In der U-Bahn lauert das Grauen

Poster The Midnight Meat TrainLeon Kauffman (Bradley Cooper) arbeitet in New York als Fotograf und hat sich darauf spezialisiert, die düsteren Seiten der Stadt abzulichten. Zum ganz großen Durchbruch fehlen aber die passenden Motive, wie ihm die einflussreiche Galeristin Susan (Brooke Shields) freimütig verrät. Freundin Maya (Leslie Bibb) hält dennoch unverdrossen zu Leon und hält ihren Liebsten und sich selbst als Kellnerin über Wasser.

 

Eines Tages scheint es das Schicksal gut mit ihm zu meinen: In der U-Bahn knipst er eine Straßengang, die eine junge Frau belästigt, und schafft es mit Hilfe eines Tricks sogar, die aggressiven Jugendlichen zu vertreiben. Dankbar für ihre Rettung drückt ihm die Frau einen Kuss auf die Wange und steigt in den nächsten Zug ein. Unglücklicherweise befindet sich der Menschenschlächter Mahogany (Vinnie Jones) im selben Waggon...

 

Tags darauf liest der geschockte Leon von der grausamen Ermordung der jungen Frau, sieht noch einmal die Bilder durch, die er von ihr machte, und entdeckt einen Hinweis auf den Serienkiller. Bei der Polizei will ihm aber niemand so recht Glauben schenken, weshalb er auf eigene Faust zu ermitteln beginnt. Ein schwerer Fehler, wie er herausfindet, als der grobschlächtige Mahogany ihn bemerkt und den Spieß umzudrehen beginnt...

Trailer "The Midnight Meat Train"

Geschrieben und produziert von Clive Barker

Mit dem in Deutschland indizierten "The Midnight Meat Train" wurde eine weitere geniale Kurzgeschichte aus der Feder des neben Stephen King wohl berühmtesten zeitgenössischen Horrorautors Clive Barker verfilmt. Der smarte Brite selbst trat als Produzent auf, was eine stimmige Leinwandadaption garantieren sollte. Indes erweist sich das Ergebnis als zwiespältig.

 

Dies liegt weder an der flüssigen Regie des in hiesigen Breiten unbekannten Japaners Ryūhei Kitamura, noch an der Besetzung der Schlächter-Rolle mit Ex-Fußballstar Vinnie Jones (treffender Spitzname: "The Axe"). Vielmehr vermag die Umsetzung der 1984 in den "Büchern des Blutes" veröffentlichten Kurzgeschichte auf Grund des dünnen Plots nicht zu überzeugen. "The Midnight Meat Train" (deutscher Titel: "Der Mitternachts-Fleischzug") stellt im Original eine atmosphärisch unheimlich dichte Story mit mystischen Elementen, grausigen Gewaltbeschreibungen und einem überraschenden Plottwist dar.

 

"The Midnight Meat Train": Endstation Schlachthof

Der Film hält sich zwar an einige der Kernelemente der Vorlage - die Namen der Protagonisten, der Schauplatz, die Begründung für das Schlachten -, bauscht den Plot aber mit unnötigen Nebenhandlungen auf, um ihn auf Spielfilmlänge zu strecken. Faktisch eignete sich eine werkgetreue Umsetzung der Kurzgeschichte als Episode einer Filmanthologie oder im Rahmen etwa der Fernsehserie "Tales from the Crypt". Clive Barkers "The Midnight Meat Train" folgt klassischen Erzählpfaden: Die Wege des Protagonisten (Leon Kauffman) kreuzen sich mit jenen des Antagonisten (Mahogany), ein Konflikt entsteht, der in einem Zweikampf und schließlich der finalen Auflösung der aufgeworfenen Rätsel mündet. Ein perfekter Lesegenuss für Horrorfans.

 

Leider folgt Kitamura den konventionellen Filmpfaden, indem er dem in der Vorlage alleinstehenden Kauffman eine bildschöne Freundin (Fotomodell Leslie Bibb) andichtet und den wenig attraktiven, langweiligen Buchhalter mit einem hippen Beruf versieht und ihn mit dem attraktiven Bradley Cooper besetzt. Dazu gesellt sich ein unnötiger Subplot mit einer sichtlich gelangweilten und ebenso sichtlich gealterten Brooke Shields als Galeristin, und als wäre dem nicht genug, werden auch noch ein weiblicher Detective und ein guter Freund eingeführt. Für den weiteren Filmverlauf spielen diese freilich keine wesentliche Rolle, sodass sich der Verdacht aufdrängt, dass sie nachträglich in ein wesentlich dünneres Drehbuch eingefügt wurden.

 

Letztendlich enttäuschende "Bücher des Blutes"-Verfilmung

Einzig Vinnie Jones vermag dank seiner bedrohlichen Präsenz zu überzeugen. Über den Killer Mahogany erfährt der Zuschauer rein gar nichts, außer, dass er - wie originell und überaus ironisch! - in einem Schlachthof arbeitet. In Clive Barkers Vorlage wird ausdrücklich mit der klischeehaften Vorstellung gespielt, wonach der Schlächter im entsprechenden Gewerbe tätig sein müsste, weshalb die Schlachthöfe von der Polizei überwacht werden. Nicht das einzige Storyelement aus der Vorlage, die der Film ins Gegenteil verkehrt.

 

Kaum weniger ärgerlich präsentiert sich der Schluss. Hierbei wird die Pointe in groben Zügen beibehalten, verliert jedoch an ihrer ursprünglichen Wucht, da die Begleitumstände völlig verzerrt werden. Denn die Kurzgeschichte "The Midnight Meat Train" besitzt zwar einen mystischen Hintergrund, gewinnt ihren Schrecken aber aus der vordergründig realistischen Story. In der Verfilmung mutiert Mahogany zum typischen Bösewicht, der mehr Leben als eine Katze hat, und das zwischen den Zeilen zu lesende Grauen wird auf geradezu parodistische Weise bebildert.

 

Dessen eingedenk verwundert es nicht, dass sogar die knackige Schlusspointe verbockt wurde, indem sie unnötig ausgewalzt wird - ganz so, als traute der Regisseur dem Publikum eigenständiges Denken nicht zu.

 

Effekttechnisch gibt es an dem Splatterstreifen nichts zu bemängeln. Hätte man doch bloß dieselbe Sorgfalt beim Drehbuch aufgewendet! Nun ist "The Midnight Meat Train" keineswegs ein völlig missglückter Horrorfilm. Allerdings wird er vor allem bei Kennern der literarischen Vorlage aus den "Büchern des Blutes" unablässig für Kopfschütteln ob der verpassten Chancen sorgen.

Fazit nach 100 Minuten: Enormes Potenzial wurde leichtfertig verschenkt. Für einen launigen Filmabend reicht es zwar, aber längeren Eindruck hinterlässt der Film leider nicht.

"Der Mitternachts-Fleischzug" in den "Büchern des Blutes"
Die Bücher des Blutes 1 - 3The Midnight Meat Train Plakat Movie Poster (11...

Originaltitel: "The Midnight Meat Train"

Regie: Ryuhei Kitamura

Produktionsland und -jahr: USA 2008

Filmlänge: ca. 100 Minuten

Verleih: Universal

Deutscher Kinostart: 14. August 2008

FSK: Keine FSK-Freigabe

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