Gefinkelte Steuer: Reichstürkenhilfe

Eine der plausibelsten Erklärungen liefert das deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm. Demnach könnte sich der Ausdruck "getürkt" unter anderem von der so genannten Reichstürkenhilfe ableiten, die deutsche Kaiser ab dem 15. Jahrhundert erhoben. Diese Steuer war jedoch anders, als es das Wort vermuten ließe, keine Integrationshilfe für Migranten, sondern das Gegenteil davon: Mit den Einnahmen sollten Streitkräfte gegen die immer wieder in Europa einfallenden Türkenheere ausgehoben werden.

Allerdings wurden die Geldmittel oftmals zweckentfremdet und die Reichstürkensteuer diente eher als sprudelnde Einnahmequelle, die man der Bevölkerung als existenzielle Notwendigkeit verkaufen konnte. So unglaublich es klingen mag: Bereits vor Jahrhunderten wurden abstruse Steuern erfunden und versickerten in dunklen Kanälen …

Kotze macht den Türken

Ebenfalls in Grimms Deutschem Wörterbuch findet sich folgende Anekdote: Um bei Truppenbesichtigungen von Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV besser dazustehen, ließen findige Kommandeure ihre Soldaten diverse Gefechtsübungen vorab einüben. Die perfekt choreographierten Manöver mochten den König beeindrucken, verfehlten aber natürlich den Zweck einer Übung völlig. Einerlei: Friedrich Wilhelm IV war höchst zufrieden und der Offiziersstab sonnte sich im Lob seines obersten Herrn.

Hinter vorgehaltener Hand wurden die einstudierten Übungen als "Türkenmanöver" bezeichnet. Daraus entwickelte sich die Kurzform "Türken" und floss in den deutschen Sprachschatz als fester Begriff für einen ausgeklügelten Schwindel ein. Erstmals Gebrauch von dieser Redewendung soll übrigens Generalleutnant Gebhard Hans Valentin Ludwig von Kotze gemacht haben, dessen adeliger Familienname sich nach Ansicht des Artikelautors ebenfalls vortrefflich als humoristische Redewendung geeignet hätte.

Der Schachtürke

Die wohl bekannteste Erklärung für den Ausdruck "getürkt" reicht zu einem ausgeklügelten Schwindel des 19. Jahrhunderts zurück. Damals staunte man weltweit über die geniale Maschine des Erfinders Wolfgang von Kempelen, den berühmten "Schachtürken". Obwohl von Kempelen zahlreiche erstaunliche Erfindungen gelangen, wie eine Sprechmaschine, die menschliche Laute erzeugen konnte, und er wesentlich am Aufbau sowie der Verbesserung der Infrastruktur innerhalb der Donaumonarchie beitrug, verharrte einzig und allein der "Schachtürke" im Bewusstsein der Nachwelt.

Verständlicherweise, denn der mechanisch betriebene, orientalisch gewandete Türke schlug im Schachspiel fast sämtliche menschliche Gegner, darunter Friedrich den Großen und Napoleon den Kleinen (was allerdings ein Mythos ist, wie dieser Artikel belegt). Nur am damals wohl weltbesten Schachspieler François-André Danican Philidor biss sich der Automat seine Zahnräder aus. Obwohl von Kempelens Zeitgenossen argwöhnten, dass sich lediglich ein meisterhafter Schachspieler in dem 1,50 Meter breiten Automaten befinde, der die Züge des "Schachtürken" ausführe, konnte der Erfinder jegliche Zweifel zerstreuen, indem er Einblicke in die Maschine gewährte, die anscheinend lediglich aus Zahnrädern und allerlei komplizierten Instrumenten bestand.

Kupferstich des "Schachtürken" von ...

