"The Walking Dead: Michonne": Dritter Teil der Telltale-Games-Serie enttäuscht
Wortkarge Michonne statt Clementine? Keine gute Wahl in der dritten "The Walking Dead"-Auflage von Telltale Games. Auch die kurze Spielzeit der ersten Episode enttäuscht.Mit "The Walking Dead: Michonne" betritt Telltale Games Neuland: Erstmals basiert die Spielereihe auf einem Charakter der Comic-Serie von Robert Kirkman und Tony Moore. Die aus den ersten beiden Staffeln der Game-Serie bekannten Figuren tauchen nicht mehr auf, was insofern verwundert, da Teil 2 förmlich nach einer direkten Fortsetzung schreit. Vielleicht war der Lockruf der sicheren Neuauflage doch lauter. Immerhin zählt Michonne zu den beliebtesten Charakteren aus den Comics und insbesondere aus der AMC-TV-Serie. Die Crux liegt wie so oft im Detail. Dabei beginnt Episode 1 mit dem Titel "In Too Deep" durchaus verheißungsvoll.
Eine Bootsfahrt, die ist lustig ... aber nicht mit U-Zombies!
Nach einem alptraumhaften Intro erwacht Michonne auf einem Boot. Die Crew rund um Pete sucht nach Überlebenden, die sich offenbar in einem gestrandeten Passagierschiff verschanzt haben. Michonne und Pete nehmen volles Risiko und machen sich daran, der Spur nachzugehen. Dabei entdecken sie nicht nur, dass die Infizierten auch im und unter Wasser lauern, sondern werden Zeugen eines bestialischen Massakers, deren einzigen Überlebenden ein Geschwisterpaar ist. Die erste Begegnung mit den jungen Leuten verläuft noch recht unfreundlich. Richtig ungemütlich wird es, als eine Plündererbande auf den Plan tritt.
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Katana-Lady Michonne
"In too deep" – zu tief drinnen – nennt sich die erste von drei Episoden der dritten "The Walking Dead"-Staffel. Ein ironischer Titel, denn allzu tief gerät man nicht in das Geschehen hinein. Im Gegensatz zu den jeweils von Beginn weg packenden ersten Staffeln bleibt der Zuschauer außen vor. Um nicht missverstanden zu werden: "The Walking Dead: Michonne" ist kein totaler Reinfall, sondern ein solider Neuanfang, dem jedoch die extrem dichte Atmosphäre der Vorgänger fehlt. Als Fan der Staffeln 1 und 2 freut man sich, dass die Grafik ebenso wie das Gameplay gleich geblieben ist. Der Einstieg in die erste Episode fühlt sich somit vertraut an, und die Hoffnung, mit der Heroine Michonne faszinierende Einblicke in eine verstörte Seele zu erhalten, hält die Spannung zunächst aufrecht.
Leider erweist sich die Computerspiel-Adaption der beliebten Figur rasch als Enttäuschung. Schließlich handelt es sich bei der "Walking Dead Game"-Reihe um keine Actionserie, innerhalb der Katana-Lady Michonne punkten könnte. Die geheimnisvolle Schweigerin will logischerweise nicht so recht ins dialoglastige Survivial-Abenteuer passen. Ihre Zombierübe-ab-Aktionen befriedigen sicher ihre Fans – auf Dauer ist das aber eindeutig zu wenig, insbesondere deshalb, da ihrer Figur wenig Raum zur Entfaltung geboten wird. Mehr als der Verlust ihrer Kinder wird nicht angerissen, was sich zwar mit der langsamen Entwicklung des Charakters im Comic und in der TV-Serie deckt, in der Computerspielreihe jedoch eindeutig zu dürftig ist und beständig die Frage aufkommen lässt, wann es denn endlich so richtig los geht mit den unerwarteten Wendungen, mit den Dramen, mit der Spannung, kurzum: Mit allem, was die ersten beiden Staffeln so grandios machte.
In der Kürze liegt die Würze? Nicht bei "The Walking Dead"!
