Neues bundesweites Wolfs-Beratungszentrum in Görlitz
"Wolfsmörder" bei Görlitz in Sachsen unterwegs. Diskussion über das richtige Wolfsmanagement und Jagdrecht ist neu entbrannt. Ist der Wolf in Deutschland zu gefährlich?Bundesweites Wolfs-Beratungszentrum wird in Görlitz aufgebaut
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks kündigte am 10. Februar 2016 die Einrichtung einer Beratungs- und Dokumentationstelle in Görlitz für die zuständigen Landesbehörden über Wölfe in Deutschland unter Führung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Görlitz, an.
Das neue bundesweite Wolfs-Beratungszentrums soll die Behörden rund um den Wolf beraten und bundesweit Daten über das Wildtier sammeln und aufbereiten. Das neue Kompetenzzentrum zum Thema Wolf soll den flüssigen Dialog zur Wolfssituation zwischen Bundesländern, Bund und Öffentlichkeit fördern und für ständigen Informationsaustausch sorgen.
Von einem bundesweiten Beratungszentrum erhofft sich der NABU auch ein besseres Datennetz über die Fälle von illegaler Wolfstötung, bei denen die Aufklärungsquote nach wie vor klein und die Dunkelziffer groß ist. Ebenso fehlen noch Daten, wie sich das dichte Straßennetz auf die Populationsentwicklung vom Wolf auswirkt. Aktuell gebe es, wie der NABU mitteilte, bundesweit 31 Rudel und acht Wolfspaare in den Ländern Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
Illegale Wolfstötungen bei Görlitz
Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland NABU wurde in Sachsen innerhalb von nur sechs Jahren bereits der siebte Wolf in Sachsen illegal getötet. Die letzten fünf Wolfstötungen sollen alle in einem Umkreis von 40 Kilometern im Raum Vierkirchen bei Görlitz in Sachsen geschehen sein. Inzwischen hat das Landeskriminalamt Sachsen Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen, weil bisher kein Schütze ermittelt werden konnte. Das Erlegen eines Wolfes ist eine Straftat, die bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann. (Foto © NABU Jürgen Borris).
Im jüngsten Abschuss eines Wolfes sieht der NABU eine zunehmende Verschärfung der Diskussion um den Wolf in Sachsen. 2012 wurde das Wildtier auf Drängen des Landesjagdverbandes in das sächsische Jagdrecht aufgenommen, damit eine bessere Akzeptanz innerhalb der Jägerschaft erreicht werden kann. Seither sind sieben tote Wölfe in Sachsen gefunden worden.
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Fotofalle beweist ersten Nachwuchs im Wolfsrudel
Erste Bilder einer Fotofalle (Foto © LUGV/Eiser) bestätigen die Anwesenheit eines Wolfsrudels im NABU-Naturparadies Grünhaus in Südbrandenburg. Die Aufnahmen von Ende Juni 2015 zeigen einen rund acht Wochen alten Wolfswelpen, der einem Jungwolf durch die ehemalige Bergbaulandschaft folgt. Die naturbelassene ehemalige Bergwerkslandschft bei Grünhaus zwischen Lauchhammer und Finsterwalde bietet aufgrund seiner Größe von rund 2.000 Hektar und seiner Abgeschiedenheit ein ideales Jagd- und Rückzugsgebiet für den Wolf.
Die Bilder bestätigen, dass sich in dem niederlausitzer Schutzgebiet eine junge Wolfsfamilie angesiedelt hat. Der NABU beobachtet seit einigen Jahren das Wildtier in Grünhaus im Rahmen des Wolfsmonitorings, sucht nach Wolfsfährten und Kot und installiert Fotofallen.
Zirka 250 Wölfe leben in Deutschlands freier Wildbahn
Seit August 1993 besteht das Bundesamt für Naturschutz (BfN) als zentrale wissenschaftliche Behörde des Bundes für den nationalen und internationalen Naturschutz. Das BfN unterstützt das Bundesumweltministerium fachlich und wissenschaftlich in allen Fragen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Ihm obliegen somit auch die Wolfsbeobachtung und alle mit diesen Tieren zusammenhängenden Fragen. Das BfN hat seinen Sitz in Bonn und unterhält Außenstellen in Leipzig und auf der Insel Vilm bei Rügen.
Nachdem Wölfe international 1997 unter Artenschutz gestellt wurden und nicht mehr bejagt werden konnten, sichteten Förster bereits 1998 in der Lausitz wieder ein erstes Wolfspaar. Im Jahr 2000 konnten auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz in Sachsen sogar sechs Wölfe - Eltern und Jungtiere – und zugleich der erste Nachwuchs dokumentiert werden.
(Foto Wölfe durchstreifen früh morgens das Teichgebiet bei Niederspree südlich der Muskauer Heide in der sächsischen Lausitz. © NABU/Jan Noack;)
Massaker bei 25 Schafen durch einen Wolf?
