Rezension: John Lennox, Hat die Wissenschaft Gott begraben?
Bei seiner Auseinandersetzung mit der Darwinschen Evolutionstheorie weist Lennox nach, dass eine äußere Intelligenz das Leben auf der Erde geschaffen haben muss.Die Frage nach der Reichweite der Wissenschaft
Ausgangspunkt ist für Lennox das Problem, dass sich Wissenschaftler möglicherweise von bestimmten Grundüberzeugungen leiten lassen, die ihre objektive Urteilsfähigkeit beeinträchtigen. Und zwar handelt es sich dabei um die Philosophie des Naturalismus bzw. Materialismus. Damit ist die Auffassung gemeint, dass es nur Natur bzw. Materie gibt und keinen Bereich des Transzendenten oder Übersinnlichen. Daraus folgt dann die Gleichsetzung von Wissenschaftlichkeit mit Atheismus und im Umkehrschluss die Vorstellung einer Unvereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft. Der Wissenschaft wird zugetraut, alles erklären zu können.
Lennox zufolge kann jedoch erwiesenermaßen Wissenschaft nicht jede Art von Fragen beantworten, vor allem nicht jene Fragen, die die Menschen am meisten bewegen, nämlich die Fragen nach dem Sinn und Zweck ihres Daseins, die Warum-Fragen. Fatalerweise würden nun jedoch, nur weil die Wissenschaft diese Fragen nicht beantworten kann, ein möglicher Sinn und Zweck des Lebens für eine Illusion gehalten. Oder es werde, weil wir dank des wissenschaftlichen Fortschritts die Mechanismen des Universums verstehen können, ohne Gott ins Spiel zu bringen, daraus bedenkenlos der Schluss gezogen, dass es nie einen Gott gegeben habe, der ursprünglich das Universum plante und schuf.
Wir sollten jedoch – wie Lennox betont - den Mechanismus, durch den das Universum funktioniert, weder mit dessen Ursprung noch mit seinem Bewahrer verwechseln. Wir müssten also unterscheiden zwischen Mechanismus und Urheberschaft. Man könnte auch sagen: Wir müssen die Grenzen wahren, die zwischen Wissenschaft und Religion bestehen, aber wir können dennoch die Indizien überprüfen, die die Wissenschaft geliefert hat, um religiöse Fragen beantworten zu können.
Geplantes Universum?
Ein wichtiges wissenschaftliches Indiz dafür, dass das Universum tatsächlich von einer Intelligenz als Heimat des Menschen geplant und geschaffen worden ist, ist für Lennox die rationale Verstehbarkeit des Universums. Hinzu komme die mathematische Natur der Verstehbarkeit. Deshalb könne man hier argumentieren, beide, die reale Welt und die Mathematik, ließen sich auf den Verstand Gottes zurückführen, der sowohl das Universum als auch den menschlichen Verstand geschaffen habe. Auch der Umstand, dass es überhaupt ein Universum gibt, könnte Lennox zufolge so gedeutet werden, dass seine Existenz gewollt war. Somit müsste auch davon ausgegangen werden, dass das Universum einen Anfang hatte, wie es das Urknall-Modell beschreibt. Ferner spreche für einen Schöpfungsakt die Beobachtung, dass die Grundkräfte des Universums exakt so zusammenwirken, dass Leben im Universum möglich ist.
Die Frage nach der Evolution
Wie verhält es sich nun mit der belebten Natur, der Biosphäre? Hier verweist Lennox darauf, dass die Wissenschaft, die sich mit der belebten Natur beschäftigt, nämlich die Biologie, gezeigt habe, dass diese reichlich ausgestattet ist mit unfassbar komplexen Mechanismen. Für viele Vertreter der Darwinschen Evolutionstheorie sei jedoch – wie Lennox betont - auch die unüberschaubare Komplexität, die wir in der Natur finden, kein Hinweis auf einen intelligenten Input von außen, sondern ihrer Meinung nach hat einzig und allein die Evolution diese ganze ungeheure Komplexität hervorgebracht. Dabei werde Evolution verstanden als natürliche Selektion und damit als ein gesetzesartiger Prozess, der die zufälligen Mutationen aussiebt, so dass man hier auch von einer Kombination von Zufall und Notwendigkeit sprechen könnte.
