Wie entstanden die Sprachen der Welt?

Laut der Bibel ist die Entstehungsgeschichte ganz einfach. Laut dem Alten Testament Gen 11,1–9) sprachen damals alle Menschen eine gemeinsame Sprache. Ein Volk im Osten wollte im Land Schinar (Singara, nördlich von Babylon) eine Stadt mit einem Turm bauen, der bis in den Himmel reicht. Sie wollten damit Gott gleich sein. Gott stieg herab und bestrafte die Menschheit mit der Entstehung der Sprachenvielfalt. Sie konnten sich nicht mehr miteinander verständigen und mussten so das gemeinsame Vorhaben abbrechen.

Turmbau zu Babel

Der Turmbau Zu Babel (Bild: Hendrick Van Cleve)

Neue Forschungen gehen davon aus, dass alle Sprachen einen gemeinsamen Ursprung in Afrika haben, wo auch die ersten Skelette der Urmenschen gefunden wurden. Laut der Studie des Evolutionspsychologen Quentin Atkinson von der Universität von Auckland, Neuseeland hat der Auszug aus Afrika vor etwa 50.000 bis 80000 Jahren stattgefunden. In seinen Untersuchungen stellte er fest, dass eine Sprache umso weniger Phoneme hat, je weiter sie vom Ursprungsort entfernt ist. Phoneme sind kleinste Spracheinheiten wie z.B. unterschiedlichen Betonungen oder der Wechsel eines Buchstabens (Tasche / Lasche), die einem Wort eine völlig andere Bedeutung geben.

Skelett einer Neandertalerin (Bild: Kenneth Garrett)

Neandertaler mit Waffen am Feuer (Bild: 3591452)

Die Sprache der Urmenschen

Unsere Vorfahren, die Hominiden, entwickelten sich aus verschiedenen Primatenarten in Afrika vor mindestens 6 Millionen Jahren. Sie lebten in wasserreichen Gebieten mit hohem Gras und lernten so den aufrechten Gang, um ihre Hände besser nutzen zu können. Durch die andere Körperhaltung veränderte sich die Position des Kehlkopfes, die die Sprachfähigkeit verbesserte. Auch die Mimik und wichtige Gehirnstrukturen änderten sich, die eine Sprache erst möglich machen. Ob sie sich nur durch Gebärden oder schon durch Laute verständigten, kann heute nicht mehr festgestellt werden.

Die Gattung Homo, zu der auch der Neandertaler gehört, eroberte in der Zeit zwischen 1 Million und 40.000 Jahren Gebiete außerhalb Afrikas. Der Homo erectus (der aufgerichtete Mensch) wanderte bis China und Java und soll schon eine Lautsprache gekannt haben.

Der Homo sapiens (der moderne Mensch) entwickelte sich in Afrika und eroberte die gesamte Erdkugel. Er war bei der Jagd erfolgreich, die Bevölkerung wuchs und die Menschen wurden so gezwungen neue Länder zu besiedeln. Die menschliche Sprache soll sich vor 100.000 Jahren entwickelt haben. Die in Afrika zurückbleibende Bevölkerung soll die Urmutter der Khoisan Sprache sein. Khoisan ist die Sprache mit den Klick- und Schnalzlauten, wie sie z.B. die Bevölkerungsgruppe der San im Süden Afrikas sprechen. Europa erreichte der Homo sapiens vor 43.000 Jahren. Sprachen wie Baskisch und Kaukasisch zeugen von der ersten Besiedelung.

In der Jungsteinzeit, der neolithischen Revolution, also vor ca. 10.000 Jahren wurden die Menschen sesshaft. Sie zähmten Wildtiere zu Haustieren und betrieben Ackerbau. So konnten durch die besseren Ernährungsmöglichkeiten größere Siedlungen entstehen. Daraus entwickelten sich die Hochkulturen. Die Sprache wurde ein noch wichtigeres Element. Sie wurde komplexer und konnte mehr ausdrücken.

Ab ca. 3.200 v. Chr. entwickelten sich die ersten Schriften wie z.B. die sumerische Keilschrift, die uns heute bei der Erforschung der Sprachen hilft. Über die Sprachen vor dieser Zeit können mangels schriftlichen Nachweisen nur Vermutungen angestellt werden.

Wie viele Sprachen gibt es?