Kupferstich des "Schachtürken" von Racknitz (Bild: By Joseph Racknitz [Public domain], via Wikimedia)

In Wahrheit befand sich natürlich ein kleinwüchsiger Mensch im Inneren, der Dank der raffinierten Konstruktion unentdeckt blieb. 1836 kam Edgar Allen Poe mit seinem Essay "Maelzel's Chess-Player" (der Erfinder und Mechaniker Johann Mälzel hatte nach dem Tod von Kempelens den Automaten erworben) der Wahrheit sehr nahe und deckte auf, wie der Schwindel wohl funktionierte. Tatsächlich erstaunt die raffinierte Konstruktion noch zweihundert Jahre später. Der "Türke" wurde wie eine Marionette von dem im Inneren versteckten Spieler geführt, was eine äußerst ausgeklügelte Technik verlangte. Der originale "Schachtürke" fiel 1854 einem Brand im Peale's Museum in Philadelphia zum Opfer.

Seither entstanden dutzende Nachbauten, die zumindest eine Ahnung von diesem höchst erstaunlichen Apparat vermitteln. Dennoch bleibt unklar, ob von Kempelen mit seinem Automaten für den Ausdruck "getürkt" verantwortlich zeichnet. Eine gewisse Logik würde dahinterstecken, hatte er doch buchstäblich "einen Türken gebaut", woraus sich "getürkt" ableiten könnte.

Aus deutsch mach türkisch

Einer weitaus martialischeren Erklärung nach geht der Ausdruck türken auf den Ersten Weltkrieg zurück. Im Sommer 1914 stachen die deutschen Schlachtkreuzer "Goeben" und "Breslau" vom Adriahafen Pola aus Richtung Dardanellen in See. Ihre Mission: Das mit den Achsenmächten nur halbherzig verbündete Osmanische Reich auf deren Seite in den Krieg ziehen! Dafür waren alle Mittel Recht, sogar jenes, zu einem abenteuerlichen Trick zu greifen. Während die Ägäis von der britischen Marine nach den beiden deutschen Kriegsschiffen, die zuvor eine französische Küstenstadt in Algerien beschossen hatten, abgesucht wurde, durchquerten diese die Dardanellen und steuerten die türkische Küste an.

Deutsches Schlachtschiff

Deutsches Schlachtschiff (Bild: http://pixabay.com/)

Am 16. August 1914 geschieht das Absonderliche: Auf der "Goeben" und der "Breslau" wird die Reichsflagge eingeholt und der Halbmond gehisst, die Besatzungsmitglieder setzen sich einen Fes auf. Prompt kaufen die Osmanen beide Schiffe, aus der "Goeben" wurde die "Yavuz Sultan Semlin", die "Breslau" hieß fortan "Midilli", und der deutsche Admiral Souchon war mit einem Schlag Befehlshaber der osmanischen Kriegsmarine. Seine erste Amtshandlung bestand darin, russische Schwarzmeerhäfen zu beschießen, was zur Kriegserklärung der Entente-Mächte gegenüber dem bis dahin neutralen Osmanischen Reich führte.

Eine für beide Seiten, insbesondere die türkische verhängnisvolle Entscheidung. Denn die Niederlage an der Seite der Achsenmächte bedeutete empfindliche Gebietsverluste und das Ende des Osmanischen Reiches. Letzten Ende waren somit die Türken von den Deutschen getürkt worden.

Kruzitürken! Woher kommt nun der Ausdruck getürkt?

Woher nun der Ausdruck getürkt wirklich stammt, entzieht sich einer genauen Bestimmung. Fest steht hingehen, dass diese Redewendung politisch unkorrekt ist und deshalb allenfalls im privaten Kreise verwendet wird. Ein Schicksal, das sie mit dem in Bayern und Österreich beliebten Fluch "Kruzitürken!" teilt. Dessen Herkunft ist indes bekannt: Er bezieht sich auf die Kuruzen, ungarische Kreuzzugteilnehmer, die sich gegen das eigene Königreich wandten und plündernd durch das Land zogen. Mitunter verbündeten sie sich sogar mit den Türken, was zum Ausruf "Kuruzen und Türken", oder verkürzt Kruzitürken, führte.

Aber es vergrößert ohnehin das Vergnügen, über die historischen Wurzeln beliebter – oder in diesem Falle verpönter – Begriffe zu rätseln.

Autor seit 14 Jahren
815 Seiten
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