Wie wir von Lennox erfahren, geht es jedoch bei der natürlichen Selektion genau genommen um Mikroevolution und nicht um Makroevolution, also um in größerem Maßstab angelegte Neubildungen, etwa die Entstehung von neuen Organen, Strukturen und Bauplänen mit qualitativ neuem genetischen Material. Fatalerweise würden aber Beispiele für Mikroevolution häufig als hinreichende Beweise für Makroevolution herangezogen. Dies könne natürliche Selektion aber gar nicht leisten. Natürliche Selektion sei weder kreativ noch innovativ. Es gebe also Grenzen für die Wirksamkeit von natürlicher Selektion. Damit aber ist für Lennox die Vorstellung, dass Mikroevolution nahtlos in Makroevolution übergeht, und damit die Gültigkeit der Behauptung, dass natürliche Selektion die ganze Komplexität des Lebens erklärt, infrage gestellt.
Der Ursprung des Lebens – zur Bedeutung der DNS
Vor allem, wenn man sich mit der Frage beschäftigt, wie das Leben überhaupt entstanden ist, also mit der Biogenese, dem Sprung von der unbelebten zur belebten Natur, verfestigt sich Lennox zufolge der Eindruck, dass hier eine (intelligente) Informationsgabe von außen erfolgt sein muss. Er möchte dies verdeutlichen an Hand der ungeheuren Komplexität der lebenden Zelle.
So ist eine wesentliche Komponente der Komplexität der lebenden Zelle die Desoxyribonukleinsäure, abgekürzt DNS, ein informationstragendes Makromolekül im Zellkern. Eine lebende Zelle funktioniert folglich – wie Lennox betont - wie eine informationsverarbeitende Maschine. Und zwar handelt es sich bei der Information um die Anweisungen für die Herstellung der – lebensnotwendigen - Proteine aus Aminosäuren. Man könnte hier auch vom genetischen Code bzw. Genom sprechen, das in der DNS verschlüsselt vorliegt. Insgesamt übersteigt Lennox zufolge die Informationsverarbeitungskapazität der Zelle alles, was ein heutiger Computer leisten kann.
Die Affenmaschine
Lennox setzt sich in diesem Kontext auch mit einem der berühmtesten, aber vielleicht auch kuriosesten Versuche auseinander, die Genese der Komplexität der DNS mithilfe natürlicher Prozesse zu simulieren. Und zwar geht es hier um die Berechnung, wie lange eine – ständig wachsende – Horde von Affen, die die Tastatur von Schreibmaschinen traktieren, benötigen würde, um durch puren Zufall ein Werk der Weltliteratur zu tippen. Dabei hat sich – so Lennox - herausgestellt, dass dies schon deshalb nicht gelingen kann, weil das ganze beobachtbare Universum nicht groß genug ist, um die dazu erforderlichen Affenhorden, Schreibmaschinen und natürlich auch die Papierkörbe für die fehlgeschlagenen Versuche zu beherbergen. Deshalb würden die Resultate dieser Computersimulation die These bestätigen, dass natürliche Selektion als Kombination von Zufall und Notwendigkeit den Ursprung komplexer informationsgeladener Systeme nicht erklären kann.
Der Ursprung der Information
Für Lennox ergibt sich aus der Analyse der Komplexität des Lebens folgende Indizienkette: 1. Leben beinhaltet eine komplexe DNS-Datenbasis mit digitaler Information. 2. Die einzige Quelle, die wir für solche sprachähnliche Komplexität kennen, ist Intelligenz. 3. Theoretische Computerwissenschaften zeigen, dass ungesteuerter Zufall und Notwendigkeit unfähig sind, semiotische (sprachähnliche) Komplexität zu erzeugen.
Deshalb kann es für Lennox nur eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung komplexer informationsgeladener Systeme wie dem genetischen Code der DNS geben, nämlich, dass die in der DNS verschlüsselte Botschaft von einer intelligenten Ursache herrühren muss, dass also die Komplexität der DNS nur unter Bezug auf einen intelligenten Schöpfer, einen Designer, erklärt werden kann. Man könnte auch sagen, dass die DNS deshalb einen intelligenten Planer erforderlich macht, weil sie mit dem Informationsgehalt ein Merkmal aufweist, das auch intelligent gestaltete menschliche Texte und Computersprachen besitzen. Folglich basiert die Schlussfolgerung, dass hier ein intelligenter Ursprung im Spiel ist – wie Lennox betont - auf der Beschaffenheit der DNS und ist nicht einfach ein Analogieargument. Es gehe nicht nur um Ähnlichkeit, sondern um Identität.
