Reggae-Festival 2018, Dortmund
Ruhr Reggae Summer Wischlingen, Dortmund, 30. Mai - 2. Juni 2018Fronleichnamswochenende in Dortmund 2018
Ab 30. Mai 2018 war es wieder soweit: Cooole Stimmung, cooole Leute, (hoffentlich) heißes Wetter und jede Menge Reggae, aber auch Hip-Hop, Rap ... in Dortmund beim Reggae-Festival in Dortmund-Wischlingen 2018.
Die paar Stunden Kälte und Feuchtigkeit konnte man locker im Solebad oder der Sauna aussitzen oder im Hochseilparcours klettern oder ins Dortmunder U gehen oderoder ...
Beach Area - Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Der Park spielte all seine Trümpfe aus: Man sitzt gemütlich auf der Wiese, ist trotzdem noch nah dran, an Bühne und Musik. Grüne Hügel, Wiesen und Miniwäldchen, Teich und Spielplätze (na ja, nicht alle: Typisch Wischlingen war wieder einmal, dass der Kinder-Wasserspielplatz nicht lief und das Freibad nicht die gesamte Zeit komplett mit allen Becken geöffnet war).
Wer Familie ist, hatte einen Spitzencampingplatz im Solebad-Park mit direktem Zugang zum Freibad. Die Organisation war jedenfalls sehr gut, alles funktionierte und funktionierte flüssig, von Camping über Toiletten bis Zugangsschleusen.
Die Stimmung war lässig und entspannt, wie immer beim Reggae-Festival in Wischlingen.
Vielleicht hätte sie etwas heißer sein können? Nun gut, man kann den Spannungsbogen nicht drei Tage lang oben halten, aber ... Lag das träge Dahinfließen der Festivaltage an deutscher Behäbigkeit und Unterkühltheit?
An Grasbenebelung lag's sicher nicht, denn trotz gebetsmühlenartig wiederholtem Gejammer ob der Illegalität des graugrünen Heilkrauts gab's kaum Haschwolken über Wischlingen. Und anders als bei den Pollerwiesen ein paar Wochen zuvor, konnte das Sani-Team nicht über Überlastung, ja nicht einmal über Auslastung klagen.
Beach Area - Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera kriebel, 2018)
Patrice. Eine Klasse für sich.
Die Musik? So richtig brachte das Programm kaum jemanden zum Überkochen, einmal abgesehen von Patrice als Schlusspunkt des Festivals, der schon eine Klasse für sich war. Und es nicht nötig hatte, die Hälfte seines Auftritts damit zu verbringen, die Leute zum Tanzen, Mitjubeln und Zugabefordern zu bringen. Ein Star der Szene, der selbst in Jamaica wie ein Sohn von Bob empfangen wird. Der auch ein paar Hits in den Charts hatte, die jeder kennt und mitsingen kann (und will), der aber eben die sehr kommerzielle Pop-Seite besetzt. Bei ihm springt der Funke auf den am Samstagabend vollen Platz über.
Donnerstag - Trotz Gewittergrummeln, relaxte Sommerstimmung zum Auftakt. (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Ruhr Reggae Summer, Dortmund, 30.05.2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Reggae-Festival 2018 - Der erste Tag
Ein (unvollständiger) Rückblick. Der Donnerstag: JinJin solider Reggae in der Tradition der 70er. Aus der Region (die Jungs kommen aus dem Rheinland) und mit zwei richtigen Bläsern. Denn Bläser – so ein Besucher – gehören zu dem, an dem heutzutage "am falschen Ende gespart" wird. Bläsersound kommt praktischerweise aus der digitalen Kiste. Wo sind sie alle geblieben? Horden von arbeitslosen Bläsern aus alten Reggae-, Rock- und Jazzzeiten müssen beim Arbeitsamt in der Schlange stehen. Schade.
