Upcycling: Aus Müll und Schrott Nützliches und Dekoratives herstellen
Upcycling ist verwandt mit Recycling, aber die Wiederverwertung benötigt keinen hohen Energieverbrauch und weitere Ressourcen. Ein Designer und Architekt aus Nordbayern zeigt, wie's geht.Gebrauchs- und Dekorationsgegenstände aus Weggeworfenem
Bunt und kreativ. Diese beiden Adjektive setzten sich in den Synapsen fest, wenn man das Haus von Thomas Abb betritt. Schon am Eingang wird das Auge gezwungen, auf langen Stangen befestigte kleine Häuschen näher zu betrachten. Die farbenfrohen Pfahlbauten bilden ein Dorf in Miniformat. Wer genauer hinguckt erkennt, dass es sich um Vogelhäuschen handelt. Zusammengesetzt wurden sie aus Holzresten, die schon für das Kaminfeuer bestimmt waren. Die Stangen stammen vom Blitzschutz eines sanierten Flachdaches."Das ist Upcycling", erklärt der Architekt und Designer aus dem Stadtteil Trennfurt in Klingenberg am Main. Er stellt Gebrauchs- und Dekorationsgegenstände aus dem her, was andere wegwerfen.
Aus einem alten Kanister wird eine dekorative Minibar. (Bild: Ruth Weitz)
Aus einem Computerbildschirm wird ein Insektenhotel
Thomas Abb sammelt auch schöne Dinge, egal ob alt oder modern, Hauptsache es hat Stil. Dazu gehören einige Old und -Youngtimer, Modellautos und Blechspielzeug, alte Fahrräder, antiquarische Fotoapparate, alte Gießkannen und Zinkwannen, rostiges Werkzeug, landwirtschaftliche Geräte, Bauhausmöbel und anderes. "Sammeln und Restaurieren ist eine große Leidenschaft von mir. Langeweile ist ein Fremdwort für mich", sagt Abb und bemerkt, dass er der Zeit weit voraus war: "Als ich mir bereits vor 30 Jahren überlegt habe, was man noch aus den Dingen machen könnte, die man sonst wegwirft, gab es den Begriff "Upcycling" noch gar nicht. Heute ist das Internet voll davon!"
Das Vogel-Dorf auf dem Grundstück am südlichen Ende des Klingenberger Stadtteils Trennfurt wächst kontinuierlich, denn die Kreativität des 54-Jährigen ist schier grenzenlos. Der Architekt und Designer beobachtet mit offenen Augen seine Umwelt. Er entdeckt viele Dinge, die als Abfall gelten, aber aus denen er etwas Neues gestalten kann. So wurde aus dem Gehäuse eines ausrangierten Computer-Bildschirmes ein Insektenhotel. Das Innenleben hat er ausgebaut und die nicht mehr brauchbaren Elektronik-Teile anschließend vorschriftsmäßig entsorgt.
Für Bienen und andere Insekten dient das Gehäuse eines Computerbildschirms als Insektenhotel. (Bild: Ruth Weitz)
Architekt, Designer, Upcycler mit handwerklichem Geschick
schrieb er sich an der FH für Gestaltung in Pforzheim für das Studienfach Produktdesign ein.Nach dem erfolgreichen Abschluss arbeitete er bei Mercedes-Benz in Sindelfingen als Designer und war unter anderem weltweit für das CI (Corporate Idendity oder auf deutsch Erscheinungsbild) der Daimler-Benz AG verantwortlich. 1990 macht er sich selbstständig und gründete seine eigenes Büro unter dem Label "Abb Architektur & Design". Heute ist er international tätig und arbeitet für viele namhafte Firmen in den unterschiedlichsten Branchen. Nebenbei war er Dozent an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg. Nachdem Aschaffenburg eine eigene FH erhielt, unterrichtete er auch dort noch einige Semester das Fach Warenästhetik und Produktkultur. Thomas Abb lebt und arbeitet in Klingenberg-Trennfurt.
