Hoffnung auf ein neues "Sommermärchen"

Als der mächtige Weltfußballverband FIFA die Austragung der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2011 an Deutschland vergab, war nicht nur beim DFB die Vorfreude riesengroß. Allenthalben machte die Hoffnung auf eine Wiederholung des fünf Jahre zuvor als "Sommermärchen 2006" hochgejubelten Parallel-Events bei den Männern die Runde. Nicht weniger als ein kräftiger Schub nach vorne wurde erwartet, der Frauenfußball sollte nach dem Großevent in Deutschland boomen.

 

Alles war auf Sieg eingestellt, als Mindestziel für die deutsche Nationalmannschaft war das Erreichen das Finales ausgegeben worden. Die Krönung mit der erneuten Verteidigung des 2007 in China zum zweiten Mal in Folge errungenen Titels war fest eingeplant, bei den Buchmachern galt das Team von Trainerin Silvia Neid als Topfavorit... und scheiterte an den eigenen Nerven und nach Aussagen vieler Experten an einer falschen Taktik. Bereits im Viertelfinale kam das überraschende Aus gegen den späteren Weltmeister Japan.

 

FIFA-Chef Blatter lobt Ausrichter Deutschland

Zwei Monate später sprach FIFA-Präsident Josef Blatter dem ausrichtenden DFB im technischen
WM-Bericht ein großes Kompliment aus: "Wir haben es erhofft, ja erwartet und wurden nicht enttäuscht: Die Frauen-WM in Deutschland war die beste aller Zeiten." Aus Blatters Mund war nichts
anderes zu erwarten, schließlich zeichneten sich für die FIFA Rekordgewinne ab. An der Basis jedoch fällt die Bewertung weitaus weniger euphorisch aus.

Tag des Mädchenfußballs - Kreis Düren als Beispiel

Mit der Initiative "Tag des Mädchenfußballs" regt der DFB seine Landesverbände an, Mädchen und weibliche Jugendliche für den Fußball zu begeistern. Angesprochen werden außer den potentiellen Kickerinnen die Eltern und Vereine, die bisher keine Mädchenabteilungen haben. Vorurteile und Barrieren sollen abgebaut werden. Konkrete Beobachtungen und Nachfragen bei der entsprechenden Veranstaltung des Fußballkreis Düren machen deutlich, auf welchen Gebieten Erfolge verzeichnet wurden und wo weiterhin großer Nachholbedarf besteht.

Als Ausrichter übernahm mit der Spvgg Jackerath/Opherten ein Verein die Verantwortung, dessen Männerelf in der Kreisliga C kickt. Die Verantwortlichen der Spielvereinigung enttäuschten den Vertrauensvorschuss nicht, sie machten ihre Sache überraschend gut. "Es hat einfach alles gepasst", lobte Anja Koral, Mädchenverantwortliche des Fußballkreis Düren. Bemerkenswert, dass der Verein, dessen Senioren lediglich in der untersten Kreisliga kicken, im Jugendbereich deutlich erfolgversprechender unterwegs ist, man hat sogar eine B-Juniorinnen-Mädchenmannschaft am Start.

Regionale Unterschiede - Wie sieht es in anderen Kreisen aus?

Auskünfte und Einschätzungen zur Zukunft des Mädchen- und Frauenfußballs gaben Barbara Schwinn, Mädchenbeauftragte Kreis Euskirchen, Ralf Volles, Mädchenbeauftragter Kreis Heinsberg, und Elmar Nellen, Mädchenbeauftragter Kreis Rhein-Erft.

 

Frage: Josef Blatter hat die FIFA Frauen-WM in Deutschland in den höchsten Tönen gelobt. Ist von diesem Erfolg irgend etwas an der Basis zu spüren? Ist eine nachhaltige positive Auswirkung der WM feststellbar?