Sie fehlen auf der Bühne, die halbleer bleibt. Wo ist er geblieben, der dreistöckige Bühnenaufbau mit Bläsern? Statt dessen: Wild von rechts nach links rennende Möchtegern-MickJaggers. Die uns auch noch mit ihren pseudo-politischphilosophischen Ergüssen, rhetorischen Fragen, Mitmachtheater und nicht zuletzt grässlich guter Laune nerven.
Nicht so JinJin – im Nachhinein hätten sie mehr Applaus verdient. Sie machen das, weswegen wir hier sind: Sie spielen nämlich, mit Bläsern, und gar nicht schlecht. Ok, eben ein wenig zu traditionell. Nur Reggae drei Tage lang ...?
Über Train to Roots lässt sich kaum mehr sagen, als dass die besungenen Bläser hier erstmals von besagtem Besucher schmerzlich vermisst wurden. Italienische Texte und Dancehall, aber ein wenig lahm.
Mr. Beenieman - Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Miwata stellte den ersten kommerziell-populären Höhepunkt dar. Interessante klare, coole Stimme (keine Reggae-Stimme), eingängliche, oft melancholisch anmutende Liedchen, passend zu einem perfekten Sommertag, aber auch ein großer Wortbrei. Bei seinen betont poetisch-engagierten Texten darf natürlich auch nicht das Lamento zum Rassismus in Deutschland fehlen, und nicht die Elogie der echten Freunde, und dass wir Sommer haben in Dortmund, muss man nun nicht fünf Mal erwähnen. (Diese drei Themengebiete scheinen im Übrigen zum festen Repertoire des Trainings zur professionellen Interaktion mit dem Publikum zu gehören.) Er hat eine feste Fangemeinde, das ist klar. Warum er sich selbst beim Reggae verortet, bleibt ein Rätsel. Wir hören hier eher melancholischen HipHop à la Clueso. Gutenachtmusik, es fehlt der Pepp. Top Act am Donnerstag: Mr. Beenie Man, dem Dancehall-König aus Jamaica. Ok, der Reggae hat sich also auch in Jamaica weiterentwickelt. Zum Dancehall. Viel Action auf der Bühne, Musik mit Power. Die große Show war auch das dann nicht.
Macka B - Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
My Name is Macka B
Wer das am zweiten Festivaltag nicht nach dem Auftritt des sendungsbewussten Macka B begriffen hatte, war wohl nicht da. Macka B, ein ganz normaler Brite, der sich als traditioneller Rastafari Warrior versteht, ist begeistert, mit gut karibischer Bescheidenheit vor allem von sich selbst. Wie an so vielen erleuchteten Reggae-Musikern ist an ihm ein Priester verloren gegangen. Wieder keine Bläser. Seine Songs sind melodiös und schmecken oft nach Sonne und Strand.
Das Alter fordert aber auch Tribut. "Er braucht vielleicht auch die vielen Pausen, weil er keine Luft mehr hat, um ein Konzert ganz durchzuhalten," wie ein selbst bereits ergrauter Besucher bissig feststellt. "Er hat einfach keine Power. Selbst als Tribute für Bob Marley hat er sich ein lahmes Stück ausgesucht." Wenn er will, kann er aber noch im selbst ernannten Macka-B-Warrior-Style loslegen. Die beiden ersten und letzten Songs sind fetzig, dazwischen ist alles eher langsam.
Che Sudaka hat nun fast gar nichts mehr mit Reggae am Hut. Das ist Ska, diesmal lateinamerikanischer Couleur und ziemlich einseitig, mit einer affigen Bühnenshow.
Che Sudaka, 1. Juni 2018, Wischlingen Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Geht's uns gut? Haben wir unsere Freunde dabei?
