Ob "Maggie" die Erwartungen des Publikums zum Glück oder zu dessen Leidwesen enttäuscht, ist Ansichtssache. Natürlich erwartet – oder erhofft? – sich der geneigte Fan von einem Schwarzenegger-Film satte Action, bewies der ehemalige Bodybuilder doch in der Vergangenheit Schlagkraft gegen Außerirdische ("Predator"), Terroristen ("True Lies"), Killerroboter ("Terminator 2") und sogar den Herrn der Finsternis persönlich ("End Of Days").

Pazifistischer Papa Schwarzenegger

Angesichts der ungebrochenen Popularität von Zombies in Film, TV und Literatur schien der Showdown der Action-Ikone gegen Untote unvermeidlich. Anstatt wie ein fleischgewordener Mähdrescher ganze Reihen von Zombies niederzumähen, setzt Schwarzenegger als Familienvater Wade in "Maggie" auf Konfrontationsvermeidung. Ein verstörendes Konzept, an das man sich erst einmal gewöhnen muss: Arnie ohne Knarre in der Hand, diskutierend statt dezimierend? Ja, mehr noch: Er ist nicht einmal die tragende Säule des Films. Abigail Breslin, bekannt als "Little Miss Sunshine", genreerfahren dank "Zombieland", verkörpert Titelheldin Maggie, eine Teenagerin, die sich langsam, aber sicher in einen wandelnden Toten verwandelt.

Wenig verwunderlich gingen die Kritiken zu Henry Hobsons Debütfilm weit auseinander: Ist "Maggie" ein verkanntes Meisterwerk oder ein prätentiöser Langeweiler der Extraklasse? Selbst am Hebel des Publikumszuspruchs lässt sich in dieser Frage nicht ansetzen: Gerade einmal 200.000 Dollar spielte der Streifen in den USA ein, was auf einen desaströsen Filmflop schließen ließe, wäre da nicht der Umstand, dass der Film nur in wenigen Kinos anlief und über die Zweitverwertung via Internet und DVD / Blu-ray Gewinn erzielen soll. Vielleicht liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte.

"Maggie": Nahe an "The Last Of Us" gebaut?

Positiv zu vermerken ist der gewagte Ansatz, die Erwartungen zu hintergehen und nicht einfach einen weiteren Genrefilm der Marke "Splatter" oder "Parodie" abzuliefern. Stattdessen setzt Regisseur Henry Hobson – übrigens kreativ am TV-Überhit "The Walking Dead" beteiligt – den Fokus auf die Frage, wie die Gesellschaft mit einer solchen Erkrankung umginge. Weder blutige Zombie-Angriffe, noch apokalyptische Szenerien drängen sich in den Mittelpunkt.

Obwohl man sich erst einmal an den Anblick eines reichlich passiven Schwarzenegger gewöhnen muss, der Probleme nicht mit der Mini-Gun oder Muckis löst, greift das Konzept überraschend schnell, was insbesondere der konsequenten Umsetzung zu verdanken ist. Zwar gibt es einige wenige Schockeffekte, diese sind jedoch spärlich dosiert und ergeben sich zwingend aus der Handlung, anstatt notdürftig in den Plot hingestickt worden zu sein, um das Label "Zombie-Film" tragen zu dürfen.

"Maggie" wurde verdächtige Nähe zum Playstation-Spiel "The Last Of Us" vorgeworfen. Völlig zu Unrecht, da sich der Film drastisch vom mit zahlreichen Awards ausgezeichneten Spiele-Blockbuster unterscheidet. Gerade Schwarzeneggers physische Präsenz ist von erstaunlicher Zurückhaltung gezeichnet und passt hervorragend zu seinem Charakter eines hart arbeitenden Farmers. Ersatz-Vater Joel aus "The Last Of Us" hingegen verkörpert ironischerweise einen typischen 80er-Jahre-Arnie: Zäh, wenig gesprächig und vor allem kompromisslos im Umgang mit jedem, der ihm im Wege steht.