 

Durchweg positive Aktivitäten besonders in den jüngeren Jahrgängen sieht Ralf Volles im Zuge der WM. "Der Kreis Heinsberg konnte acht E-Juniorinnen Mannschaften gewinnen und weitere bei den D-Juniorinnen. Bei den Frauen wurden vier Mannschaften neu gemeldet." Die Entwicklung im Kreis Euskirchen erläutert Barbara Schwinn: "Das Interesse an der Frauenbundesliga und am DFB-Pokal der Frauen ist gestiegen. Wir haben zum ersten Mal neben den wachsenden Frauenligen eine A-Juniorinnen-Staffel, und es spielen immer mehr Mannschaften im 11er-Spielbetrieb und in der Bezirksliga. Dagegen haben wir in den unteren Jahrgängen (D-Juniorinnen) ertmals Einbrüche, obwohl mehr Vereine mit Mädchenspielbetrieb begonnen haben." Ganz anders verhält es sich im Kreis Rhein-Erft. Elmar Nellen bedauert: "Es ist anders eingetreten. Bei uns werden weniger Mannschaften am Spielbetrieb teilnehmen als in der Saison 2010/2011. Ich vermute, dass dies etwas mit der Niederlage gegen Japan zu tun hat. Die Erwartung war einfach zu hoch."

Was können Eltern und Schule tun?

Frage: Was müsste sich im Verhalten der Eltern ändern, damit mehr Mädchen aktiv werden?

 

Barbara Schwinn: Neue Vereine haben 15 Mädchen im Training, können aber nicht am Spielbetrieb teilnehmen, da die Eltern (Mütter) sich nicht mehr terminlich binden wollen. Das ist die Folge von Kita und Ganztagsversorgung in der Schule und der zunehmenden Berufstätigkeit
beider Elternteile in Vollzeit.

Ralf Volles: Es ist auch eine Sache des Kindes, ob es überhaupt möchte. In der Schule werden immer höhere Anforderungen gestellt. Wenn ein Kind nach acht Stunden Unterricht nach Hause kommt, hat es meistens keine Lust mehr zum Training. Eltern können die sportliche Aktivität aber unterstützen, indem sie einfach mal zum Spiel mitfahren. Ein Anreiz ist es, wenn Freundinnen bereits in einer Mannschaft spielen.

Elmar Nellen: Der Frauenfußball müsste allgemein in der Öffentlichkeit eine höhere Anerkennung haben. Dann würden die Eltern eher unterstützend dabei sein.

Die Vereine sind gefragt - Beauftragte schätzen die Arbeit in den Vereinen überwiegend positiv ein.

Frage: Tun die Vereine genug für den Mädchenfußball?

 

Einigkeit herrscht bei den Verantwortlichen in der Einschätzung, dass in den meisten Vereinen ganz ausgezeichnete Jugendarbeit auch im Bereich Mädchenfußball geleistet wird. Nellen wünscht sich
allerdings, dass sich mehr qualifizierte Trainer und Betreuer ehrenamtlich engagieren würden, um das gesamte Potential nutzen zu können. "Ich wünsche mir mehr Kooperation zwischen Schule und
Verein, Qualifikation von jungen sozialen Talenten bis hin zur Trainerlizenz und Schulungen der Trainer in den Vereinen, um ansprechenden Fußball anbieten zu können", umreißt Schwinn die offenen Baustellen. Der Fußball der Damen und Mädchen etabliert sich allmählich. Dies leitet Volles daraus ab, dass in seinem Kreis Heinsberg etwa 25 Frauen/Mädchen-Mannschaften in allen Altersklassen zum Spielbetrieb gemeldet sind. Sein Motto scheint anzukommen: "Mädels, sagt den Jungs den Kampf an. Was ihr könnt, können wir auch!"

Quellenangabe:
DFB
Interview mit Anja Koral (Mädchenbeauftragte Fußballkreis Düren)
Interview mit Barbara Schwinn (Mädchenbeauftragte Fußballkreis Euskirchen)
Interview mit Elmar Nellen (Mädchenbeauftragter Fußballkreis Rhein-Erft)
Interview mit Ralf Volles (Mädchenbeauftragter Fußballkreis Heinsberg)

 

Fotos copyright: Günter Jagodzinska

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