Top-Act am Freitag: Auch bei Mono & Nikitaman vermisst manch einer den Reggae, aber ihr Indie-HipHop lässt bei ihrer recht großen Fangemeinde in Wischlingen Stimmung aufkommen. Wie so oft in den Festival-Tagen Platitüden an Politik, Antifaschismus. Sie spielen kein Lied durch, ständig unterbrechen sie die Songs für ihre Vorträge. Um mich selbst zu zitieren:
"Gut, dass Wikipedia inzwischen die Marketing-Texte bereitstellt. 'Ihre Musik mit zumeist sozialkritischen Texten hat musikalische Einflüsse von Reggae, Dancehall, Hip-Hop, Popmusik und Punk.' Vom Reggae sind Anklänge der Grundrhythmen geblieben; Punk - na, fragt sich, was Punk ist. Eine Mischung aus Hip-Hop, Dancehall, Popmusik, Indie, mit Schwerpunkt HipHop, würde ich sagen. Und unter 'sozialkritischen Texten' verstehe ich auch etwas anderes, als platte Antifaschismusrassismusgraslegalisierung. 'Kein Platz für Nazis' usw. ist zwar nicht annähernd so blöd wie 'Kein Sex mit Nazis' von Bandbreite, und es ist gut und wichtig, dass man Stellung gegen rechte Doofheit bezieht, aber muss es denn so platt sein?"
Am Anfang ihres Vortrags: "Geht's Euch gut?" Auch so eine Frage, die keiner braucht. Und die über mangelnde Bühnenqualitäten nicht hinwegtäuschen kann.
Außerdem fängt diese bemühte Interaktion mit dem Publikum langsam an zu nerven. Dieses Auffordern mitzumachen, dieses rhetorische Befragen des Publikums ... Ja, mir geht's gut, aber ich habe etwas Besseres zu tun, als mich ständig nach dem eigenen Befinden zu befragen oder auf diese Frage eines fremden, mir unbekannten Menschen zu antworten. Liebe Musiker: Auch wenn Ihr die ersten Jahre Eures noch kurzen Lebens damit verbracht habt, Aufpeitschtaktiken für die Bühne zu erlernen, bleiben ein paar Grundweisheiten bestehen: Entweder das Publikum geht wegen Eurer Musik von selbst mit oder ... Ihr seid eben doch besser am Ballermann aufgehoben.
"Endlich Reggae"
Samstag: "Endlich Reggae," seufzt ein Festivalbesucher beglückt. Samstag in Dortmund. Wischlingen. Und die Sonne scheint. Rebellion (eigentlich Rebellion TheRecaller, ein französischer Reggaesänger mit gambischen Wurzeln). Aber wieder ohne Bläser. Reggae französisch. Reggae mit Gramatik Groove. Auf der Wiese liegen. Relaxen. Beim weichen, französischen Rebellion-Sound. Endlich erzählt mal keiner von zu Hause. Endlich keine Vorträge über "echte Freunde", den Sänger im Allgemeinen und Speziellen, über Graslegalisierung, die Dummheit der Rechten ... Endlich macht mal jemand auf der Bühne das, weswegen wir hier sind: Musik. (Zugegeben: Mein Französisch reicht nicht, um die Songtexte zu verstehen.)
Yaniss Odua, 2. Juni 2018, Wischlingen Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Danach Yanis Odua - vielseitig, melodiöser Reggae mit französischen Texten, zwei Sängerinnen, aber es fehlen immer noch die Bläser... Aber er macht gut Stimmung.
BTW: Vor Odua noch als Gipfel der Geschmacklosigkeit auf der Bühne der Heiratsantrag des (im Übrigen grottenschlechten) Moderators an seine Freundin.
Und ein spätes BTW zu den Pausen: Liegt es a(n meine)m Alter? Zwischen den Konzerten spielt das Münsteraner Dub Soundsystem Kunterbunt auf. Ein wenig Musikbrei und dann überfallartig: Bässe, zu viel für die Boxen, würde ich sagen. Noch 150 m weiter dröhnt es so enervierend, dass das Hirn matschig wird. Der Bass wummert und vibriert und ist einfach nur laut.