Thomas Abb wurde am 18. August 1960 geboren. Sein Fachabitur erwarb er an der Fachoberschule in Obernburg und studierte anschließend Architektur an der Fachhochschule (FH) Darmstadt. In Anschluss
Upcycling: Aus alt mach neu: 70 kreative Ideen zum Selber... |
Was bedeutet "Upcycling"
Upcycling ist ähnlich wie Recycling eine Art der Müllvermeidung. Beim Upcycling wird Abfall als Material für neue Produkte verwendet. Im Gegensatz zu Recycling ist ein geringerer Energieaufwand nötig um Neues zu schaffen. Außerdem werden Wert und Qualität der aus Abfall hergestellten Produkte nicht gemindert, sondern gesteigert. Für Upcycling-Möbel werden mittlerweile hohe Summen gezahlt. Während das Interesse an Upcycling in den Industrienationen erst langsam wächst, ist es in ärmeren Gesellschaften alltäglich, aus Weggeworfenem neue Produkte herzustellen. In vielen Entwicklungsländern sind zum Beispiel Flechttechniken verbreitet, mit denen sich aus alten Gummi- und Plastikprodukten neue Gebrauchsgegenstände fertigen lassen.
Ausrangierte Alltagsprodukte bekommen einen neuen Verwendungszweck
Mit einem Schmunzeln bekennt der Upcycler: "Schon als Kind habe ich immer alles auseinander geschraubt, um genau zu erforschen, was sich dahinter verbirgt". Das habe ihm oft den Ärger seines Vaters eingebracht, vor allem dann, wenn er die zu Weihnachten geschenkte Märklin-Eisenbahn in ihre Einzelteile zerlegt hatte und nicht mehr zusammenbekam. "Aus Fehlern lernt man, und so habe ich es mit den Jahren geschafft, alles wieder richtig zusammen zuschrauben", sagt Abb und lacht.
Ausrangierte Alltagsprodukte wie Staubsauger, Elektro-Rasenmäher, Hochdruckreiniger, Teekanne, Metallkanister, Gießkanne und anderes hat Thomas Abb zu Vogelhäusern umgebaut. Das defekte Innenleben entfernt er und verwendet das Gehäuse. Sein Augenmerk richtet er auf ein gutes Design der Wegwerfprodukte. "Eigentlich geht das ganz einfach, ist dank Kunststoffgehäuse witterungsbeständig und sieht gleichzeitig lustig und attraktiv aus", stellt er fest
In seiner Modellbau-Werkstatt befinden sich die unterschiedlichsten Materialien, Farben und Klebstoffe, alles fein geordnet in Regalen und Lagerboxen. Bei dieser Vielzahl von Kleinteilen ist für ihn Ordnung oberstes Gebot. Draht in allen Stärken und Längen, Styropor, Plastikteile, Rohre, Holzleisten, Lochblech, Schalter, Griffe, Gummiteile und vieles mehr, es gibt praktisch nichts, wozu Thomas Abb sagen würde: "Das kann weg!" – auch wenn es defekt oder zerbrochen ist.
Schönes und Nützliches erst auf den zweiten Blick als Upcycling erkennbar
Möbel, Leuchten, Bilder, Plastiken, Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände, Vogelhäuschen, Insektenhotels, Kunstobjekte in allen Varianten, Größen und Formen hat der ideenreiche und handwerklich geschickte Architekt und Designer geschaffen und so Weggeworfenem neues Leben eingehaucht. Viele dieser Upcycling-Ergebnisse zieren sein Haus, innen und außen. Wer mit geschärftem Blick durch den großen Garten geht und das Auge über die Einrichtung in den Räumen des Hauses wandern lässt, findet viele nützliche und schöne Objekte, die erst auf den zweiten Blick als Upcycling erkennbar sind.
Thomas Abb ärgert sich über die Wegwerfmentalität. "In den armen Ländern der Welt macht man so etwas nicht. Aus der Not heraus geboren ist "Upcycling" für die Menschen dort selbstverständlich". Aus seiner Erfahrung als Designer weiß er, dass viele Dinge des täglichen Gebrauchs als Wegwerfprodukt produziert werden. "Besonders Elektro- und Haushaltsgeräte werden nicht mehr repariert, weil eine Reparatur zu teuer wäre. Dabei ist es oft nur ein Minibauteil, ein Ein- Cent-Artikel, das ausgetauscht werden müsste". Er weist auf die wachsenden Müllberge die zunehmende Umweltverschmutzung und die Explosion der Weltbevölkerung hin, was durch den ungebremsten Konsum noch angekurbelt werde. "Das kann nicht gut gehen", kritisiert er.
"Ich weiß, dass ich mit meinem "Upcycling" die Welt nicht umkrempeln und den Müllberg nicht reduzieren kann", gibt er zu. Aber nach ein paar Sekunden des Nachdenkens fällt ihm ein afrikanisches Sprichwort ein, das ihn dann doch zuversichtlich stimmt: Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.
Bildquelle:
apartment28/flickr
(Flohmarkt-Flair - Restaurieren und Inspirationen für Zuhause)
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