Am 20. Februar 2015 zeigte ein Wolf in der Nähe der Eulenspiegelstadt Mölln in Schleswig-Holstein keine Scheu vor Menschen. Der Einzelgänger ließ sich erst sich durch den ansässigen Wolfsberater des NABU und den Landwirt von einer ungeschützten Schafherde vertreiben, war aber in keiner Phase der Begegnung aggressiv. Der Grund dafür sollte im Interesse der Menschen und des Wolfes schnell gefunden werden. Der NABU befürchtet eine unzulässige Fütterung durch Menschen. "Normalerweise haben wildlebende Wölfe eine natürliche und angeborene Scheu vor dem Menschen. Wenn ein offenbar kerngesunder Wolf diese Scheu verliert, müssen wir davon ausgehen, dass er von Menschen angefüttert wurde", so NABU-Wolfsexperte Markus Bathen. Die seither konfliktarme Nachbarschaft zwischen Mensch und Wolf solle durch Einzelpersonen nicht in Verruf kommen. (Foto "Wolfsspuren im Sand" © NABU / M. Bathen)
Die Anfütterung von Wölfen in freier Wildbahn ist unzulässig und birgt Gefahren für das Tier und für den Menschen. Bathen: "Wenn Futter ausgelegt wird und damit Menschengeruch annimmt, können Wölfe die Erfahrung machen, dass Menschennähe gleichzeitig Nahrung bedeutet. Dann verlieren die Wölfe ihre natürliche Scheu".
Nun geht der NABU in die Ursachenforschung und erwägt mögliche rechtliche Schritte, falls der Schuldige trotz der weiten Wanderwege des Wolfes gefunden wird.
Am 8. März wurde dieser oder ein anderer Wolf erneut bei Mölln gesichtet, als er in einem Dorf die Dorfstraße für sich in Anspruch nahm.
Am 10. März wurde auf einer Landstraße bei Bordesholm im Kreis Rendsburg-Eckernförde (Schleswig-Holstein) ein junger Wolf überfahren.
Den größten Zwischenfall mit vermutlich einem Wolf gab es am 15. April 2015 in Schierensee in der Nähe von Kiel. Dort waren 25 Schafe und Lämmer vermutlich von einem Wolf gerissen worden. Durch einen DNA-Test soll herausgefunden werden, ob ein Wolf oder wildernder Hund das Massaker auslöste. Alles spricht zur Zeit aber für einen Wolf. Diese Annahme wurde Ende April durch das Ergebnis der Untersuchung der DNA-Spuren bestätigt: Das Massaker verursachte ein aus Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein übergewechselter Wolf. Damit ist die Diskussion über das richtige Wolfsmanagement und die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht in Schleswig-Holstein neu und heftig entbrannt.
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Die Wolfspopulation in Deutschland wächst
Nach Angaben des BfN und des Naturschutzbundes Deutschland NABU gibt es in Deutschland (Stand Dezember 2013) zirka 30 bekannte und belegbar nachgewiesene Wolfsrudel sowie vier Wolfspaare ohne Nachwuchs und mindestens 13 Einzelwölfe. 15 dieser 30 Wolfsrudel leben in der Lausitz.
Ein Rudel des europäischen Wolfes (Canis lupus, zu der auch unser Haushund gehört)) ähnelt einer menschlichen Familie: Es gibt in der Rangstufe ein Elternpaar, das meist monogam lebenslang zusammenlebt. Die Eltern akzeptieren in ihrem Revier ihre Nachkommen. Das sind die Welpen ohne Einordnung in die Hierarchie als Jungtiere des aktuellen Jahres und die Jährlinge, die noch nicht geschlechtsreifen Jungtiere des Vorjahres. Ohne Drang, eine eigene Familie zu gründen, werden sie von den Eltern geduldet.
Fakten des WWF zum Wolf
Der WWF, der World Wide Fund For Nature, wurde am 29. April 1961 als World Wildlife Fund in der Schweiz gegründet und ist inzwischen eine der größten internationalen Naturschutzorganisationen der Welt. Nach seinen Ausführungen "paaren sich Wölfe je nach Klimazone zwischen Ende Dezember und April. Nach 61 bis 63 Tagen Tragzeit werden zwischen vier und sieben Welpen geboren. Mit sieben bis neun Wochen werden die Jungwölfe von der Mutter entwöhnt. Alle Tiere des Rudels beteiligen sich an der Aufzucht der Jungen."
Mit circa zwei Jahren sind die Jungtiere geschlechtsreif und suchen sich ihren Partner und ein eigenes Revier. In freier Wildbahn können Wölfe 8 bis 13 Jahre alt werden, in Gefangenschaft bis zu 20 Jahre.
Die Siedlungsgebiete des Wolfs in Deutschland
Der erste Wolf in freier Wildbahn in Deutschland wurde auf einem Truppenübungsplatz in der dünn besiedelten Region der Lausitz gesichtet. Die hohen Wildbestände in den östlichen Bundesländern bieten den Wölfen eine günstige Nahrungsgrundlage und geeignete Lebensräume. Von der Lausitz zogen die Wölfe Richtung Nordwesten und verbreiteten sich nicht, wie zu erwarten war, in alle Richtungen. Eine Erklärung für dieses Phänomen konnten die Wissenschaftler bisher noch nicht liefern.