Ein Kunterbunt-ler ist etwas überrascht, dass man sie so weit hört. (Ein befragter Experte meint, das Ganze sei dann eben nicht richtig gepegelt. Normalerweise müsse das Lautsprechersystem hinsichtlich des Schalldrucks feingepegelt werden, so dass unter anderem bestimmte Frequenzen herausgenommen würden und damit zum Beispiel Töne nicht so weit übertragen werden. Und dass sie keine Hörschädigungen hervorrufen.)
Pausen zum Abgewöhnen - Heilende Bässe
Der Kunterbunt-ler meint, dass sie er eben gerade bestimmte ("heilende", z. B. im Sinne von "den Kopf ausschaltende") Körpererfahrungen hervorrufen möchten. Bei manchen wirke das Dub Soundsystem meditativ. Mal nicht so viel nachzudenken, sei doch ganz heilsam. Er ist sich aufgrund der Erfahrungen in Münster sicher, dass diese Erfahrungen das Gehör nicht schädigen.
Kunterbunt Soundsystem - Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Die lauten Töne seien nur bei Langzeitbeschallung schädlich.
Und gut, es passt zu Jamaica. Zum traditionellen Reggae Style, den es früher, in den 70er/80er Jahren, gab: Überall lärmten in Jamaica die dicken, fetten Boxen-Türme, die Bässe krachten, überall war es laut, sehr laut.
Es gibt dennoch einige, die den Kunterbunt-Soundgarden unerträglich finden.
Samstag, 22:00 Uhr – vorher die Flucht vor Kunterbunt's Beschallung Richtung Strand angetreten – es dröhnt das Gekreische des Ballermann-Einpeitschers Mattia Jeremy von Warrior Sound International, der sein schnödes Liedgut alle zwei Minuten mit Ermahnungen, Vorträgen (ja, wieder einmal die Graslegalisierung (das hatten wir doch alles in den 70ern, 80ern, 90ern schon, gähn), dümmlichen Fragen (Habt Ihr Eure Freunde dabei? Habt Ihr auch Euren wirklich besten Freund dabei?) oder Clapyourhands-Aufforderungen unterbricht, von der westlich gelegenen Hauptbühne herüber, und am See meinen die DJ's leider auch, über wummernde Bässe die Boxen und mein Gehör zu überfordern ...
Warrior Sound International ist jedenfalls eine herbe Enttäuschung. Ein billiger Einpeitscher, fast ausschließlich Geschrei, für die restliche Zeit mischt er altbekanntes Liedgut durcheinander.
Patrice - wie schon geschrieben - entschädigt danach für einiges. Wie auch die fast perfekte Organisation.
Thanks!
Dortmund, Reggae-Festival 2018 – rundum gelungen, oder wie ein Besucher es für die Presse zusammenfasste: "Beim Ruhr Reggae war für alle etwas dabei, den Dortmunder und weit angereisten Gästen scheint es gefallen zu haben."
Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018 (Bild: Vera Kriebel, 2018)
Infos zum Ruhr Reggae Summer Dortmund-Wischlingen 2018
- Ruhr Reggae Summer Dortmund 2019: 20. Juni 2019 - 22. Juni 2019
- Ruhr Reggae Summer Wischlingen, Dortmund, 31. Mai - 2. Juni 2018
- Wer spielt? Line-up
- Opening Party am 30.5. ab 22:00 Uhr. Und sonst? Campen, Klettern im Hochseilgarten, Sauna, Solebad, kleines Freibad, Minigolf, Frisbee-Golf ...
Die Videos
=> Sorry, bitte über die Qualität hinwegsehen - die Videos geben nur einen groben Eindruck wieder.
Macka B, 1. Juni 2018, Wischlingen, Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018
Nur zum Abgewöhnen: Mattia Jeremy, 2. Juni 2018, Wischlingen, Ruhr Reggae Summer, Dortmund 2018
Bildquelle:
Vera Kriebel, 2018
(Warum auf einen Mittelalter-Markt gehen?)
© Nicole Hanser
("Post City"– das Ars Electronica Festival 2015 in Linz (OÖ))
Katti Mieth
(Weinprobe im barocken Valletta, der Kulturhauptstadt Europas im Jah...)