Auf Sir Francis Drakes Spuren

Aber was ein echter Seemann ist, der hat in jedem Hafen eine Braut – warum nicht auch Sir Francis Drake? Und überhaupt: Sollte man sich mit derlei Kinkerlitzchen aufhalten, wenn 400 Jahre nach seinem Ableben ausgerechnet sein Ururundsoweiterahn seinen Sarg und das darin enthaltene geheime Tagebuch findet? Ein Tagebuch, dessen Hinweise zu entschlüsseln bedeutet, den Weg ins legendäre El Dorado zu eröffnen? Oder besser gesagt: Zum legendären El Dorado, denn ursprünglich war damit der mit Gold bedeckte Herrscher eines südamerikanischen Volkes gemeint. 

Sei es wie es sei: Gemeinsam mit seinem väterlichen Freund Sully und mit der ehrgeizigen Reporterin Elena an der Backe, jagt Nathan den Hinweisen nach, wobei das Abenteuer bereits kurz nach dem spektakulären Tagebuchfund zu Ende scheint: Erst werden Nathan und Elena von Söldnern unter Beschuss genommen, später stürzen sie gar mit dem Flugzeug über einem Dschungelgebiet ab. Aus die Maus? Von wegen: Ein echter Drake geht nicht (r)unter! Jetzt ist der Ehrgeiz des nicht immer mit legalen Mitteln agierenden Nathan geweckt …

Renaissance des Adventuregenres

Auf ähnliche Weise, wie Steven Spielberg 1981 mit Indiana Jones den klassischen Abenteuerfilm mit rauen Helden, klischeehaften Schurken, viel Action und stets augenzwinkerndem Witz zurück in die Kinos brachte, erlebte das Adventuregenre mit der "Uncharted"-Reihe ihre Renaissance. Die Referenz erfolgt nicht von ungefähr: Tatsächlich wirkt Nathan Drake wie ein legitimer Nachfolger des Mannes mit Schlapphut und Peitsche: Tough, gleichzeitig ein Ladies Man, stets einem großen Schatz oder Geheimnis auf den Spuren, was ihn rund um den halben Globus führt, mitunter auch Gesetze missachtend, solange es seiner Sache dient. Und natürlich ein Tausendsassa, der gelegentlich versagt und eine auf den Latz bekommt, was ihn nur umso sympathischer macht.

Natürlich hinkt jedoch der Vergleich mit klassischen Adventuregames wie den populären Reihen "Monkey Island" oder "Baphomets Fluch": Der bei einem Spiel wie "Uncharted" betriebene Aufwand ist ungleich größer und führt zu mehr spielerischer Freiheit, wie auch kinoreifen Szenerien. Ob man die neu aufgelegte "Uncharted"-Reihe als Geldschneiderei von Spieleentwickler "Naughty Dog" ("The Last of Us") sieht, kommt auf die Perspektive drauf an. "Uncharted: The Nathan Drake Collection" enthält kein neues Spiel, sondern die grafisch aufpolierten, ursprünglich für die Playstation 3 erschienenen Abenteuer. Wer diese bereits gespielt hat, wird wenig Veranlassung sehen, dieselben Spiele noch einmal zu kaufen. Für "Uncharted"-Novizen ist die überarbeitete Remastered-Fassung aber ein Pflichtkauf.

"Uncharted 4: A Thief's End" ... das Ende einer herausragenden Spielreihe

Dem ersten Teil "Uncharted: Drakes Schicksal" merkt man sein Alter zwar an. Doch "Uncharted 2: Among Thieves" (2009) und "Uncharted 3: Drake's Deception" (2011) wirken wie frisch von der Festplatte. Sicher: Viele aktuelle Spieletitel bieten noch bessere Grafiken und noch realistischer wirkende Zwischensequenzen. Aber in Punkto Spielspaß gibt es an den "Uncharted"-Teilen kein Vorbeikommen. Selbst "Tomb Raider" guckte sich ganz offensichtlich so Manches von Nathan Drake am (glücklicherweise nicht die Spielfigur selbst – da sind wir mit Lara Croft vollauf zufrieden). Die sorgfältige Entwicklung der Spiele geht – und das ist der einzige Wermuttropfen – auf Kosten der Wartezeit bis zum nächsten Kracher aus dem Hause "Naughty Dog".