Dass für die bereits beschlossene Verfilmung von "The Last Of Us" ausgerechnet Schwarzenegger nicht mehr zur Verfügung stehen wird, ist ein cineastischer Treppenwitz der Marke: "Wer zu spät kommt, den bestraft die Rollenauswahl". Noch Ende der 1990er Jahre wäre Arnie mit Sicherheit die erste Wahl für die Verkörperung des knallharten Überlebenden einer postapokalyptischen Welt gewesen. Mittlerweile ist er schlichtweg zu alt dafür, weshalb seine Rolle in "Maggie" durchaus angemessen erscheint.

Abschied von Maggie

Dramaturgische Tiefe gewinnt das Zombie-Drama durch die plausiblen, unlösbaren Konflikte. Einerseits beschützt Wade seine infizierte Tochter, weiß andererseits jedoch sehr wohl, dass er dadurch seine Frau und ihre beiden Töchter in Gefahr bringt. Auf die allzu simple Aufteilung – hier die Guten, dort die Bösen – verzichtet "Maggie" auch in Hinblick auf die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung der Zombie-Seuche. Infizierte werden von ihren Angehörigen auch mittels Waffengewalt getrennt, was zwar grausam anmutet, allerdings auch von nötiger Härte zeugt.

In der vielleicht besten Szene des Filmes nehmen Maggies Freunde in Form einer Lagerfeuer-Party gewissermaßen Abschied von ihr, wobei sie nicht so recht wissen, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen sollen: Voll des Mitleids? Argwöhnisch, da sie sich unvermutet rasch in einen Zombie verwandeln und sie beißen könnte? Oder die Krankheit gar nicht ansprechen und krampfhaft jedes Wort darüber vermeiden?

Dadurch, dass Maggie selbst im Fokus der Geschichte steht, kommt der Zuschauer nicht um die komplexen Problemfelder herum. Sie weiß um die Ausweglosigkeit der Erkrankung, kann gleichzeitig ihr Leben aber nicht loslassen und somit ihr Schicksal akzeptieren, wie es auch Wade nicht übers Herz bringt, seine eigene Tochter und damit sich selbst zu erlösen.

Am Meisterwerk vorbeigeschrammt

Hervorheben muss man neben dem interessanten Plot die Schauspielleistungen - auch jene Arnies – sowie die visuelle Umsetzung. Immer wieder schwelgt die Kamera in düsteren, symbolschwangeren Bildern und Einstellungen. Und hierin liegt wohl auch eine der Schwächen des Filmes: Er wirkt einen Tick zu überkandidelt, als wollte er mehr als ein gefühlvolles Melodram sein. Immer wieder legt Hobson viel zu viel emotionales Gewicht auf seinen Film, der unter diesem Druck zu ersticken droht.

Natürlich ist nichts daran verkehrt, seinem Werk zusätzliche Tiefe verleihen zu wollen; problematisch wird es allerdings, wenn die Figuren nicht genug dafür hergeben. Maggie und Wade sind gewiss interessante Charaktere, die jedoch eine feinere Ausarbeitung ihrer Persönlichkeiten verdienten. Durch die nicht ganz schlüssige Charakterisierung – insbesondere Joely Richardson als Maggies Stiefmutter bleibt weitgehend blass – geht viel Potenzial verloren und nimmt so manchen Bildern ihre Eindringlichkeit, da der Kontext fehlt.

Dennoch vermag "Maggie" positiv zu überraschen, auch wenn das Drama nicht ganz seinem Anspruch, völlig neue Akzente zu setzen, gerecht wird. Großartige Ansätze schrammen an ihrer Formvollendung vorbei, sodass Henry Hobson ein zwar guter Film, aber nicht das von ihm wohl erhoffte Meisterwerk gelungen ist. "Maggie" nutzt eine populäre Schablone, um sich mit einer ewig gültigen Frage auseinanderzusetzen: Was ist Menschlichkeit, und wie gehen wir mit jenen um, die aus welchen Gründen auch immer "anders" sind? Als Regiedebüt weiß der Streifen durchaus zu überzeugen, ebenso wie Schwarzenegger in einer ernsten Rolle. Auch wenn "Maggie" kein Meilenstein ist und es kaum zu Kultfilm-Ehren bringen wird, ist der Film sehenswert. Und das nicht trotz, sondern auch dank Arnie, dem man dafür den unsäglichen Action-Durchfall "Sabotage" vergeben möchte.

Laden ...
Fehler!