Die unbefriedigende Antwort: Gar nicht. Vielmehr dürfte sich so mancher Spieler verblüfft die Augen reiben, wenn nach nur längstens 90 Minuten der Abspann über den Bildschirm läuft. Angesichts dessen, dass Staffel 3 aus lediglich drei Episoden besteht, darf und muss sich Telltale Games den Vorwurf des Schnellschusses gefallen lassen. Sicher: Das Veröffentlichungsdatum wurde mehrfach nach hinten verschoben. Weshalb, erschließt sich bereits auf Grund der Kürze der ersten Episode nicht. Zum Vergleich: Staffel 1 wies fünf Episode plus einer Zusatzepisode aus, Staffel 2 ebenso fünf Episoden, wobei jede länger als "In too deep" geraten ist. Vielleicht erachtet Telltale Games ihre "The Walking Dead"-Serie auch als Selbstläufer, für den man mittlerweile weniger Sorgfalt aufbringen muss, da die Fans ohnehin jede Staffel kaufen. Was verständlich, aber auch schade wäre: Zu packend, spannend, mitreißend waren die ersten beiden Staffeln, um eine dermaßen überragende Spielereihe ins gediegene Mittelmaß absinken zu sehen.
Zumindest dramaturgisch ist die radikale Neuausrichtung nicht nachvollziehbar. Es war ja beileibe nicht nur die kleine Clementine, um deren Überleben man in Teil 1 und 2 bangte, welche das Game zu einem außergewöhnlichen Highlight des Genres machte. Die Handlung mit den vielen Wendungen und (meist bösen) Überraschungen, die abwechslungsreichen Schauplätze und natürlich die nicht unbedingt sympathischen, aber durchwegs interessanten Nebencharaktere boten ein überragendes Spielerlebnis für viele (Abend-)Stunden. Mit einem der Serie entsprechenden Cliffhanger endete Staffel 2, was natürlich vermuten ließ, dass sich Staffel 3 dem weiteren Schicksal Clementines widmen würde.
Michonne: Wortreich wie Schwarzenegger
Hat sich Telltale Games mit einer bekannten und populären Figur einfach nur für den einfacheren Weg entschieden? Der Eindruck einer uninspirierten, rasch auf den Markt geworfenen Fortsetzung verstärkt sich im Laufe der ersten Episode, wenn sich keine einzige überraschende Wendung, keine einzige interessante Idee, kein einziger nachhaltig im Gedächtnis verbleibender Nebencharakter einstellen will.
Der Gamer wartet auf den zündenden Funken, bis zur einzigen Überraschung des Games: Dem abrupten, frühen Ende von Episode 1. Sei's drum, dass Michonne – aus welchen Gründen auch immer – anstatt ihres ikonischen Katanas eine Machete mit sich trägt und ungefähr so gesprächig wie Arnold Schwarzenegger in seinen besten Action-Zeiten ist. Über die sterile Handlung kann man jedoch nicht mehr hinwegsehen. Alles wirkt wie nach einer "Malen nach Zahlen"-Blaupause für Adventure-Games gestaltet. "The Walking Dead: Michonne" erweckt den Eindruck, als hätte Telltale Games vergessen, weshalb sich die ersten beiden Staffel größter Beliebtheit erfreuen. Belanglose Dialoge, überraschungsfreie Handlungen und völlig uninteressante Charaktere waren es jedenfalls nicht, die Teil 1 und 2 zu Publikums- und Kritikerzuspruch verhalfen.
Wie eingangs erwähnt ist die erste Episode der dritten Staffel natürlich spielbar und kompetent gestaltet. Von der Serie erwartet man jedoch nicht solides Mittelmaß, sondern Spitzenklasse. Vielleicht wäre sogar eine missglückte Fortsetzung der Clementine-Saga noch besser gewesen als der Stilbruch rund um Michonne, den der Rezensent nur als rasch heruntergekurbelten Fan-Dienst verstehen kann. Unverständlich, da Clementines Geschichte längst nicht am Ende angelangt sein kann und üppig Raum für Fortsetzungen bieten sollte. Als Fazit nach Episode 1 von "The Walking Dead: Michonne" bleibt: Eindeutig der schwächste Teil der Serie mit indiskutabel kurzer Spieldauer (90 Minuten!), und das bei nur 3 Episoden. Als Hoffnung verbleibt, dass Telltale Games nach dem eher enttäuschenden Zwischenspiel den Faden mit Clementine wieder aufnehmen möge. Oder um mit Ellie aus "The Last of Us" zu sprechen: "Das kann doch nicht alles gewesen sein!"
Bildquelle:
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("The Walking Dead - Staffel 1": Horrorgame nach Robert Kirkmans Com...)
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(The Walking Dead - Season 2: Fortsetzung des Horrorgames)
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(Was man als Neuling im Online-Rollenspiel alles falsch machen kann)