Ursprung der Information (Bild: geralt/pixabay.com)
Verbreitung der Information (Bild: geralt/pixabay.com)
Resumée: Jenseits der Wissenschaft, aber nicht jenseits der Vernunft
Wie Lennox resümierend feststellt, tragen sowohl die unvorstellbare Komplexität der lebenden Systeme und ihrer Regulationsmechanismen, die uns durch die Molekularbiologie offenbart worden sind, als auch die Feinabstimmung der grundlegenden Komponenten des Universums, die von Physik und Kosmologie dokumentiert worden sind, das Merkmal (den Echtheitsstempel) einer planenden Intelligenz. Folglich könnten sowohl die Evolutionsmechanismen als auch die Feinabstimmung der physikalischen Komponenten des Universums als die vom Schöpfer gewählten Möglichkeiten betrachtet werden, Lebensvielfalt zu erzeugen.
Bei der Frage nach dem Schöpfer stoße jedoch die (Natur)wissenschaft an ihre Grenzen. Das heißt: Die (Natur)wissenschaft könne zwar Belege für die Existenz eines Schöpfers liefern, aber sie könne die Frage nach seinen Absichten und Zielen und damit nach dem Zweck unserer Existenz nicht beantworten. Hier verweist Lennox auf die Bibel, wo es heißt: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen." Diese Aussage des Apostels Johannes bestätigt für Lennox Gottes Einfluss auf der Informationsebene und die Priorität der Information vor der Materie.
Ferner stehe im Griechischen für "Wort" Logos, und Logos bezeichne das rationale Prinzip, das das Universum regiert. Für Lennox ist dies gleichbedeutend mit der theologischen Erklärung der rationalen Verstehbarkeit des Universums, der Feinabstimmung seiner physikalischen Konstanten und seiner sprachähnlichen biologischen Komplexität. Das Universum könne also aus der Sicht der Theologie als das Produkt eines göttlichen Logos betrachtet werden. In dieser Perspektive könne auch davon ausgegangen werden, dass Gott nicht nur das Universum erschaffen hat, sondern es auch mit all den Vorgängen darin beständig erhält, so dass Gott der Schöpfer auch als Person begriffen werden könne.
Lennox kommt zu dem Schluss, dass die Wissenschaft keineswegs Gott begraben, dass sie vielmehr zahlreiche Belege für seine Existenz erbracht habe.
Bewertung
John Lennox hat meiner Meinung nach in seinem Buch eine schlüssige, stringente und spannende Analyse der eigentlichen Ursachen unserer Existenz vorgelegt und dabei die theistische Weltsicht eindrucksvoll bestätigt. Die Argumente der Anhänger des Atheismus werden von Lennox schonungslos entlarvt als Wust von Vorurteilen und Vorfestlegungen, die der Einstellung geschuldet scheinen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Manche Versuche atheistischer Wissenschaftler, ihre Thesen trotz erdrückender Gegenbeweise doch noch zu retten, sind, wie Lennox zeigt, nicht nur widersinnig, sondern entbehren auch nicht einer gewissen Komik.
Deshalb kann man das Buch auch als Aufforderung an die Wissenschaft verstehen, fruchtlose Debatten um weltanschauliche Fragen zu beenden und auch mal ausgetretene Pfade zu verlassen, wenn neue Erkenntnisse dies nahelegen, also Denkverbote zu vermeiden sowie die Kooperation zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, auszubauen.
Am meisten werden von diesem Buch Leser profitieren, die sich – als interessierte Laien – nicht scheuen, sich auf das Abenteuer Wissenschaft einzulassen, die sich als Wissenschaftler in ihrem jeweiligen Fachgebiet auf den neuesten Stand bringen möchten, und natürlich diejenigen, die sich für das Verhältnis von Wissenschaft und Glauben interessieren. Zum Glück versteht es Lennox – und das zeichnet das Buch meiner Meinung nach in besonderer Weise aus - auch schwierige Sachverhalte anschaulich und mit einer Prise Humor darzustellen.
Bildquelle:
johannes flörsch
(So findest du die Sternschnuppen der Perseiden)
Karin Scherbart
(Wie macht man einen Regenbogen selbst?)