Das hängt davon ab, wie man eine Sprache definiert bzw. von einem Dialekt abgrenzt. Man kann die Anzahl der Sprachen nicht exakt feststellen. Manche definieren sich nur durch politische Grenzen, wie z.B. Serbisch und Kroatisch. Bei anderen ist der Übergang zwischen einem Dialekt und einer Sprache schwer festzustellen. Man geht davon aus, dass es zwischen 5000 und 7000 verschiedenen Sprachen auf der Welt gibt, die in 24 große Sprachfamilien eingeteilt sind. Als eine Sprachfamilie bezeichnet man alle verwandten Sprachen, die von einer gemeinsamen Vorgängersprache abstammen. So zählt Deutsch wie die meisten europäischen Sprachen, zur indogermanischen bzw. indoeuropäischen Sprachfamilie, die weltweit von drei Milliarden Muttersprachlern gesprochen wird und auf eine gemeinsame Ursprache zurückzuführen ist, die um 3400 v. Chr. rund um das Schwarze Meer gesprochen wurde. In dieser Zeit wurde schon das Rad genutzt und Landwirtschaft betrieben. Die Menschen wurden sesshaft, die Ernährung wurde durch Weizenanbau und Tierhaltung besser. Trotzdem verbreitete sich diese indogermanische Ursprache durch die Völkerwanderungen über die Jahrhunderte in ganz Europa und entwickelte sich weiter, bis sie zu dem europäischen Sprachverband wurde.

Finnisch und Ungarisch wiederum unterscheiden sich erheblich von den anderen europäischen Sprachen. Sie gehören zur uralischen Sprachfamilie, deren gemeinsame Wurzeln im mittleren Ural vermutet werden.

Der größte Teil der Weltbevölkerung, nämlich 99,5 Prozent spricht eine Sprache aus den großen Sprachfamilien. Bei isolierten Sprachen, die auf s. g. Sprachinseln gesprochen werden, besteht die Gefahr, dass sie aussterben bzw. von der sie umgebenden Sprache assimiliert werden. Ein Beispiel ist hier die sorbische Sprache in Brandenburg.

Weitere Informationen zu den indogermanischen Sprachfamilien finden Sie im Sprachen-Blog.

Wer eine der Weltsprachen wie z.B. Englisch, Französisch oder Spanisch lernen möchte, findet Grund- und Aufbaukurse bei Sprachenlernen. Auch außergewöhnliche Sprachen wie z.B. Afrikaans, Amharisch, Aserbaidschanisch, Baskisch, Bengalisch, Bosnisch, Filipino, Finnisch, Hebräisch, Hindi, Indonesisch, Isländisch, Koreanisch, Lingala, Mongolisch, Nepali, Persisch, Punjabi oder Suaheli ist möglich. Die Welt ist ein Dorf - wer weiß, wo es Sie demnächst hinzieht?

Lebendige und tote Sprachen

Sprachen sind etwas Lebendiges. Sie beeinflussen sich gegenseitig und nehmen fremde Wörter in sich auf, wie z.B. die englischen Begriffe Infopoint, Callcenter usw. Ins Englische sind unsere Bezeichnungen Kindergarten und Angst eingegangen. Es werden auch neue Wortschöpfungen kreiert wie z.B. twittern und alte Wörter wie z.B. Quacksalber oder blümerant sterben aus, da man sie nicht mehr nutzt. So gehen die romanischen Sprachen wie Italienisch, Spanisch und Französisch auf das Latein der Römer zurück. Die Römer hatten große Gebiete der Welt erobert. Ihr Latein vermischte sich mit den ortsansässigen Sprachen und entwickelte sich so zu neuen Sprachen. Mit dem Ende des Römischen Reiches starb auch die ursprüngliche Sprache Latein aus, sie wird heute als tote Sprache bezeichnet.

Durch die Völkerwanderung und die räumlichen Distanzen entwickelten sich die Sprachen weiter und bildeten so die große Vielfalt, die wir heute kennen. Die Sprachen werden sich weiter verändern. Eine Sprache, die stillsteht, wird zur toten Sprache. Wenn weniger als 1000 Menschen eine Sprache nutzen, wird es schwierig und sie droht auszusterben. Die Gesellschaft für bedrohte Sprachen geht davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten ein Drittel der Sprachen nicht mehr vorhanden sein wird. Auf allen Kontinenten werden Sprachen verschwinden. In Deutschland sind z.B. das Sorbische, Nordfriesische und Saterfriesische bedroht. Aramäisch, die Sprache Jesu, wird verschwinden. Mit den Sprachen verschwinden auch kulturelle Werte. Wer mehr über aussterbende Sprachen wissen will, sollte sich die kostenfreie PDF-Broschüre der Uni Köln anschauen.

Sprachwissenschaftler des Max-Planck-Institutes in Nijmegen versuchen im Internet in digitalen Datenbanken Wörter, Dokumente und Liedtexte zu sammeln. Sie gehen davon aus, dass nur Sprachen, die einen wirtschaftlichen oder praktischen Nutzen haben, überleben werden. Wenn die Sprachen schon nicht mehr vorhanden sind, soll man sich wenigstens an sie erinnern können.

Reisefieber, am 02.05.2014
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