geistreich und originell als "Krieg der Götter" eingedeutscht, wagt er sich diesmal bis in den Olymp vor. Allerdings nicht den Olymp der Filmkunst, denn sein zweistündiges Epos entpuppt sich als substanzlose Seifenoper, die anstatt in schicken mondänen Vororten im antiken Griechenland spielt. Oder besser gesagt, dem was sich Hollywood unter Antike vorstellt. Eine Antike, in der Frauen noch als Gebrauchsgegenstände behandelt werden und Männer prinzipiell Sixpack-Testosteronschleudern sind. Irgendeine Form von Alltagsleben findet in dieser seltsamen, von Erdtönen beherrschten Welt nicht statt. Wo etwa der angebliche Bauernjunge Theseus mitten in einer Felsenstadt sein Feld bestellen soll, erschließt sich nicht. Es spielt auch keine Rolle, dient die höchst dürftige Handlung doch lediglich als Aufhänger für die nicht zufällig an "300" gemahnenden Szenerien und Gemetzel.

 

300 kleine Spartanerlein

Trotzdem besteht zwischen der Comicverfilmung "300" und dem Fantasy-Spektakel "Krieg der Götter" ein entscheidender Unterschied, der Zack Snyders Blockbuster zum Geniestreich geraten ließ, während Singhs Schmonzette wohl bald ebenso vergessen sein wird, wie der nicht unähnliche "Kampf der Titanen". "300" basierte auf realen Ereignissen und stellte Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen ins Zentrum. Hier hatten Aktionen noch Beweggründe und Konsequenzen, hier war dem Zuschauer bewusst, wofür die Spartaner kämpften, bluteten, starben. In "Krieg der Götter" wird eine Standard-Rachegeschichte erzählt: Junger Mann erlebt, wie vor seinen Augen ein geliebter Mensch ermordet wird und setzt alles daran, den Mörder zur Strecke zu bringen. Was den Mörder antreibt, ist im Übrigen gleichfalls die Suche nach Vergeltung an jenen, die er für den Tod seiner Familie verantwortlich macht. Ein monumental aufgeblähter Spaghetti-Western also.

 

So weit, so öde. Denn das Geschehen entwickelt sich nicht logisch, sondern aus einem Verständnis heraus, dass es mal wieder Zeit für eine Schlacht oder eine sadistische Bluttat des Tyrannen sei. Und als wäre dem nicht genug, mischen die Götter auch noch mit, denen so rein gar nichts Mystisches oder Übernatürliches anhaftet. Mitunter wirken sie eher wie kindliche Psychopathen unter der Führung von Luke Evans, der in "Kampf der Titanen" Apollo verkörperte und den Aufstieg zum Göttervater Zeus geschafft hat. Dass Evans frappante Ähnlichkeit mit dem vom Rezensenten verehrten Kabarettisten Dieter Nuhr aufweist, war der einzige humoristische Glanzpunkt des Spektakels, dem der grimmige Humor von "300" völlig fehlt.

 

"Kampf der Titanen" im "Saw"-Modus

Stattdessen setzt Singh auf Gewaltexzesse, die man eher in "Saw", denn in einem Fantasyfilm vermuten würde. Zufall oder nicht: Der "Sizilianische Bulle" wurde in abgewandelter Form in "Saw 3D" eingesetzt. Abseits dieser historisch verbürgten Foltermethode werden Augen mit bloßen Händen eingedrückt, Zungen herausgeschnitten und männliche Geschlechtsorgane auf unsachgemäße Weise behandelt. "Krieg der Götter" kann in Sachen visueller Grausamkeiten locker mit Splatterstreifen mithalten - weshalb der Streifen dennoch eine FSK-Freigabe ab 16 Jahren erhielt, bleibt ein weiteres Rätsel. Vielleicht waren die Kommissionsmitglieder der FSK zwischenzeitlich eingenickt, was ihnen der Rezensent nicht verübeln könnte. Denn spannend ist das animierte Blut- und Pathosgemälde nun wirklich nicht.

 

Vielmehr qualifiziert es sich als Teilnehmer am inoffiziellen Wettbewerb: "Möglichst viele mythologische Bezüge herstellen, ohne sie in einen sinnvollen Kontext zu setzen". Theseus etwa wohnt Tür an Tür zum Labyrinth in Kreta, wo es zum Showdown mit dem "Bestie" genannten Minotaurus kommt, der sich als Hüne mit bizarrer Maske herausstellt. Den Weg durchs Labyrinth findet Theseus, indem er sich die Fußsohlen aufschneidet und somit anhand der blutigen Fußabdrücke den Rückweg kennzeichnet. Gewiss: Der Ariadne-Faden hätte es auch getan. Aber dies erschien Singh wohl zu unspektakulär. Folglich werden die Titanen nicht als gefallene Götter dargestellt, sondern als pigmentarisch benachteiligte Zombies.

 

Blut- statt Seifenoper

Was bleibt nach zwei Stunden inhaltsleerem Getöse und Pathos: "Krieg der Götter" entpuppt sich als verschnarchte Blutoper, visuell an "300", inhaltlich an "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" angelehnt. Emotional lässt der Streifen völlig kalt und hat die einzige potenziell interessante Szene ausgerechnet an den Schluss gepackt, der unverhohlen auf einen zweiten Teil hinausläuft. Selten zuvor hat die Form dermaßen über den Inhalt gesiegt. Falls es eines Beweises hierfür bedürfe: Versuchen Sie, geneigter Leser, doch einmal, nach der Rezeption dieses Filmes eine inhaltliche Diskussion darüber zu führen. Es wird Ihnen nicht gelingen, da das Machwerk schlichtweg hohle Fassade, wie der Kopf so mancher GrünInnen-AktivistInnen ist. Bei der unvermeidlichen Fortsetzung "Die Götter kriegen schon wieder" möge der echte Dieter Nuhr die Götterrolle spielen. Dann gäbe es wenigstens was zu lachen.

Originaltitel: Immortals

Regie: Tarsem Singh

Produktionsland und -jahr: USA, 2011

Filmlänge: ca. 110 Minuten

Verleih: Constantin Film Verleih

Deutscher Kinostart: 11.11.2011

FSK: Freigegeben ab 16 Jahren

Der beste "Griechische-Mythologie-Mix"-Film ist ...
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