Oder vielmehr sind es zwei Wermuttropfen: Nicht nur verzögerte sich der Veröffentlichungstermin für Teil 4 mit dem Titel: "Uncharted 4: A Thief's End" um anderthalb (!) Jahre auf April 2016, schlimmer wiegt, dass mit diesem Teil das Kapitel Nathan Drake für immer geschlossen werden soll. Einerseits muss man "Naughty Dog" Respekt dafür zollen, seine Spielreihen nicht endlos auszuwalzen, andererseits wächst einem die Abenteuerreihe so schnell ans Herz, dass man sich ein Playstation ohne sie kaum noch vorzustellen vermag.

Gewiss: Jeder Teil der "Uncharted"-Reihe hat seine Längen, aberwitzigen Zufälle, Ungereimtheiten. Aber nichts davon fällt wirklich ins Gewicht, stehen dem doch viele Stunden unbeschwerten Spielspaßes pro Game gegenüber. Alleine eine Sequenz, in der ein angeschossener Nathan ein vornüber eine verschneite Gebirgsklippe Flugzeug hinauf klettern muss, oder wie er sich auf den Waggondächern eines fahrenden Zuges durch Maschinengewehrsalven hindurch stückchenweise nach vorne arbeiten muss, ist ein Garant für Hochspannung und verdient die Bezeichnung "Interaktiver Film".

Die ausgewogene Mischung aus Handlung, Dialogen und Action sorgt dafür, dass der Leser stets bei der Stange bleibt und unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Selbst die erste Begegnung zwischen einem sehr jungen Nathan Drake und einem noch nicht ganz so alten Sully ist sowohl erzählerisch, als auch spieletechnisch hervorragend umgesetzt. Sie erschließt, was die beiden zueinanderfinden ließ (kleiner Spoiler: Es war nicht Freundschaft auf den ersten Blick), und was Nathans Beweggründe für seine Abenteuer ist. Im Gegensatz zu "The Last of Us" wird mehr Wert auf Action gelegt, dafür sind die Storys weniger dicht. Es sind schlichtweg unterhaltsame Abenteuergeschichten, die in viele Weltgegenden führen und so manche überraschende bzw. unangenehme Begegnung in sich bergen.

Von wegen "Naughty" Dog!

Eine emotionale Beziehung zu den Figuren wie im erwähnten "The Last of Us" wird nicht aufgebaut, ebenso wenig verbleibt eine der Geschichten mit jeder Facette im Gedächtnis. Das sollen sie auch gar nicht. Der einzige Zweck der Unterhaltung auf hohem Niveau wird erfüllt – was will man mehr?

Mäkelmodus on.

Gut, wenn man mäkeln möchte, könnte man dem "mehr" hinzufügen: Belebtere Schauplätze, eine offenere Spielewelt und etwas abwechslungsreichere Kämpfe wären toll.

Mäkelmodus aus.

Bloß: Diese Mäkelei hat etwas davon, an einer atemberaubend schönen Frau den Schnitt der Hose zu kritisieren, um nicht in sinnlose Schwärmerei zu verfallen. Wem Adventuregames keine Freude bereiten, der wird auch von den "Uncharted"-Games nicht bekehrt. Für alle anderen Spieler, ob Gelegenheitszocker oder Vielspieler, ob Einsteiger oder professioneller Nacht-um-die-Ohren-Schlager vor der Playstation seit deren ersten Modell, ist diese Serie ein Pflichtkauf.

Mit "Uncharted: The Nathan Drake Collection" weckte "Naughty Dog" die Vorfreude auf den vierten (und leider letzten) Teil. Und auch wenn die Reise von Nathan Drake damit zu Ende sein dürfte: Wer weiß, welches nächste, herausragende Abenteuer "Naughty Dog" bereits in Planung hat? An dieser Stelle sollte man auch einmal ein Lob für die herausragende Kreativität des Spieleentwicklers spenden, die hoffentlich noch für viele weitere eines Nathan Drake würdige Adventuregames sorgen wird. Dafür lege ich gerne Geld auf die Seite und spare dafür an der Schokolade. Und das besagt bei einem Schokoholiker wie dem Rezensenten schon Einiges …

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