Die Wölfe in den nördlichen Bundesländern stammen ursprünglich von eingewanderten Tieren aus Ostpolen. Die Tiere der südlichen Bundesländer stammen aus den Alpen und dem italienischen Bestand.
Heute siedelt der Wolf in Deutschland dauerhaft in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen. Auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern konnten schon Wölfe nachgewiesen werden. Sie wurden aber entweder geschossen oder waren "auf der Durchreise". In den bayerischen Alpen wurden in den vergangenen Jahren außerdem mehrere einzelne Wölfe gesichtet, die von Süden gekommen sein dürften.
Wolf und Mensch – ein Gegensatz?
Bis auf die drei Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg kommt der Wolf nach Aussage des NABU in jedem Staat auf dem europäischen Festland vor (Stand: April 2013).
Der Wolf ist ein sehr anpassungsfähiger Kulturfolger und kann in sehr vielen Landschaften leben, solange diese landwirtschaftlich nicht zu monoton oder durch zu viele Straßen und Siedlungen verbaut sind.
Die Reaktionen auf die Rückkehr der Wölfe sind überwiegend positiv. Gelegentlich begegnet man den Wölfen aber auch mit Vorbehalten und Sorgen; denn wir Menschen in Deutschland – und das betrifft auch die Naturschützer - müssen erst wieder lernen, mit dem Wolf in unserer Nachbarschaft zu leben.
Dabei sind Wölfe sehr vorsichtig und meiden Menschen gewöhnlich. Selbst Wissenschaftler, Förster und Jäger bekommen sie nur selten zu Gesicht. So ist auch so gut wie noch nie vorgekommen, dass ein Wolf gegenüber einem Waldspaziergänger, Jogger oder Pilzesammler aggressiv geworden wäre. "In der Regel sieht man einen Wolf nur dann, wenn dieser den Menschen nicht bemerkt hat", so der NABU, "und das kommt selten bis nie vor".
Zwei Ausnahmen von dieser allgemein gültigen Regel gibt es allerdings:
- Bewegt sich ein Haushund frei im Wolfsgebiet, so kann der Wolf das als Angriff auf sein Revier interpretieren und angreifen.
- Wird ein Wolf angefüttert, so verliert er seine natürliche Scheu. Das könnte in einen Angriff münden.
Wölfe in menschlichen Siedlungen
Auch mitten in Dörfern wurden Wölfe schon gesichtet. Aber das ist laut WWF kein Grund zu geringsten Ängsten: Die Reviergröße hängt vom Nahrungsangebot ab. Deutsche Wölfe haben vermutlich Reviere von 250 bis 350 Quadratkilometer. Bei einer Reviergröße von 200 km² liegen immer Ortschaften und Gehöfte mitten im Wolfsrevier.
Der Wolf jagt bevorzugt Rehe, Wildschweine, Hirsche und Elche, wie über 2.000 Kotproben der deutschen Wölfe ergeben haben. In Feldstudien stellte sich heraus, dass mehr als 60 Prozent ihrer Beute junge, schwache oder alte Tiere sind. Kleinsäuger wie Hasen, Kaninchen, Murmeltiere, Füchse sowie Insekten, Vögel, Reptilien, Früchte und Aas runden den Speiseplan des Wolfes ab. "Kann ein Wolf nachts auf seinem 30 bis 75 Kilometer langen Beutezug ungestört einen Dorfplatz überqueren, nimmt er diesen direkten Weg auf seinem langen Marsch gern an", so der WWF.
Wölfe und Haustiere
Es kann Einzelfälle geben, in denen ein Wolf Schafe oder Ziegen reißt. Um dies zu verhindern, reichen in aller Regel einfache Schutzmaßnahmen wie Elektrozäune oder Herdenschutzhunde aus. Wird trotzdem ein Schaf gerissen, so muss dem Halter der wirtschaftliche Schaden zu 100 Prozent erstattet werden. (Herdenschutzhund der Rasse Maremmano-Abruzzese bewacht Schafherde in der Lausitz. Foto © NABU/K. Karkow)
Es kommt vor, daß ein Wolf nicht aus purem Hunger jagt, sondern wegen seiner Vorratshaltung und zwei Schafe mehr reißt als notwendig. Da er auch Aas frisst, würde er so lange wiederkommen, bis die Beute aufgefressen ist. Für den betroffenen Halter ist es wichtig, die gerissenen Tiere zu entfernen, damit dem Wolf der wiederholte Beutezug "vermiest" wird.
Bildquelle:
dithmarscher-kohltage.de
(Die Kohltage in Dithmarschen – Kohl und Kohlrezepte "satt")
© Wachholtz-Verlag
(Streifzug von Küste zu Küste in Schleswig-Holstein)