Geschichte des Kirchenbaus

Die Kirche St. Prokulus entstand nach archäologischen Befunden in der Zeit zwischen 630 bis 650 nach Christus. Dafür spricht der Fund eines germanischen Kurzschwertes in einem Grab an der Südseite der Kirche. Dieses Schwert weitere Funde werden auf die Zeit um 640 nach Christus datiert.

Der einfache Bau bestand aus dem noch heute original vorhandenen rechteckigen Kirchenschiff mit eingezogenem trapezförmigem Chor. Der Eingang lag im Süden. Neben der Eingangstür befindet sich bis heute ein kleines holzgerahmten Fenster. Wahrscheinlich trennte ein hölzerner Lettner den Chor vom übrigen Teil der Kirche mit einem erhöhten Boden. Die Wände im Altarraum mit einem gemauerten Altar waren wohl mit Malereien verziert.

Im Spätmittelalter wurde St. Prokulus völlig neu gestaltet. Die Kirche erhielt einen Turm und der Altarraum wurde nach oben mit einem Tonnengewölbe abgeschlossen. Dabei wurde der Eingang von der Süd- auf die Westseite verlegt.

1365 erwarb das Geschlecht der Annenberger die Kirche St. Prokulus als Begräbnisstätte der Familie. Die neuen Besitzer ließen das Kirchenschiff erhöhen und einheimische Künstler schufen neue Wandmalereien im gotischen Stil nach Vorbildern aus dem Bozener und Meraner Raum. Die älteren Wandmalereien blieben darunter erhalten. Neben der Gruft im Kirchenschiff wurde auch der Friedhof um die Kirche weiter genutzt.

Im August 1636 kam es in Naturns zu einer Fleckfieberepidemie. Die wird im Volksmund als Pest bezeichnet. Ein Viertel der Bevölkerung wird dahingerafft. Aus Furcht vor Ansteckung wurde der Friedhof um St. Prokulus zum Seuchenfriedhof. Der Kirchenbau blieb in dieser Zeit weitgehend unverändert. Allerdings verschwanden die Wandmalereien unter weißer Farbe.

Während einer Restaurierung im Jahr 1912 wurden die frühmittelalterlichen Wandmalereien entdeckt und freigelegt. St. Prokulus wurde ein beliebtes Ziel für Kunstfreunde.

Der Altarraum (Bild: Harald Rossa)

Die Fresken

Ein Blick in den Innenraum von St. Prokulus offenbart die kunsthistorische Einmaligkeit dieser Kirche mit ihren frühmittelalterlichen Fresken. Zur Entstehung der Fresken gibt es zwei Hypothesen: Die ältesten Fresken werden auf das 7. Jahrhundert oder auf das 8. Jahrhundert datiert. Einig sind sich die Experten darin, dass diese Fresken noch vor der Kaiserkrönung Karls des Großen Weihnachten 800 entstanden. Damit handelt es sich bei den Fresken in St. Prokulus um die ältesten erhaltenen Wandmalereien im deutschsprachigen Raum.

Die Fresken zeigen u. a. Szenen aus dem Leben des Heiligen Prokulus. Ein besonders bekanntes Bild befindet sich an der Südwand: der Schaukler. Nach heutigem Wissen ist der Mann auf der Schaukel wohl der Heilige Prokulus von Verona.

Außerdem befinden sich in der St. Prokulus Kirche auch zahlreiche Fresken, die aus der Zeit um 1400 stammen. Sie zeigen unter anderem das Letzte Abendmahl und die Legende der Heiligen Drei Könige. Aus der Zeit um 1400 stammen auch die Wandmalereien an der südlichen Außenmauer. Hier werden u. a. die Erschaffung der Welt und der Sündenfall dargestellt.

Die gotischen Wandmalereien von St. Prokulus standen im Schatten der älteren und bis heute einzigartigen Wandgemälde aus dem frühen Mittelalter. Teilweise wurden sie bei der Restaurierung 1923 mit dem darunter liegendem Putz abgenommen. Diese Fresken sind nun im Prokulus Museum zu sehen.

Um 1330/1340 wurde der Altarraum neu gestaltet. Die Rückwand erhielt eine Kreuzigungsszene, die stilistisch der Frühgotik zugeordnet wird. Die Gewölbetonne erhielt parallel dazu eine Ausmalung mit dem Weltenrichter inmitten von Symbolen für die Evangelisten.

Der Schaukler (Bild: Harald Rossa)

Prokulus-Museum

2006 wurde nahe der Kirche ein Museum eröffnet. Das ist in die Themenbereiche Spätantike, Mittelalter sowie Pestzeit im 17. Jahrhundert gegliedert. Das Museum präsentiert vor allem archäologische Fundstücke, die bei den Grabungen in den Jahren 1985 und 1986 geborgen wurden. Es werden auch die bei der Restaurierung 1986 abgelösten gotischen Fresken aus der Zeit des gotischen Umbaus der Kirche gezeigt.

Mehr zum Thema

  • Joachim Seeger: Ein mystischer Zugang zu der Kirche St. Prokulus in Naturns bei Meran. Aachen 2006, ISBN 3-89514-580-7
  • Hans Nothdurfter, Ursula Rupp, Waltraud Kofler-Engl: St. Prokulus in Naturns. Lana 2003, ISBN 88-7073-207-X
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